Essen. . In Essen geht es für die Schwimmer um die WM-Tickets. Bundestrainer Henning Lambertz plant aber bereits für die Olympischen Spiele 2020. Ein Interview.
Vor drei Jahren übernahm Henning Lambertz nach den Olympischen Spielen 2012 das Amt des Chef-Bundestrainers im Deutschen Schwimm-Verband. Bis dahin hatte der 44-Jährige die Startgemeinschaft Essen zur Nummer eins in Deutschland gemacht. Von Mittwoch bis Sonntag kehrt er nach Essen zurück, weil im Rüttenscheider Leistungszentrum die deutschen Schwimmer um die Tickets zur WM im August kämpfen. Vor den German Open spricht Lambertz über die Perspektiven des deutschen Teams, über die mangelnde finanzielle Förderung im deutschen Sport und Weltrekordler Paul Biedermann.
Herr Lambertz, ab Mittwoch finden die German Open in Essen statt. Das hört sich eher nach Tennis oder Golf an. Auf was dürfen sich die Zuschauer an den fünf Tagen freuen?
Henning Lambertz: Die gesamte deutsche Schwimm-Elite wird an den Start gehen. Vor einem Jahr hieß die Veranstaltung noch Überprüfungswettkampf. Das klingt wie Nachsitzen in der Schule. Deshalb haben wir dem Kind einen anderen Namen gegeben. Die Qualifikation der Schwimmer für die WM im August ist dreigeteilt. Die Deutsche Meisterschaft war Pflicht. Eine weitere Richtzeit musste in einem Wettkampf wie bei der Mare-Nostrum-Tour oder bei den German Open in Essen erfüllt werden. In Essen müssen jedoch auch diejenigen teilnehmen, die schon ihre Norm geschafft haben.
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Es gibt aber auch zwei Ausnahmen.
Lambertz: Das stimmt. Unsere beiden Mitglieder des Elite-Teams, Europameister Marco Koch und Weltrekordler Paul Biedermann, werden nicht in Essen sein. Marco bat darum, stattdessen in Vichy starten zu dürfen. Dort trifft er auf starke internationale Gegner. Paul ist vor kurzem in Monaco eine 1:46 Minuten über 200 Meter Freistil geschwommen. Er will jetzt noch mal durchtrainieren. Das bringt ihm mehr als ein Wettkampf gegen sich selbst. Denn man muss ehrlich sein, in Deutschland kann ihn niemand ernsthaft fordern.
Wie viele deutsche Schwimmer haben schon die WM-Tickets sicher?
Lambertz: 14 sind bereits qualifiziert. Weitere 15 stehen in den Startlöchern und wollen sich ihre Fahrkarte in Essen endgültig sichern.
Nicht nur für die Öffentlichkeit sind Medaillen ganz wichtig. Auch die Förderung der einzelnen Sportarten richtet sich danach, wie viele Sportler bei Großereignissen auf dem Treppchen stehen. Wie viele Medaillen werden die Beckenschwimmer bei der WM in Kasan gewinnen?
Lambertz: Da müssen wir realistisch bleiben. Wir haben eigentlich nur zwei Chancen in den Einzelwettbewerben durch Marco Koch über 200 Meter Brust und Paul Biedermann über 200 Meter Freistil. Sollte sich noch ein zusätzliches Lichtlein auftun, würde ich mich am meisten freuen. Mit viel Glück könnte eine dritte Medaille durch unsere Männer-Staffel über 4 mal 200 Meter Freistil hinzukommen.
Bis zu den Olympischen Spielen 2016 wird sich die Perspektive nicht wesentlich verbessern, oder?
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Lambertz: Richtig. Für Rio sind die Aussichten ähnlich. Vielleicht kommen Christian vom Lehn über 200 Meter Brust und Franziska Hentke über 200 Meter Schmetterling hinzu. Ihnen traue ich einen Schritt nach vorne zu. Aber die Tasche wird nicht plötzlich aufgehen und Spitzenleute in Massen herauspurzeln. Es war klar, dass wir bis 2016 die Welt nicht neu erfinden werden und deshalb auf die Etablierten setzen müssen. Richtung Olympische Spiele 2020 in Tokio muss sich was bewegen, um mehr potenzielle Medaillenanwärter zu haben. Ich möchte, dass nicht alles auf so dünnen Pfeilern steht. Es gibt auch schon gute Ansätze, wie wir bei den Europaspielen durch Julia Mrozinski, Maxine Wolters und Paul Hentschel gesehen haben.
Eine bessere Förderung würde nicht nur den Schwimmern helfen.
Lambertz: Die Unterstützung könnte besser sein, obwohl wir mit der Bundeswehr, der Sporthilfe und der Bundes- beziehungsweise Landespolizei gute Förderer haben. Auch dort bleibt für die Sportler nichts übrig, aber sie müssen wenigstens nichts dazu schießen. Bei uns erhält ein B-Kader-Mitglied 200 Euro im Monat. Und wer den schweren Weg in die Eliteförderung geschafft hat, wird mit 1500 Euro auch nicht reich. Andere Länder haben uns viel voraus. Da müssen sich die Sportler mit 3000 oder 4000 Euro im Monat wenigstens keine Sorgen machen.
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Anders als Markus Deibler, der mit 25 Jahren nach dem Gewinn des Kurzbahn-Weltmeister-Titels in Weltrekordzeit seine Karriere beendete. Hätte er diesen Schritt nicht vollzogen, wenn es in Deutschland höhere Fördergelder geben würde?
Lambertz: Ich denke ja. Markus hatte eigentlich noch Lust auf Schwimmen, aber er wollte sich als junger Geschäftsmann eine Existenz aufbauen und mit seiner Eisdiele expandieren. Hätte er die Möglichkeit gehabt, ein bisschen mehr Geld mit dem Schwimmen zu verdienen, wäre er wohl hier in Essen noch am Start. Es gibt jedoch auch tolle Ansätze wie das BMI-Sprungbrett. Das Bundesinnenministerium wird demnächst Sportler, die drei Jahre lang dem A-Kader angehörten und mindestens eine Medaille gewonnen haben, nach Beendigung ihrer Karriere weitere drei Jahre mit je 1000 Euro im Monat unterstützen. Dann müssen die Sportler nicht fürchten, sofort nach dem Ende der Laufbahn in ein Loch zu fallen.
Nicht nur die finanzielle Förderung scheint in einigen Ländern besser zu sein als in Deutschland. In Russland hat es zahlreiche Dopingfälle gegeben. Die Olympiasieger Park Tae-Hwan aus Südkorea und Sun Yang aus China sind ebenfalls erwischt worden. Gibt es ein neues Doping-Problem im Schwimmen?
Lambertz: Es ist kein neues Problem. Aber glücklicherweise werden die Kontrollen engmaschiger und greifen auch. Es freut mich, dass Südkorea das Vergehen von Park nicht schön redet, obwohl er ihr einziger Weltklassemann ist. Er ist hart bestraft worden. Er soll Testosteron genommen haben. Das ist etwas anderes, als ob man das falsche Nasenspray benutzt hat.