Krasnaja Poljana. Viktoria Rebensburg ist amtierende Olympiasiegerin im Riesenslalom - und doch sind andere Skifahrerinnen vor ihrem Olympia-Auftritt deutlich mehr gefragt. Rebensburg steht im Schatten ihrer deutlich bekannteren Kollegin Maria Höfl-Riesch - und einer Star-Geigerin aus Thailand.

Viktoria Rebensburg und Vanessa Mae haben zwei Gemeinsamkeiten. Beide müssen am Dienstag im Olympischen Dorf in Krasnaja Poljana früh aus den Betten, weil der erste Durchgang im Riesenslalom bereits um 9.30 Uhr (6.30 Uhr MEZ) ausgetragen wird. Und beide haben bereits Gold gewonnen. Rebensburg vor vier Jahren in Vancouver bei ihrem Sensationstriumph im Riesenslalom und Mae mit ihren über acht Millionen verkauften CDs auf der Geige.

Wie die Medien-Welt im 21. Jahrhundert tickt, zeigt sich am Beispiel der Ski-Olympiasiegerin vom Tegernsee und der Star-Geigerin aus Thailand. Während die 24-jährige Rebensburg vor dem Rennen unbeachtet von der Weltpresse über ihre schwierige Zeit nach einer Lungenentzündung erzählte, hätte die 35-jährige Mae wahrscheinlich den großen Pressesaal im Medienzentrum von Sotschi füllen können. Doch abgesehen von einem Sponsoren-Termin vor Beginn der Spiele meidet Mae das Rampenlicht. Auch sie will sich auf ihr Rennen konzentrieren, obwohl sie um viele Sekunden hinter Rebensburg ins Ziel kommen wird. Vor allem will Mae nicht in den Ruf kommen, ihr Olympia-Start sei nur ein ausgeklügelter Werbe-Gag, um dann eine neue CD noch besser verkaufen zu können.

Mae geht in Sotschi unter dem Namen ihres thailändischen Vaters Vanakorn auf die Piste, obwohl sie kein Thai spricht. Sie ist in Singapur geboren und schon mit vier Jahren nach London gekommen. Diesmal kann sie ohne ihre Geige arg ins Rutschen kommen. Ohne aufreizende Kleider mit Ausschnitt vom Hals bis zum Bauchnabel wie bei ihren Konzerten: High-Tech-Anzug statt Techno auf der Bühne. Als Vanessa Vanakorn wird sie sich mit mehreren Protektoren unter dem Rennanzug schützen. „Wenn man die so sieht, wie klein und zerbrechlich die ist, kann man sich gar nicht vorstellen, wie die durch so einen Lauf kommen und womöglich noch gegen die Stangen fahren kann“, sagte Maria Höfl-Riesch, die sich im Riesenslalom keine große Medaillenchance ausrechnet. „Ich bin ganz gespannt, wie sie das meistern wird“, erzählt Rebensburg.

Die deutschen Rennfahrerinnen freuen sich auf den Weltstar

Mit einer Größe von 1,60 Metern und einem Gewicht von 48 Kilo ist Mae die wohl zierlichste Olympiastarterin auf dem Riesenslalom-Hang. Die deutschen Rennfahrerinnen freuen sich, den Musik-Weltstar kennengelernt zu haben. „Das ist der Wahnsinn“, sagt die deutsche Riesenslalom-Teilnehmerin, Barbara Wirth, die Mae schon im Sommer im Trainingslager in Zermatt getroffen hat. „Die Vanessa meint, sie kann das gar nicht verstehen. Sie ist doch total begeistert, dass sie mit uns fahren darf.“

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Mae hat sich im letzten Moment mit den erforderlichen Platzierungen bei Skirennrennen in der 2. Liga für Sotschi qualifiziert. Der Traum von Olympia war zunächst nicht der Hauptgrund, dass die Multimillionärin ernsthaft mit dem schnellen Fahren auf den Brettern begonnen hat. „Ich habe wegen meiner faulen Seite ein Ziel gesucht“, sagt Mae, die in Krasnaja Polnaja nicht nur von ihrem Chihuahua Max, sondern auch von zwei Bodyguards beschützt wird. „Ich habe mich gefragt, ob ich wirklich nur an sonnigen Tagen zum Skifahren gehen werde oder tatsächlich besser werden will.“

Rebensburg ist in Sotschi "nur die Jägerin"

Noch besser als bei ihrem überraschenden Gold-Triumph von Vancouver wollte auch Viktoria Rebensburg werden, aber ausgerechnet im Olympia-Winter verschleppte sie erst eine Virusinfektion - und dann legte sie eine Lungenentzündung richtig flach. Die Form zeigt mittlerweile wieder aufwärts. Aber reicht es zu einem neuerlichen Gold-Coup? Die Zollwachtmeisterin ist eh nicht der Typ der lauten Worte. Und deshalb schwingt sie auch hier keine großen Reden. „Ich bin wegen meiner fünfwöchigen Krankheitspause nur die Jägerin. Vor vier Jahren hat mir die Rolle gut gefallen“, sagt Rebensburg.

Während Maria Höfl-Riesch das Scheinwerferlicht liebt, zieht sich Rebensburg lieber zurück. Mit dem Ergebnis, dass sie auf der Popularitätsskala weit hinter einer Maria Höfl-Riesch und natürlich auch einer Vanessa Mae rangiert. Aber der „Vicky“ sind andere Platzierungen wichtiger. Wie am Dienstag im Riesenslalom. Während Rebensburg mit 24 Jahren noch längst nicht am Ende ihrer Karriere steht, stellt Vanessa Mae die Ski wieder in den Keller und widmet sich wieder vermehrt der Musik. „Das ist einfacher“, sagt sie. „Alles ist nur Interpretation, es gibt kein richtig und falsch und keinen Wettkampf.“