Essen. Rot-Weiss Essen hat den Aufstieg knapp verpasst. Dabei lief die Saison fast perfekt – die Zahlen zeigen aber Nachholbedarf in einigen Bereichen.

Rot-Weiss Essen produzierte in der vergangenen Saison einige herausragende Zahlen, blieb zum Beispiel von Ende 2019 bis Frühjahr 2021 mehr als ein Kalenderjahr lang unbesiegt. Eine ganze Saison lang verlor RWE kein einziges Heimspiel in der Fußball-Regionalliga, gewann an der Hafenstraße 18 von 20 Partien (und warf dazu Leverkusen, Bielefeld und Düsseldorf aus dem Pokal).

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Nur 28 Gegentore gab es in 40 Spielen – die beste Abwehr der Liga (der Angriff war hinter Borussia Dortmunds U23 knapp der zweitbeste mit 90 Toren).

Und nicht zuletzt: 90 Punkte holte die Mannschaft von Trainer Christian Neidhart in 40 Regionalliga-Spielen, das macht einen Schnitt von 2,25 Punkten pro Spiel. In drei der vergangenen fünf Jahre hätte RWE damit auf Rang eins gelegen – Meister wurden Lotte 2016 (2,31), Viktoria Köln 2017 (2,12), Uerdingen 2018 (2,24), Viktoria Köln 2019 (1,97) und Rödinghausen 2020 (2,42). Der Haken: Die Reserve des BVB holte 93 Punkte (Schnitt 2,33) und landete damit vor den Essenern – die nun einen neuen Anlauf auf die Meisterschaft nehmen müssen.

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Gegner wie Preußen Münster, Fortuna Köln, Wuppertaler SV und RW Oberhausen werden es RWE sicher nicht leicht machen. Aber auch RWE kann ja noch besser werden: besonders in drei statistischen Bereichen gibt es Luft nach oben.

Rot-Weiss Essen ist vom Elfmeterpunkt alles andere als eiskalt

Der erste Punkt ist die Essener Elfmeterschwäche. Elf Strafstöße bekam RWE in der abgelaufenen Saison zugesprochen. Nur etwas mehr als die Hälfte, nämlich sechs wurden verwandelt:

  • 13. Spieltag gegen SV Rödinghausen: Engelmann verwandelt in der 88. Minute zum 2:0 (Endstand 2:0 für RWE)
  • 14. Spieltag in Bergisch Gladbach: Engelmann verwandelt in der 67. Minute zum 1:0
  • 14. Spieltag in Bergisch Gladbach: Hahn scheitert in der 90. Minute am Torwart, Dorow staubt aber zum 2:0 ab (Endstand 2:0 für RWE)
  • 21. Spieltag gegen Wegberg-Beeck: Engelmann verwandelt in der 27. Minute zum 2:1 (Endstand 3:2 für RWE)
  • 22. Spieltag in Wiedenbrück: Engelmann scheitert in der 13. Minute am Torwart, vergibt die Chance aufs 1:0 (Endstand 0:0)
  • 23. Spieltag gegen Bonn: Engelmann verwandelt in der 24. Minute zum 1:0 (Endstand 2:0 für RWE).
  • 26. Spieltag in Ahlen: Engelmann verwandelt in der 52. Minute zum 1:1 (Endstand 2:1 für Ahlen)
  • 35. Spieltag gegen Bergisch Gladbach: Engelmann scheitert in der 58. Minute am Pfosten, vergibt die Chance aufs 3:0 (Endstand 4:0 für RWE, drei Engelmann-Tore)
  • 36. Spieltag in Straelen: Engelmann scheitert in der 68. Minute am Torwart, vergibt die Chance aufs 2:0 (Endstand 2:0 für RWE).
  • 37. Spieltag gegen Homberg: Grote verwandelt in der 53. Minute zum 3:0 (Endstand 4:0 für RWE).
  • 40. Spieltag bei der U21 des 1. FC Köln: Grote scheitert in der 33. Minute am Torwart, vergibt die Chance aufs 1:2 aus RWE-Sicht (Endstand 2:1 für Köln).

Die Fehlschüsse von Hahn in Bergisch Gladbach und von Engelmann gegen Bergisch Gladbach – geschenkt. Auch der vergebene Elfer in Straelen hielt das Spiel zwar unnötig spannend, kostete wohl Kraft, aber letztlich keine Punkte. Bitter dagegen war, in Wiedenbrück mit einem 0:0 vom Platz zu gehen, RWE hatte genug Chancen auf den Sieg. Engelmann verzweifelte an Torwart Marcel Hölscher, vor allem, aber nicht nur beim Elfmeter. Ein ärgerlicher Punktverlust.

