London. Oscar Pistorius startete gleich mit einem Weltrekord - er ist der unbestrittene Star der Paralympics in London. Doch Gold ging an einen anderen Läufer über 200 Meter. Anschließend klagte Oscar Pistorius über zu lange Stelzen seines Gegners. Die nächste Diskussion über “Techno-Doping“ droht.

Seit Samstag laufen sie, die zweiten "Oscar-Pistorius-Festspiele". Diesmal gibt es keinen Usain Bolt und keinen Mo Farah. Diesmal gibt es nur ihn, den "schnellsten Mann auf keinem Bein". Beim ersten Lauf hatte er gleich gezeigt, dass diese Bühne ihm gehört - doch beim zweiten verlor er gleich das erste Gold. Trotz Führung bis kurz vor dem Ziel verlor er das 200-m-Finale mit sieben Hunderstelsekunden völlig überraschend gegen den Brasilianer Alan Oliveira.

Diskussion über "Techno-Doping"

Hinterher beklagte sich Pistorius über zu hohe Stelzen der Rivalen, die durch das neue Reglement erlaubt sind. "Es war nicht unfair, er hat sich an die Regeln gehalten, aber Fakt ist: So schnell war er bisher noch nie. Auch nicht annähernd", sagte der Südafrikaner, dem zahlreiche Konkurrenten beipflichteten. Hier droht die nächste Diskussion über "Techno-Doping".

Bei seiner Begrüßung jubelten die 80.000 Zuschauer im Olympiastadion lauter als bei jedem britischen Sieg, als nach 200 m des Halbfinals im Ziel die Weltrekord-Zeit von 21,30 Sekunden aufblinkte, legten sie noch einige Dezibel drauf. Die Niederlage am Sonntag schien die Zuschauer fast genauso zu schocken wie Pistorius, der bei seinen vier Starts allenfalls über 100 m kein Gold einkalkuliert hatte.

Briten schließen "Blade Runner" Pistorius ins Herz

"Die Briten haben die Paralympics in ihr Herz geschlossen", sagte der immer noch viermalige Paralympics-Sieger aber über die fanatischen Zuschauer. Damit hat er recht. Doch in erster Linie haben sie ihn ihr Herz geschlossen. Den "Blade Runner". Den ersten doppelamputierten Olympia-Star. Und den uneingeschränkten Star der größten Paralympics aller Zeiten.

Dass den Südafrikaner auf der Insel inzwischen praktisch jedes Kind kennt, ist nun auch belegt. Denn der 25-Jährige ist in Großbritannien zur Comic-Figur aufgestiegen. Als "Oscar Victorious" wirkt er im Band "The Beano" mit. Nach Angaben des Zeichners Mike Stirling besitzt er dort die Eigenschaften des Comic-Lausbuben "Dennis".

"Als Menschen Oscar gesagt haben, er könne kein Athlet sein, weil er behindert ist, hat er das einfach ignoriert. In dieser Hinsicht ist er wie Dennis, der macht nämlich auch nie, was man ihm sagt", erklärte Stirling.

Wie schnell ist Pistorius wirklich?

Pistorius ist in der Tat nicht nur trotzdem Sportler geworden. Er hat auch gegen alle Widerstände seinen Olympia-Start durchgesetzt. Dort war im Halbfinale Schluss gewesen, doch das war wahrscheinlich auch besser so. Denn eine Final-Teilnahme oder gar eine Medaille für den Stelzensprinter hätten die Diskussionen über "Techno-Doping" auf die Spitze getrieben. Es gibt trotz des letztlich deutlichen Rückstands des Südafrikaners im Halbfinale immer noch Beobachter, die glauben, er habe sein Potenzial absichtlich nur bis zu diesem Punkt ausgereizt. Um sich und der Bewegung nicht zu schaden.

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Hier, unter seinesgleichen, kann Pistorius die Bremse rausnehmen. Und blieb bei seinem ersten Start im Halbfinale über 200 m gleich mal eine halbe Sekunde unter dem bisherigen Weltrekord. Der zweitplatzierte folgte mit 2,34 Sekunden Rückstand - umgerechnet 22 Meter. "Ich hätte selbst nicht erwartet, dass ich so schnell bin", sagte der 25-Jährige: "Aber ich hätte mir keine bessere Rückkehr nach London vorstellen können. Und der Weltrekord ist eine Zugabe."

"Pistorius-Festspiele" in London

Und er hatte auch das Gefühl, es einigen Kritikern gezeigt zu haben. "Ciele haben gesagt, wie kannst du nur bei Olympia antreten, du verdirbst deine Chancen für die Paralympics. Ich habe ihnen das Gegenteil bewiesen", sagte er. Gestand aber ein, dass er über die 100 m froh wäre, "unter die besten Drei zu kommen". Denn die Vorbereitung auf die 400 m für Olympia haben einen anderen Trainingsaufbau bedingt, Ausdauer statt Schnellkraft war angesagt.

Doch hier, bei den Paralympics, ist Pistorius bei allen gern gesehen. Hier gibt es niemanden, der ihn kritisch beäugt oder hinterfragt. Hier ist er einfach nur der Star und ein Segen für alle anderen, die bei den "Pistorius-Festspielen" eine mehr oder weniger große Nebenrolle ergattert haben. "Gegen Oscar zu laufen, ist etwas ganz Besonderes", sagte der Leverkusener David Behre, der ebenfalls im Finale stand: "Er hat mich damals inspiriert." Nicht nur ihn. (sid)