Zürich. Der alte Rekord von 19 Medaillen könnte diesmal geknackt werden: Bei der Europameisterschaft im traditionsreichen Letzigrund will das Team des Deutschen Leichtathletik-Verbandes seinen Aufschwung der vergangenen Titelkämpfe fortsetzen. In eingen Disziplinen führt Gold tatsächlich nur über deutsche Athleten.

Die deutschen Leichtathleten wollen ihren Aufschwung bei der Europameisterschaft von Dienstag bis Sonntag in Zürich fortsetzen. Die Titelkämpfe im traditionsreichen Letzigrund könnte die erfolgreichste EM seit 2002 werden. Damals holte das Nationalteam in München 19 Medaillen (zweimal Gold, neunmal Silber, achtmal Bronze). „Wir bleiben bei der Tradition: Eine Medaillenvorgabe wird es nicht geben“, sagte DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen, ein Platz unter den besten drei Nationen soll es aber werden. Wir stellen zehn heiße Medaillen-Kandidaten vor.

David Storl (Kugelstoßen, Dienstag 19.34 Uhr): Der Chemnitzer soll für die gute Stimmung in der Mannschaft sorgen, denn gleich in der ersten von 47 Entscheidungen will er die 7,25 Kilo schwere Kugel zum Gold wuchten. Storl ist ein Mann der Superlative: Noch nie hat ein 23-Jähriger so weit gestoßen, noch nie war ein Kugelstoßer in diesem Alter bereits zweimal Weltmeister. Nun soll EM-Gold dazu kommen. Am liebsten mit dem ersten Stoß jenseits der 22-Meter-Marke.

Verena Sailer (100 Meter, Mittwoch 20.25 Uhr): Vor vier Jahren war ihr EM-Gold in Barcelona die Überraschung. In der damaligen Bestzeit von 11,10 Sekunden holte die Mannheimerin als erste deutsche Sprinterin seit 16 Jahren den EM-Titel. Diesmal wird es schwerer. Zuletzt kassierte Sailer bei der DM sensationell eine Niederlage gegen die Münsteranerin Tatjana Pinto. „Kein Problem“, sagte Sailer, „bei mir ist alles auf Zürich ausgerichtet.“

Robert Harting (Diskuswerfen, Mittwoch 20.35 Uhr): Der Berliner hat schon alles in seiner Karriere gewonnen: Vom deutschen Meistertitel über EM- und WM-Gold bis hin zum Olympiasieg. Trotzdem ist der 29-Jährige so heiß wie eh und je auf Erfolge.

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Und in einem anderen Punkt hat sich Harting ebenfalls nicht geändert: Er ist ein Querdenker, der ständig auf der Suche danach ist, wie er seine Sportart populärer machen kann.

Kai Kazmirek (Zehnkampf, Mittwoch 20.37 Uhr, 1500 m): Der Mann von der LG Rhein-Wied ist der Senkrechtstarter des Jahres. Beim traditionellen Meeting im Mehrkampf-Mekka Götzis/Österreich wurde der 23-Jährige Zweiter hinter dem zweimaligen Weltmeister Trey Hardee (USA), als Zugabe erzielte er eine persönliche Bestleistung von 8471 Punkten und belohnte sich schließlich mit dem EM-Ticket. „Kai macht wirklich einen tollen Eindruck – und er hat noch Reserven“, sagt der frühere Weltklasse-Zehnkämpfer Guido Kratschmer.

Linda Stahl (Speerwerfen, Donnerstag, 20.40 Uhr): Die Leverkusenerin pendelt zwischen Klinik und Trainingsplatz hin und her. Der Hintergrund: Trotz der immensen Belastung durch den Leistungssport schloss sie ihr Medizinstudium erfolgreich ab. Stahl imponierte in dieser Saison beim Diamond-League-Meeting in New York, als sie ihre vier Jahre alte Bestmarke von ihrem überraschenden EM-Sieg 2010 um 51 Zentimeter auf 67,32 Meter steigerte.


Betty Heidler (Hammerwerfen, Freitag 20.40 Uhr): Die Bundespolizistin ist die „Wundertüte“ der deutschen Mannschaft. Mal haut sie einen raus wie im Mai 2011 bei ihrem Weltrekord mit 79,42 Metern oder dem WM-Titel 2007, mal geht sie unter wie bei ihrer unerklärlichen Niederlage bei der DM gegen Kathrin Klaas. In Zürich will sich die 30-Jährige wieder von ihrer Schokoladenseite zeigen.


Christina Schwanitz (Kugelstoßen, Sonntag 15 Uhr): Nicht Diskus-Olympiasieger Robert Harting oder der zweimalige Kugel-Weltmeister David Storl sind die heißesten Gold-Tipps, sondern die 28-jährige Sportsoldatin aus dem sächsischen Frankenberg. In Europa ist sie eine Klasse für sich. Und seitdem die 1,80 Meter große und 105 Kilo schwere Kugelstoßerin im vergangenen Jahr geheiratet hat, läuft es bei ihr noch besser.

Homiyu Tesfaye (1500 Meter, Sonntag 15.05 Uhr): „Meine Hobbys sind Laufen, Essen und Schlafen, sonst brauche ich nichts“, sagt der 21-Jährige, der vor drei Jahren aus Äthiopien floh und bei Eintracht Frankfurt von Wolfgang Heinig trainiert wird. Für Bundeswehrsoldat Homiyu ist er der ideale Coach: „Er motiviert mich, wenn ich ein bisschen faul werde. Ich brauche Druck.“

Christian Reif (Weitsprung, Sonntag 15.56 Uhr): Als deutscher Vizemeister möchte der 29-Jährige zum EM-Titel springen. In den vergangenen Wochen musste sich Reif mehr über Markus Rehm äußern als über sich selbst. In Ulm hatte Rehm mit 8,24 Metern vor Reif (8,20 Metern) gewonnen, darf aber nicht zur EM fahren, weil seine Unterschenkel-Prothese als Vorteil bewertet wurde. In Ulm hat Reif verloren, aber durch seine faire Haltung Rehm gegenüber viele Sympathien gewonnen.

Männer-Sprintstaffel (Sonntag 17.05 Uhr): Das Quartett um den neuen deutsche 100-Meter-Rekordler Julian Reus vom TV Wattenscheid könnte zum Abschluss der Titelkämpfe für einen richtigen Paukenschlag sorgen. Auf jeden Fall sind die Zeiten vorbei, als deutsche Sprinter in der Öffentlichkeit mit Hohn und Spott leben mussten, weil sie nicht viel schneller waren als der Frauen-Weltrekord von Florence Griffith-Joyner (10,49 Sekunden).