Sein dritter (und letzter) Fehlschuss: Simon Engelmann nach dem verschossenen Strafstoß gegen Straelen. Ab da übernahm Dennis Grote die Elfmeter für Rot-Weiss Essen.
Sein dritter (und letzter) Fehlschuss: Simon Engelmann nach dem verschossenen Strafstoß gegen Straelen. Ab da übernahm Dennis Grote die Elfmeter für Rot-Weiss Essen. © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann

Nachdem Engelmann dreimal verschossen hatte, sagte Trainer Neidhart: „Wir müssen uns jemand anderen einfallen lassen.“ Dennis Grote trat an, traf auch gegen Homberg – und leistete sich dann beim Auswärtsspiel in Köln einen teuren Fehlschuss. Ein Treffer von Grote hätte nach einer guten halben Stunde auf 1:2 verkürzt. Nachdem die Rot-Weissen katastrophal ins Spiel gestartet waren, hätte das Spiel mit der Roten Karte und dem Elfer nach einer halben Stunde zugunsten von RWE kippen können. Grote verschoss, Essen lief weiter in Überzahl einem 0:2 hinterher – im Rückblick war das wohl das Spiel, in dem RWE den Aufstieg endgültig verspielte.

Auch wenn das sehr einfach gerechnet ist: Treffer gegen Wiedenbrück und in Köln hätten zwei bzw. einen Punkt zusätzlich bringen können. In der Endabrechnung ein gewaltiger Unterschied. Obendrauf kam das Aus im Niederrheinpokal-Halbfinale gegen Straelen, als Kefkir und Kehl-Gomez im Elfmeterschießen vergaben (Harenbrock und Backszat trafen).

Unterm Strich steht: Fünf von elf Strafstößen verschossen, im Pokal vom Punkt ausgeschieden – was eigene Elfmeter angeht, muss Rot-Weiss Essen besser werden.

Rot-Weiss Essen hat immer wieder späte Gegentore kassiert

Das wird kaum einen RWE-Fan überraschen. Eigentlich reichen zwei Stichworte: Ahlen. Oberhausen. Innerhalb von wenigen Tagen kassierte RWE im März in zwei aufeinanderfolgenden Auswärtsspielen zwei Tiefschläge kurz vor Abpfiff, die alleine drei Punkte kosteten. Aber es waren nicht die einzigen – die Saison ging ja schon so los:

  • 1. Spieltag gegen Wiedenbrück: Latkowski trifft in der 93. Minute zum 1:1-Endstand.
  • 12. Spieltag auf Schalke: Hoppe trifft in der 87. Minute zum 1:0 (Heber glich noch zum 1:1 aus).
  • 26. Spieltag in Ahlen: Cirak trifft in der 91. Minute zum 2:1-Endstand für Ahlen
  • 32. Spieltag in Oberhausen: Kreyer trifft in der 94. Minute per Elfmeter zum 1:1-Endstand
  • 38. Spieltag in Wuppertal: Römling trifft in der 91. Minute zum 1:2-Anschluss, es bleibt beim RWE-Sieg
  • 39. Spieltag gegen Aachen: Fejzullahu trifft in der 88. Minute zum 1:2-Anschluss, es bleibt beim RWE-Sieg
Diesen Elfmeter konnte man hören: Daniel Heber kommt in der Nachspielzeit im Spiel bei Rot-Weiß Oberhausen zu spät. Es gibt Strafstoß, futsch ist der Dreier für Rot-Weiss Essen.
Diesen Elfmeter konnte man hören: Daniel Heber kommt in der Nachspielzeit im Spiel bei Rot-Weiß Oberhausen zu spät. Es gibt Strafstoß, futsch ist der Dreier für Rot-Weiss Essen. © FUNKE Foto Services | Micha Korb

Das sind sechs Gegentore nach der 85. Minute – mehr als ein Fünftel seiner Gegentreffer kassierten die Rot-Weissen also in diesem sehr kurzen Zeitraum. Gegen Wuppertal und Aachen wurde es zwar noch mal ganz kurz spannend, die Gegentore belasteten aber nur die Nerven und das Torverhältnis, nicht das Punktekonto. Auf Schalke konnte Heber das späte Tor von Matthew Hoppe immerhin noch kontern. (Und auch in Dortmund kam RWE noch durch ein eigenes spätes Tor zu einem Punkt.)

