London/Oberhausen. . Der Behindertensportverband NRW zeigt mit dem Projekt „Inspiration“ in England, wie einfach das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung sein kann. Die Freiwilligen aus NRW genossen am Sonntag eine Fahrt mit dem London Eye. Die NRZ hatte den Ausflug finanziert.
Inklusion ist in aller Munde. Leider bleibt es oft dabei. Robin Rößing und Marcel Springer sind da anders. Sie gehören zu rund 20 jungen Frauen und Männern, die gerade ein freiwilliges soziales Jahr oder den Bundesfreiwilligendienst absolvieren, und mehr tun wollen, als nur zu reden. Sie bewarben sich, als der Behindertensportverband NRW (BSNW) Helfer für Inklusionsvorzeigeprojekte bei den Paralympics suchte. Jetzt sind Robin, Marcel und ihr Team mit einer Schülergruppe aus Oberhausen in Canterbury und zeigen, wie das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung sein kann.
Manchmal braucht man Muskelkraft
„Inspiration“ heißt das Projekt des BSNW, das von der NRZ unterstützt wird. Schüler aus verschiedenen Oberhausener Schulen und Vereinen sind gemeinsam zu den Paralympics gefahren, verbringen den Alltag miteinander, wohnen Tür an Tür, helfen sich, treiben Sport und besuchen die Spiele.
Den Olympia-Park kennen Robin und Marcel schon ziemlich gut. Sie durften bereits während der Olympischen Spiele am Jugendcamp der Landessportjugend teilnehmen. „Quasi die Generalprobe für den späteren Einsatz bei den Paralympics“, erklärt Sara-Maria Wolfram vom BSNW, die das Projekt mitverantwortet. Denn auch wenn etliche junge Leute im Umgang mit Menschen mit Behinderung geübt sind, gibt es doch besondere Anforderungen: Wie komme ich zum Beispiel mit einer Gruppe Rollstuhlfahrer quer durch London? Wie schaffe ich es, dass jeder unabhängig von seiner Behinderung die Spiele miterleben kann?
Unter Umständen erfordert das auch Muskelkraft. Bei der Generalprobe waren auch Rolli-Fahrer dabei, „und manchmal mussten wir sie die vielen Treppen in den alten U-Bahn-Stationen rauf- und wieder runtertragen“, sagt Marcel.
Anderes Beispiel: Die „Inspiration“-Gruppe hat in Canterbury, wo die Schüler im Studentenwohnheim wohnen, ein umfangreiches Sportprogramm. Dazu haben die BTG’ler, wie sie hier von allen genannt werden, Sportarten wie Basketball oder Fußball „umgeschrieben“, damit auch Menschen mit Behinderung mitspielen können. BTG’ler? BTG steht für „Bridging the gap“, heißt, „die Lücke füllen“, beziehungsweise überbrücken, und meint, das BSNW-Team zu unterstützen. Die Schülerinnen und Schüler sind in sogenannte Tandems eingeteilt: Immer ein Jugendlicher mit und ohne Behinderung gehören zusammen, sie sind Buddies, sprich Kumpel, die sich aufeinander verlassen können. Der eine passt auf den anderen auf, hilft ihm, schaut, dass alles funktioniert.
Wenn’s hier Probleme gibt, sind Robin, Marcel und Co. ebenfalls zur Stelle. Dabei handele es sich um Kleinigkeiten, nichts Weltbewegendes. Aber wenn der eine Buddy zur Toilette geht, vielleicht Hilfe braucht, der andere aber nicht daran denkt und sich allenfalls darüber wundert, warum der Kumpel nicht wiederkommt, kann es schon mal Komplikationen geben. „Die Schüler sind ja alle noch ziemlich jung, sie denken eben nicht immer an alles.“
Das Inspiration-Programm ist vollgepackt, der Job der BTG’ler ziemlich anstrengend. Früh raus, spät ins Bett und dazwischen jede Menge Organisation und Koordination. Und doch möchten sie keine Sekunde missen. Es ist das Miteinander, das bewegt. Die Begeisterung gerade von Schülern mit Behinderung, wenn sie erfahren: „Okay, du bist anders, aber ich respektiere dich.“ Die rasante Entwicklung, die die jungen Leute durchmachen, auch durch das, was hier passiere. „Wobei“, betonen die beiden 20-Jährigen, „wir hier keinen betüddeln. Hier gibt’s auch jede Menge Herausforderungen.“
Am kommenden Sonntag gehen die Paralympics zu Ende, einen Tag später reist die „Inspiration“-Gruppe wieder nach Hause. Zurück in den Alltag. Doch es wird etwas bleiben, davon sind nicht nur Robin und Marcel, sondern alle Beteiligten überzeugt.
Freundschaften entstanden
In dem Jahr, in dem sich die Schüler auf London vorbereitet haben, sind Freundschaften entstanden zwischen jungen Leuten, die sich sonst allenfalls vom Sehen kannten. Die BTG’ler selbst werden in Oberhausen bei Sportfesten von Menschen mit und ohne Behinderung dabei sein, der Behindertensport Oberhausen gehört zu „Inspiration“. Und wer, davon sind Robin und Marcel überzeugt, sich für Inklusion interessiere, der finde auch Betätigungsfelder. Marcel: „Einfach mal googeln und gucken, was man tun kann. Das ist der erste Schritt. Aber den Schritt muss natürlich jeder erst mal machen.“