Sotschi. Diese Nachricht hätten sie sich gern erspart: Das deutsche Olympia-Team von Sotschi wird von einem Dopingfall erschüttert. Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle räumt den positiven Test ein und ist bereits abgereist.
Evi Sachenbacher-Stehle und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) haben den positiven Dopingtest der Biathletin bei den Olympischen Winterspielen von Sotschi bestätigt. In einer der Nachrichtenagentur dpa vorliegenden Erklärung schrieb sie am Freitag "vom schlimmsten Albtraum, den man sich vorstellen kann". In dem Statement, das ihr Management verbreitete, unterstrich sie: "Ich kann im Moment allen Beteiligten nur ausdrücklich versichern, dass ich zu keinem Zeitpunkt bewusst verbotene Substanzen zu mir genommen habe und alles daran setzen werde, diese Sache lückenlos aufzuklären."
Wie der DOSB wenig später bekanntgab, ist sie bei einer Dopingkontrolle am vergangenen Montag nach dem vierten Platz im Massenstart-Rennen sowohl in der A- als auch in der B-Probe positiv auf das verbotene Stimulanzmittel Methylhexanamin getestet worden. Die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) habe mehrfach alle Athletinnen und Athleten vor Nahrungsergänzungsmitteln gewarnt, die Methylhexanamin enthalten.
Der DOSB habe Sachenbacher-Stehle aus der Olympia-Mannschaft ausgeschlossen und ihre sofortige Rückreise veranlasst und umgesetzt. Über weitere Konsequenzen werde im Zusammenhang des Verfahrens entschieden, das federführend vom Biathlon-Weltverband IBU noch einzuleiten sei. Für die Damen-Staffel am Freitag war Sachenbacher-Stehle nicht nominiert worden.
Vesper sieht funktionierende Kontrollen
Der deutsche Chef de Mission Michael Vesper erklärte, jeder Dopingfall sei zuerst einmal eine große Enttäuschung. "Er ist aber auch ein Beleg dafür, dass das Kontrollsystem funktioniert. Wir haben wie in unserem Anti-Doping-Management beschrieben unverzüglich und konsequent gehandelt und im Vorfeld und während der Spiele alles in unserer Macht stehende getan, um sauberen Sport zu ermöglichen."
Die zweimalige Langlauf-Olympiasiegerin kann sich nach eigenen Worten "überhaupt nicht erklären", wie es zu der positiven Probe gekommen ist. "Selbst entsprechende Nahrungsergänzungsmittel hatte ich im Labor vorher überprüfen bzw. mir die Unbedenklichkeit von den Herstellern bestätigen lassen, um immer auf der sicheren Seite zu sein", schrieb die Bayerin.
Vesper wies erneut auf die erheblichen Gefahren hin, die durch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln entstehen können. Deshalb appellierte er erneut an alle Spitzensportlerinnen und -sportler, darauf konsequent zu verzichten.
"Wir weisen die Mädels immer wieder darauf hin, dass sie so etwas nicht nehmen sollen. Was mich so ärgert, ist die Dummheit", betonte auch der deutsche Cheftrainer Uwe Müssiggang. Der für Russland tätige deutsche Trainer Wolfgang Pichler hatte gefragt: "Wie kann man den Sportlern so etwas geben?"
Die 33-Jährige aus Reit im Winkl war bereits 2006 am Tag vor der Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Turin wegen erhöhter Blutwerte mit einer fünftägigen Schutzsperre belegt worden und musste sich das Auftaktrennen der Ski-Langläuferinnen von außen anschauen. Vor zwei Jahren wechselte sie zum Biathlon.
Skirennlauf-Star Maria Höfl-Riesch wortkarg
Skirennlauf-Star Maria Höfl-Riesch blieb am Rande des Slaloms an Freitag verständlicherweise wortkarg. "Ich habe mich nicht weiter damit beschäftigt. Das will ich an meinem letzten Olympia-Tag auch nicht müssen", meinte die dreimalige Olympiasiegerin.
Dafür meldete sich Dopingexperte Werner Franke umso lauter zum positiven Test von Sachenbacher-Stehle zu Wort. "Das ist ja ein Déjà-vu. In Turin 2006 - volle Pulle", sagte der Heidelberger Professor der Nachrichtenagentur dpa. Und: "Ich bin nur überrascht über die Dummheit, dass man sie noch so lange vor dem Wettkampf laufen lässt." Biathlon sei eine "versaute Sportart", meinte Franke. In den vergangenen Jahren seien hier Athleten wegen Dopings "ja serienweise aus dem Wege geräumt worden".
Biathlon-Rekordweltmeisterin Magdalena Neuner ist von Evi Sachenbacher-Stehles Unschuld überzeugt. "Ich persönlich glaube an Evis Unschuld", sagte die zweimalige Olympiasiegerin am Freitag der Nachrichtenagentur dpa. Neuner teilte weiter mit: "Was soll man dazu sagen? Wenn es tatsächlich so war, dass sie nicht wissentlich gedopt hat, dann ist das natürlich eine Riesentragödie für Evi." Die ganze Sache werfe "ein echt schlechtes Licht auf den deutschen Biathlonsport, was natürlich vor allem im Moment eine Riesenkatastrophe ist."
Neuner: "Schlechtes Licht auf den deutschen Biathlonsport"
Neuner übte allerdings auch leise Kritik. "Ich denke mir dabei nur, dass so eine erfahrene Sportlerin wie Evi eigentlich wissen müsste, was sie zu sich nehmen darf und was nicht." Es sei jedoch "wahnsinnig schwer", das aus der Ferne zu beurteilen, meinte die Rekordweltmeisterin. Nach ihrem Sotschi-Besuch ist sie mittlerweile wieder nach Hause zurückgekehrt. "Ich denke, man muss jetzt mal abwarten, wie sich die Dinge entwickeln und was bei weiteren Untersuchungen heraus kommt." (dpa)