Essen. . Gut, das Auftaktspiel Deutschland-Portugal machte es Kritikern schwer. Aber umgekehrt machen es ARD und ZDF dem DFB viel zu leicht. Die Öffentlich-Rechtlichen schmusen sich allzu sehr an die Fußballer und ihre Funktionäre heran. Alle? Nicht ganz. Es gibt Ausnahmen.

80 Millionen können sich nicht irren: Der Bundestrainer hat keine Ahnung, und der Fernsehreporter ist sowieso eine Lusche, das wissen wir doch schon lange. Neu ist: Offenbar haben die beiden gemerkt, das wir alles besser können, und sind deshalb in den Schulterschluss gegangen. Das traurige Ergebnis dieser Übereinkunft ist jetzt während der Fußball-WM zu besichtigen – ein Nichtangriffspakt zwischen DFB und TV, gegen den die Schande von Gijon, das skandalöse Schmusespiel zwischen Deutschland und Österreich bei der WM ‘82 in Spanien, wie ein Angriffskrieg wirkt.

Niemals zuvor hat sich das TV-Geschwader so massiv angebiedert. Da sitzt die Katrin mit dem Poldi am Pool und zeichnet mit dem Zeh neckische Kringel ins Wasser, und der Rest der Bande ist einfach nur glücklich, wenn der Jogi oder der Olli ihm ein Interview gewähren. Man sitzt in einem Boot, und deshalb weiß der Zuschauer beim Anblick der Zärtlichkeit nie genau, ob hier noch das Öffentlich-Rechtliche seine Unparteilichkeit demonstriert oder der DFB und seine Sponsoren endgültig am Ruder stehen.

Besoffen vor Glück nach dem Traumstart gegen Portugal

Nun muss man natürlich zugeben, dass der WM-Auftakt den Anhängern kritischer Distanz nicht gerade in die Karten spielte. Nach dem 4:0 gegen Portugal wankten wir alle besoffen vor Glück umher und wähnten uns bereits im Finale. Außerdem sind wir hier beim Fußball, nicht bei der Haushaltsdebatte im Bundestag. Aber auch im Showgeschäft sollten bestimmte Regeln beachtet werden, beispielsweise die des Geschmacks. Im Idealfall sollten sich Witz und Sachverstand paaren, sogar auf dem Riesenbalkon, mit dem ARD und ZDF die Copacabana überschatten.

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Bei früheren Turnieren wurden ja auch schon Ostsee oder Bodensee unsicher gemacht. Darauf wurde diesmal verzichtet, aber das Strickmuster schimmert natürlich in Brasilien durch. Vor dem Spiel und nach dem Spiel, gern auch zwischendurch, spielen der Mann vom Fernsehen und der Ex-Profi launig Doppelpass. Manch einer verdribbelt sich, kann passieren während einer stundenlangen Live-Show, aber zuweilen ist schon die Aufstellung schuld.

Zur Einzelkritik: Rudi Cerne ist souverän, aber unauffällig, den kann man immer bringen. Beckmann und Elber wiederum sind nervig, was in erster Linie an Beckmann und dessen altklugem Gehabe liegt, und schon sind wir bei Opdenhövel und Scholl. Die machen das besser als erwartet. Während der ehemalige Raab-Adjutant noch zuweilen ein wenig bemüht nach Kalauern fahndet, offenbart Mehmet Scholl Erstaunliches: Er denkt, bevor er spricht. Das sieht man im Fernsehen nicht alle Tage, deshalb akzeptiert man auch die langen Pausen, die zuweilen zwischen Frage und Antwort klaffen.

Es lebe die gesunde Wurschtigkeit!

Zur Halbzeit der WM liegen aber erstmal die zwei Ollies vorn. Welke und Kahn moderieren sogar locker den Schrott weg, den ihnen die Außenreporter aus Trainingslager und Stadion vor die Tür häufen. Oliver Welke ist natürlich nicht so bissig wie in seiner „heute-show“, aber mit jedem Tag mehr weicht die situationsbedingte Vorsicht einer gesunden Wurschtigkeit. Kahn wiederum offenbart erstaunliche Seiten: Der Titan hat Humor! Kann witzig sein, demonstriert Gelassenheit, pariert mit eleganter Selbstironie Anspielungen auf eigene Fehler und geht mit Sarkasmus über die ungelenken Momente hinweg, die bei der seltsamen Staffelübergabe zwischen den Moderatoren-Teams entstehen.