Essen. Der eine ist mal „richtig sauer“ am WM-Mikrofon geworden, sonst aber so brav wie der andere. Scholl ist der selbstironische Künstler mit einem respektablen Sprüchereservoir, Kahn der grimmige Grasfresser mit den druckreifen Fußballerphrasen für jeden Notizblock.
Als Mehmet Scholl mal gefragt wurde, wovor er Angst habe, flachste er: „Vor Krieg und Oliver Kahn“. Bei Bayern München saßen die beiden Kicker zwar einst nebeneinander in der Kabine, aber schon damals verkörperten sie die extremen Ränder: Scholl der selbstironische Künstler mit einem respektablen Sprüchereservoir, Kahn der grimmige Grasfresser mit den druckreifen Fußballerphrasen für jeden Notizblock.
Bei ARD und ZDF geben sie nun seit drei Wochen ihr sogenanntes Expertenwissen zur WM zum besten. Und wie sehr der eine auf dem Platz früher einstecken musste und wie stark der andere austeilte, ließ sich am Wochenende bei ihren Einschätzungen zum brutalen Foul an Brasiliens Heilsbringer Neymar trefflich beobachten.
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Oli Kahn lobt die "enorme Leidenschaft"
Scholl (43), dessen spontan wirkende Emotionalität beim Publikum in der Regel gut ankommt, tobte: „Ich bin richtig sauer und richtig enttäuscht!“ Das seien „Gladiatorenkämpfe“, schimpfte er am späten Freitagabend neben ARD-Mann Matthias Opdenhövel. „Wenn wir zulassen, dass die Kleinen vernichtet werden, ist es nicht mehr meine Sportart. Dann haben wir ein Problem.“ Wenn die Schiedsrichter nicht mehr in der Lage seien, brutale Fouls zu stoppen, dann werde ein Neymar eben vom Feld getragen.
Oliver Kahn (45), der sich in der Öffentlichkeit seit Jahren so entspannt gibt, dass man ihn für einen Doppelgänger von Oliver Kahn halten muss, mochte sich tags darauf neben Oliver Welke im ZDF darüber freilich nicht erregen. Vielmehr lobte er „die enorme Leidenschaft“ und „den großen Kampf“ im Spiel Kolumbien gegen Brasilien. In dem 52 Fouls gepfiffen wurden.
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Wenn es um die DFB-Elf geht, bleiben beide brav
Wer allerdings den Schluss daraus zieht, dass Scholl der kritische Feingeist sei, während Kahn alles glattbügelt, greift zu kurz. Natürlich vermittelt Scholl das Gefühl, dass die Fußballwelt komplizierter geworden ist, dass es nicht auf alles einfache Antworten gibt, dass Denken ein Prozess ist und dass man auch mal mit sich selbst hadert.
Und Kahn beharrt mit titanischer Selbstgewissheit darauf, dass Fußball ein Spiel ist, in dem sich der „mit den dickeren Eiern“ behauptet, das war so, das bleibt so. Aber wenn es um die Nationalelf geht, bleiben sie beide hübsch brav, jeder auf seine Art, anecken wollen sie da so wenig wie ihre Profikollegen am Mikrofon.
Schade eigentlich.