Krasnaja Poljana. Viktoria Rebensburg hat vor vier Jahren schon Gold im Riesenslalom gewonnen – doch Platz drei nach überstandener Lungenentzündung hat für die 24-Jährige den gleichen Wert. „Ich habe immer an mich geglaubt“, sagte Rebensburg, „ich habe mich von nichts beirren lassen. Jetzt habe ich den Lohn dafür.“
Regen kann so schön sei, wenn man gerade Gold gewonnen hat. Tina Maze warf sich im Zielraum der olympischen Riesenslalom-Strecke auf den Boden und scherte sich nicht darum, dass sie mit ihrem Bauch im tiefen Matsch lag. Mit Armen und Beinen machte die 30-jährige Slowenin die Bewegungen einer Brustschwimmerin nach. Erster Eindruck des Beobachters: Für die Sommerspiele reicht es noch nicht. Aber im olympischen Regenrennen bewies Maze den besten Durchblick und gewann vor der Österreicherin Anna Fenninger und Viktoria Rebensburg vom SC Kreuth.
Die 24-jährige Rebensburg hob nach dem zweiten Durchgang schon beim Abschwingen ausgelassen den linken Ski an und schrie laut „Yeah“. Das sind für die introvertierte Zollwachtmeisterin schon ekstatische Freudenausbrüche. Nach dem sensationellen Olympiasieg vor vier Jahren in Vancouver schaffte Rebensburg erneut den Sprung auf das olympische Podium der besten Riesenslalom-Artistinnen der Welt, obwohl bei diesen schwierigen Bedingungen auch Wasserski-Qualitäten gefragt waren. Und dass die junge Frau vom Tegernsee über Witz verfügt, zeigte sie dann, als sie sich dazu äußerte, dass ihre Eltern im Gegensatz zu 2010 in Vancouver diesmal daheim geblieben waren: „Die haben alles richtig gemacht. Heute schifft's ja wie Sau.“
Spezialistin für schwierige Bedingungen
Rebensburg ist eine Spezialistin für schwierige Bedingungen. Bei ihrem Gold-Triumph vor vier Jahren hatte sie wie auch jetzt in Sotschi nach dem ersten Durchgang auf Platz sechs gelegen und war dann bei starkem Nebel zum Gold gerast.
„Habt ihr schon mal so ein Sauwetter gesehen bei einem Skirennen?“, fragte Wolfgang Maier, der Sportdirektor des Deutschen Ski-Verbandes, nach diesem feuchten Spaß in die Journalisten-Runde und gab dann seine Antwort: „Ich jedenfalls nicht. Und ich bin immerhin schon seit 1992 dabei.“ So locker er über dieses kuriose Rennen plauderte, so ernst meinte er: „Für uns ist das jetzt gut ausgegangen. Aber eigentlich hätte man das Rennen von der Wichtigkeit her nicht unter den Bedingungen durchziehen müssen.“
Ein Novum war auch, dass die besten Skirennläuferinnen der Welt nicht vorzeitig ihre Klamotten packten, sondern mit neugierigen Augen auf den Hang schauten, als eine kleine, sehr zierliche Läuferin ihren Weg zwischen den Stangen suchte. Vanessa Vanakorn, in der Musikszene als Vanessa Mae bekannt, kam 50,1 Sekunden hinter Tina Maze, die damit in Sotschi schon ihr zweites Gold gewann, ins Ziel. „Ich bin froh, dass ich angekommen bin“, sagte sie, „zwischendurch wusste ich gar nicht mehr, wo es lang ging.“ Keine Frage, Mae hat andere Qualitäten, aber die Silbermedaillengewinnerin Anna Fenninger stellte fest: „Vanessa kann auf jeden Fall viel besser mit den Ski umgehen als ich mit der Geige.“
„Ich wusste, ich kann mich steigern und das Podium angreifen.“
Mindestens so zufrieden wie Mae war auch Rebensburg mit ihrer olympischen Vorstellung. „Ich lag nach dem ersten Durchgang 1,38 Sekunden zurück“, erzählte Rebensburg, „das hört sich viel an, aber ich wusste, ich kann mich steigern und das Podium angreifen.“ Und das tat sie dann auch. Maier sprach hinterher von einer „Hammerfahrt“.
Die Bronzemedaille von Sotschi ist für sie so viel wert wie das Gold von Vancouver. Damals kam sie als 20-jährige Außenseiterin nach Kanada und hob die Ski-Welt aus den Angeln. Diesmal lag sie in der Vorbereitung wegen einer Lungenentzündung zwei Wochen im Bett, konnte einen Monat lang kein Rennen bestreiten. „Ich habe trotzdem immer an mich geglaubt“, sagte Viktoria Rebensburg, „ich habe mich von nichts beirren lassen. Jetzt habe ich den Lohn dafür.“