Krasnaja Poljana. Georg Hackl, früher selbst dreimaliger Rodel-Olympiasieger, spricht im Interview über die Trinkfestigkeit seiner Schützlinge, über seine Tüftelkünste und über einen russischen Abwerbungsversuch, den er aber abgelehnt hat.

Trainingsgruppe Sonnenschein nennen sie sich selbst. Die deutschen Rodler haben in Sotschi groß abgeräumt. Felix Loch, Natalie Geisenberger, Tobias Wendl und Tobias Arlt haben alle vier Wettbewerbe gewonnen – und alle vier kommen vom bayerischen Königssee.

Im Medaillenspiegel würde die Trainingsgruppe Sonnenschein vor den russischen Gastgebern und dem Milliarden-Volk China stehen. Felix Loch sagt, ohne Georg Hackl wäre dieser Goldrausch nicht möglich gewesen. Der Hackl-Schorsch baut dem Erfolgsquartett die Schlitten, mit denen man anscheinend nur gewinnen kann.

In unserem Interview spricht der 47-jährige Hackl, früher selbst dreimaliger Olympiasieger, über die Trinkfestigkeit seiner Schützlinge, über seine Tüftelkünste und über einen russischen Abwerbungsversuch, den er aber abgelehnt hat.

Herr Hackl, es ist nach der vierten Goldmedaille hoch hergegangen im Rodler-Lager. Haben Sie sich schon von der Siegesfeier erholt?

Georg Hackl: Ja. Kein Problem. Nach den Einzelmedaillen war das wesentlich anstrengender. Da wurde auch im Kufenstüberl gefeiert, aber da mussten wir am nächsten Tag immer sehr früh zum Training raus. Diesmal konnte ich ausschlafen. Und außerdem habe ich auch nicht mehr wie früher das Bedürfnis, es bis um fünf Uhr in der Früh krachen zu lassen. Das war ein schöner Abend für mich – und das war's dann auch.

Sie haben dieser Tage erzählt, Felix Loch habe nur eine Schwäche, er könne sich nicht richtig volllaufen lassen...

Georg Hackl: Das hat er in der Nacht nach dem Team-Gold deutlich korrigiert. Es ging feucht-fröhlich zu. Es sei ihm vergönnt.

Es waren ja große Tage für den deutschen Rodelsport, der nun auch in den deutschen Wohnzimmern angekommen ist. Bei den Rennen gab es Rekordquoten. Hat Sie dieses Interesse überrascht?

Georg Hackl: Es ist ganz toll, dass wir so eine Beachtung finden. Das hängt natürlich mit den Olympischen Spielen zusammen. Wenn bei diesem Sportfest die Erfolge passen, dann schauen eben viel mehr Leute zu als sonst.

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Die deutschen Rodler haben alles abgeräumt. Für die Sportart ist das ja immer auch ein wenig gefährlich, wenn eine Mannschaft derart dominiert...

Georg Hackl: Das stimmt schon. Denn irgendwann sind die anderen Nationen so demoralisiert, dass sie überhaupt nicht mehr mitmachen wollen. Aber unsere Aufgabe ist es, Erfolge einzufahren. Da werden wir natürlich den Teufel tun und unseren Sportlern sagen: „Macht's a bisserl langsamer.“ Das wäre ein Schmarrn.

Die deutschen Rodler schwärmen ja von Ihren Fähigkeiten als Schlittenbastler. Es heißt sogar, es gibt keinen Besseren als Sie...

Georg Hackl: Ich gebe mir jedenfalls Mühe. Momentan habe ich einfach das Glück mit Sportlern zusammenzuarbeiten, die alle in ihrer Disziplin Überflieger sind.

Hackl: "Vor zwei Jahren lag ein konkretes Angebot des russischen Verbands vor" 

Wie viel Hackl steckt im Vierfach-Gold der deutschen Rodler?

Georg Hackl: Ich verstehe mich als Fahrtechniktrainer, stehe also jeden Tag an der Bahn. Da sehe ich dann: Wo klemmt's? Fehlt's am Sportler, liegt's am Gerät? Man muss auf die Bedürfnisse des Sportlers eingehen, auf das Individuelle. Somit wird jeder Schlitten ein bisserl anders geschnitzt. Aber ich bin kein Zauberer, der Kaninchen aus dem Zylinder zieht.

Tatjana Hüfner, die Silbermedaillengewinnerin aus Oberhof, fühlt sich benachteiligt. Was sagen zu ihren Vorwürfen, die sie bei Olympia vorgebracht hat?

Georg Hackl: Die Kritik ist völlig ungerechtfertigt. Sie beschwert sich ja, weil ihr der Trainer Andre Florschütz weggenommen wurde. Aber es ist viel vorgefallen, es ist viel passiert. Es gab handfeste Gründe, warum dieser Trainer ausgeschieden ist. Außerdem wurde Wolfgang Scholz, der schon zu DDR-Zeiten große Erfolge feierte, zum persönlichen Schlittentechniker von Tatjana Hüfner. Und jetzt tritt Tatjana die Arbeit mit Füßen. Das finde ich nicht in Ordnung. Sie sollte sich über ihr Silber freuen und nicht die anderen schlecht machen.

In der Welt des Rodelns sind Ihre Fähigkeiten ja wohlbekannt. Gab es da keine Abwerbungsversuche?

Georg Hackl: Es gab lose Anfragen. Man flachst auch öfter mal. Aber vor zwei Jahren lag ein konkretes Angebot des russischen Verbands vor. Da hat der Präsident Leonid Gart hochoffiziell bei mir angefragt. Der ist leider im Sommer darauf im Kroatien-Urlaub ertrunken.

Habe Sie die russische Offerte damals gleich abgelehnt?

Georg Hackl: Es gab zunächst realistische Überlegungen, ganz klar, weil das schon finanziell viel lukrativer gewesen wäre. Ich habe dann aber abgelehnt.

Warum?

Georg Hackl: So tolle Sportler wie die von unserem Stützpunkt gibt es kein zweites Mal. Und meinen Weg wollte ich mit ihnen weiter bestreiten. Der zweite Grund war die Bundeswehr: Sie hat mich als Sportler schon gefördert und mir die Basis der sozialen Absicherung gegeben. Ich bin ja immer noch dabei im Rang eines Stabsfeldwebels. Wäre ich nach Russland gegangen, hätte ich unter Umständen diesen Status und meine ganzen Pensionsansprüche aufgeben müssen.

Was zeichnet denn die von Ihnen betreuten Sportler aus?

Georg Hackl: Es wird immer viel über die Eigenschaften von Sportlern geredet, über Talent, Motivation, körperliche und psychische Stärke. Das sind Fähigkeiten, die man sich alle aneignen kann. Für mich steht aber etwas anderes an erster Stelle: der Charakter. Die neiden sich nichts, sondern freuen sich miteinander, unterstützen sich gegenseitig. Das ist unser Erfolgsgeheimnis.

Felix Loch fehlt im Einzelrennen nun nur noch eine Goldmedaille, um zu Ihnen als dreifacher Olympiasieger aufzuschließen. Haben Sie das Gefühl, dass da Ihr Thron wackelt?

Georg Hackl: Um Gottes Willen, überhaupt nicht. Es ist doch das Schönste, was es gibt, wenn man als Sportler erfolgreich war und jetzt als Trainer so großartige junge Rodler begleiten kann.