Ajaccio. Es war ein kurzes Vergnügen: Marcel Kittel trug das Gelbe Trikot der Tour de France nur einen Tag lang. Nach der zweiten Etappe am Sonntag musste er das Maillot Jaune schon wieder abgeben. Der 25-Jährige hofft dennoch, dass sein Tag in Gelb dem deutschen Radsport hilft.
Für das kurze Vergnügen im Gelben Trikot musste Marcel Kittel teuer bezahlen. Abgeschlagen erreichte der 25 Jahre alte Radprofi am Sonntag das Ziel der zweiten Tour-Etappe in Ajaccio auf Korsika. Sein Rückstand auf den Belgier Jan Bakelants, den Tagessieger und neuen Träger des Maillot Jaune, betrug 17:35 Minuten. Den Stolz auf den historischen Doppelschlag am Tag zuvor minderte das nicht. Nach seinem Etappensieg zum Auftakt der 100. Tour de France durfte sich der sympathische Thüringer zumindest einen Tag lang als erster deutscher Tour-Spitzenreiter seit fünf Jahren präsentieren.
"Ich will jetzt einfach nur diese Atmosphäre aufsaugen und den Tag genießen", hatte Kittel erklärt, als er am Morgen mit strahlendem Gesicht und ganz in Gelb gekleidet aus dem Mannschaftsbus seines Teams Argos-Shimano gestiegen war. Auf dem von Palmen und Platanen umsäumten Place Saint Nicholas im Zentrum von Bastia, dem Startort der zweiten Etappe, gab der 25 Jahre alte Radprofi dann gut gelaunt Interviews, schrieb fleißig Autogramme und posierte für die Fotografen. "Es ist verrückt, ich bin immer noch ganz durcheinander", gestand er. "Ich werde das alles wohl erst mit ein bisschen Abstand realisieren können."
Die eine Nacht hatte ihm nicht gereicht, um das ganze Ausmaß seines Triumphes zu begreifen. Erst gegen 22.00 Uhr am Samstagabend hatte Kittel den Etappensieg und das Maillot Jaune mit dem Team ein wenig feiern können. Die Champagnerflasche öffnete er eigenhändig und sprach dann einen Toast auf seine Mannschaftskollegen aus. Eine Stunde später war die kleine Feier schon wieder vorbei.
Kittel hofft auf Werbung für den deutschen Radsport
Zur Ruhe kam Kittel dennoch nicht. "Ich habe versucht, ruhig durchzuschlafen. Richtig gelungen ist mir das nicht", berichtete er. Das Gelbe Trikot hatte er in seinem Hotelzimmer auf dem Fernseher drapiert. Dorthin wanderte sein erster Blick am nächsten Morgen. "Das Trikot war noch da. Es war also kein Traum, auch wenn es sich immer noch so anfühlt", sagte er.
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Der persönliche Stolz des Arnstädters ist das eine. Doch Kittel hofft darüber hinaus, dass sein Triumph in Bastia auch dem nach zahlreichen Dopingskandalen angeschlagenen deutschen Radsport wieder auf die Beine hilft. "Ich würde mir wünschen, dass ich damit ein bisschen Werbung für das Team und den Sport machen kann. Es ist nicht alles schlecht im Radsport", sagte Kittel.
Der Sprinter hat sich in den vergangenen Monaten immer wieder gegen Doping stark gemacht. Gemeinsam mit seinem Teamkollegen John Degenkolb und Tony Martin hatte Kittel eine Erklärung unterschrieben, in der sie versicherten, ihren Sport sauber zu betreiben. Außerdem sprach er sich für ein Anti-Doping-Gesetz in Deutschland aus.
Den Erfolg von Bastia und den Tag in Gelb wertet Kittel als Beweis dafür, dass man auch ohne Doping im Radsport große Erfolge feiern kann. "Der Radsport hat eine Kehrtwende vollzogen", versicherte er. Auch sein Teamkollege Degenkolb sah sich bestätigt. "Das ist der Plan, den wir seit geraumer Zeit verfolgen, dass unsere sauberen Erfolge anerkannt werden", sagte Degenkolb.
Schumacher trug einst Gelb - und wurde wenig später überführt
Das dürfte angesichts der Dopingvergangenheit des deutschen Radsports jedoch schwierig bleiben. Der letzte deutsche Radprofi, der das Gelbe Trikot auf seinen Schultern trug, war Stefan Schumacher. Der Schwabe hatte das begehrte Stück Stoff 2008 übergestreift. Kurz nach der damaligen Tour wurde er des EPO-Dopings überführt. Derzeit steht der geständige Nürtinger wegen seiner Dopingaffäre vor Gericht. Die Anklage lautet auf Betrug zulasten seines ehemaligen Arbeitgebers, dem von Hans-Michael Holczer geführten, Ende 2008 aufgelösten Team Gerolsteiner.
Panik bei Tour-Eröffnung - Bus steckt auf Ziellinie fest
Busfahrer Garikoitz Atxa vom australischen Team Orica-GreenEdge war dem Nervenzusammenbruch nahe. Nichts ging mehr am Samstag im Zielbereich auf der ersten Etappe der Tour de France in Bastia, weder vor noch zurück. Der grün-weiße Bus hatte den Überbau auf dem Zielstrich mit dem Dach gerammt und war manövrierunfähig. Hektisch eilten die Helfer herbei. Die Zeit drängte. Schließlich raste das Feld bereits mit hoher Geschwindigkeit Richtung Ziel, keine zehn Kilometer waren mehr zurückzulegen.
Bei der Organisation brach das Chaos aus. Zwischenzeitlich kursierte der Plan B, das Etappenfinale wenige Kilometer vorzuverlegen. Kaum auszudenken, dass der große Auftakt der Jubiläums-Rundfahrt ein derartiges Ende nehmen würde.
Findige Helfer hatten doch noch die bahnbrechende Idee. Sie ließen Luft aus den Reifen des Busses. Das riesige Fahrzeug konnte befreit werden, und der Zielbereich war gerade noch rechtzeitig vor dem Eintreffen der Fahrer geräumt. Für Marcel Kittel war der Weg zu seinem ersten Etappensieg und dem Gelben Trikot frei, und Atxa durfte aufatmen.
"Ich weiß nicht, ob ich berühmt oder berüchtigt bin. Ich fühle mich schrecklich, aber es ist vorbei, und im Ziel ist keiner verletzt worden", sagte Atxa, ein früherer spanischer Radprofi, dem TV-Sender Eurosport. Es sei sein erster Tag mit dem Bus gewesen. "Das war kein guter Anfang, aber ich hoffe, dass sie mir weiter vertrauen."
Gegenseitige Schuldzuweisungen
Die Tour-Organisation ASO gab Atxa die Schuld. Die Zielüberbauung kann bei Bedarf angehoben werden. Der GreenEdge-Mann wäre verpflichtet gewesen, vor dem Durchfahren kurz anzuhalten. Er war allerdings eh schon zu spät dran, weil er unterwegs eine Panne hatte. Teamchef Matt White sieht die Schuld bei den Streckenposten. "Es ist der gleiche Bus wie im Vorjahr. Unser Fahrer hat nur die Anweisungen befolgt." Die ASO bestrafte das Team trotzdem mit einer Geldstrafe von 2000 Schweizer Franken, also umgerechnet 1626 Euro.
Im Internet war der Spott über das Malheur jedenfalls groß. Bei Twitter war unter anderem in einem Tweet zu lesen: "Ich habe Wachstumshormone genommen, um größer zu werden und mit den anderen mithalten zu können. Ich verzichte auf die B-Probe, bin aber trotzdem weiter am Start." (dpa)