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Anders verhält es sich mit den Ausgleichstoren von Wiedenbrück und Oberhausen sowie dem 1:2 in Ahlen – die machen fünf Punkte Unterschied aus. Alle wissen, was diese Punkte wert gewesen wären.

Und auch im Niederrheinpokal-Halbfinale gegen Straelen hätte RWE sich die Tortur mit Verlängerung und Elfmeterschießen sparen können, hätte man in der Nachspielzeit energischer und aufmerksamer verteidigt. „Das musst du nach vorne verteidigen, aber wir sind immer weiter hinten reingefallen“, klagte Neidhart nachher. Und in Ahlen hörte das Team nach einem vermeintlichen Foul einfach auf zu spielen – das muss die Mannschaft sich vorwerfen lassen.

Teilweise lässt es sich sicher auf die hohe Belastung schieben, dass RWE immer wieder späte Gegentore kassierte – aber am Ende waren es einige teure individuelle und taktische Fehler zu viel, die eigentlich nicht passieren dürfen.

Rot-Weiss Essen holt weniger Punkte gegen die Bundesliga-Vertretungen

Natürlich sind die Zweitvertretungen ein Problem für Rot-Weiss Essen und viele andere Traditionsvereine. Sie nehmen Plätze in hohen Ligen ein, bringen aber keine Zuschauer mit, können dazu aus dem Profikader verstärkt werden. Dass das Titelrennen zwischen der U23 des BVB und Rot-Weiss Essen ein Duell mit ungleichen Waffen war, haben die Essener Verantwortlichen um Marcus Uhlig auch oft betont. Die beiden Duelle endeten aber jeweils 1:1. Auch wenn ein Sieg in einem der beiden Spiele im Nachhinein zum Aufstieg gereicht hätte: Diese Ergebnisse kann man den Rot-Weissen kaum vorwerfen.

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Neben der Dortmunder U23 spielen die zweiten Mannschaften von Schalke 04, Borussia Mönchengladbach, Fortuna Düsseldorf und dem 1. FC Köln in der Regionalliga. Macht zehn Spiele gegen Bundesliga-Vertretungen – und aus denen holte RWE nur 18 Punkte (Schnitt 1,8 Punkte). Auffällig: Selbst wenn man die beiden BVB-Spiele außen vor lässt, bleiben 16 Punkte aus acht Spielen. In diesen Partien liegt der Schnitt bei zwei Punkten und damit unter dem Wert für 40 Spiele, wobei keins der anderen U23-Teams zur Spitzengruppe gehörte.

Ein echter Tiefschlag: Ende Februar kassierte RWE in Düsseldorf die erste Niederlage der Saison. Nur eine von fünf Auswärtspartien bei U23-Teams konnte Rot-Weiss Essen gewinnen.
Ein echter Tiefschlag: Ende Februar kassierte RWE in Düsseldorf die erste Niederlage der Saison. Nur eine von fünf Auswärtspartien bei U23-Teams konnte Rot-Weiss Essen gewinnen. © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann

Zu Hause gab es vier klare Siege und das Remis gegen den BVB. Auch auswärts in Mönchengladbach gab es den Dreier. Auf Schalke und in Dortmund holte RWE glückliche Punkte. Dazu gab es die Niederlagen in Düsseldorf und Köln, und die taten richtig weh. Nur vier Ligaspiele verlor Rot-Weiss in dieser Saison überhaupt – zwei davon bei U23-Teams.

Das 0:3 in Düsseldorf war die erste Pleite der Saison und die erste seit mehr als einem Kalenderjahr. Und das 1:2 in Köln – siehe oben.

Fazit: RWE muss erstens besser Elfmeter schießen, zweitens bis zum Schlusspfiff vor allem in der Abwehr die Konzentration hochhalten und drittens als Titelkandidat den Anspruch erfüllen, Nachwuchsmannschaften zu besiegen. Es sind Kleinigkeiten. Aber es haben ja auch nur Kleinigkeiten gefehlt. Vielleicht ist es auch ein Grund für Optimismus für alle Rot-Weissen: Auch mit 90 Punkten bleibt noch Luft nach oben – auch nächste Saison in der Regionalliga. (phz)