Essen. . Nach WM-Gold in Weltrekord-Zeit sprang der Hamburger aus dem Hamsterrad des Leistungssports. Jetzt betreibt der Schwimmer eine Eisdiele auf St. Pauli.
Das Leben des Markus Deibler drehte sich jahrelang fast ausschließlich um Rücken, Schmetterling, Brust und Kraul. Tag für Tag. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Aus und vorbei: Jetzt bestimmen Cheesecake-Himbeer, Pink Grapefruit, Joghurt-Rhabarber oder Mango-Lassi seinen Alltag. Aus dem Schwimm-Weltmeister, aus dem Weltrekordler Markus Deibler ist der Besitzer einer Eisdiele auf St. Pauli geworden.
Es sei schon ein komisches Gefühl, gibt er zu, erstmals seit vielen Jahren nicht bei den Deutschen Schwimm-Meisterschaften, die bis Sonntag in Berlin stattfinden, auf dem Startblock zu stehen. „Aber ich habe es mir selbst ausgesucht“, sagt Deibler und weil er ahnt, dass diese Nachfrage unumgänglich ist, fügt er schnell den entscheidenden Satz hinzu: „Ich habe nichts bereut. Gar nichts.“
Kritik an Förderung in Deutschland
Aber Deibler weiß natürlich selbst, dass sein plötzlicher Rücktritt vor einigen Wochen bei vielen großes Kopfschütteln auslöste. Ein Sportler mag davon träumen, mit dem ganz großen Paukenschlag von der Sportbühne abzutreten. So wie es die Speerwerferin Steffi Nerius 2009 bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin tat: Gold nach Olympia-Silber und dreimal WM-Bronze. Aber während Nerius mit 37 Jahren längst im Herbst ihrer Karriere angekommen war, schien Deibler mit 24 die besten Jahre noch vor sich zu haben.
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Als Markus Deibler im Dezember 2014 bei den Kurzbahn-Weltmeisterschaften Gold über 100 Meter Lagen gewann und in 50,66 Sekunden einen Weltrekord aufstellte, atmete der Schwimm-Verband auf, denn die deutschen Medaillenhoffnungen für die Olympischen Spiele 2016 in Rio sind, sagen wir mal, ziemlich übersichtlich.
Umso tiefer saß der Schock, als Deibler neun Tage nach dem Gewinn des WM-Titels seinen Rücktritt erklärte. Die Entscheidung stand zwar bei seinem Weltrekord-Coup noch nicht fest, doch selbst das Gold ließ die Waage nicht zur anderen Seite kippen.
Seit März zu 99 Prozent in der Eisdiele
„Ich hatte schon zu Beginn der Saison im September das Gefühl, Schwimmen ist nicht mehr das, wofür ich brenne“, sagt Deibler. „Und wenn ich nicht mehr richtig dahinter stehe, dann macht es keinen Sinn. Außerdem würde ich die Zeit meiner Trainerin verschwenden, denn nur mit vollem Einsatz könnte ich weitere Erfolge feiern.“ Schwimmen ist ein äußerst zeitintensiver Sport. Zwei Einheiten pro Tag im Wasser, oft zusätzlich eine weitere im Kraftraum. Zwischendurch Physiotherapie, damit der geschundene Körper am nächsten Morgen wieder zu einer neuerlichen Höchstbelastung bereit ist.
Markus Deibler ist aus dem Hamsterrad heraus gesprungen. Vielleicht hätte er es später getan, wenn die Förderung in Deutschland anders wäre. „Als Schwimmer musst du Idealist sein. Der finanzielle Anreiz ist gering“, sagt er. „In Deutschland stimmt das Verhältnis zwischen Anspruch und Förderung nicht. In der Förderung sind wir vielleicht 34. auf der Welt, im Medaillenspiegel sollen wir aber ganz vorne landen. So geht es nicht.“
Und weil es weder viel Geld noch große Anerkennung zu verdienen gibt, weil Schwimmen ein Vollzeit-Job ist, hat er seinem Leben eine neue Richtung gegeben. „Früher war ich zu 99 Prozent Schwimmer, jetzt kümmere ich mich in 99 Prozent meiner Zeit um die Eisdiele“, sagt er. 2013 hat er die Eisdiele mit seiner Geschäftspartnerin Luisa Mentele eröffnet, seit März 2015 steht er auch wirklich im Geschäft. Deibler will in Zukunft noch mehr Cafés und Supermärkte mit den Eisbechern von „Luicella’s“ beliefern. Und was empfiehlt der Eiskenner für schöne Frühlingstage? „Zitrone-Basilikum“, sagt er. „Extrem frisch! Total lecker!“ Der Ex-Schwimmer spricht schon wie ein Geschäftsmann.