Duisburg. 2011 arbeitete Dietmar Hirsch beim FC Sylt und musste nach fünf Spieltagen gehen. Der MSV-Trainer erinnert sich an eine kuriose Zeit.

Beim Fußball-Regionalligisten MSV Duisburg fühlt sich Dietmar Hirsch als Coach endlich angekommen. Im Trainingslager in Spanien unterstrich der 53-Jährige, dass er gerne langfristig bei den Zebras arbeiten würde. Sofort würde er „einen Zehn-Jahresvertrag unterschreiben“, sagte er in Jerez de la Frontera im Gespräch mit der Redaktion mit einem breiten Lächeln. Seine zweite Trainerstation war hingegen eine kurze und ungewöhnliche Episode gewesen. Beim FC Sylt erhielt Hirsch im Jahr 2011 bereits nach dem fünften Spieltag den Laufpass. Die offizielle Begründung des Vereins: Hirsch sei zu professionell gewesen.

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Der gebürtige Viersener Hirsch, der von 1995 bis 2000 sowie von 2003 bis 2005 für den MSV Duisburg in der 1. und in der 2. Bundesliga gespielt hatte, war am Ende seiner Profilaufbahn im Norden heimisch geworden. Nach drei Jahren beim VfB Lübeck hängte Hirsch im Sommer 2008 seine Fußballschuhe an den Nagel. Bei den Hansestädtern hatte er zuvor schon einen Drei-Jahresvertrag als Sportdirektor erhalten. Im Zuge der Insolvenz des VfB endete das Engagement jedoch im Dezember 2009.

Erinnerung an ein „dubioses und unseriöses Projekt“

Beim SV Schackendorf, der im Kreis Segeberg beheimatet ist, trat Hirsch seine erste Trainerstation an. Auf Anhieb gelang ihm mit seinem Team der Aufstieg in die Schleswig-Holstein-Liga. „Das war zuvor völlig utopisch gewesen“, sagt der heutige MSV-Coach rückblickend. Im Sommer 2011 ergab sich dann der Wechsel zum FC Sylt. Im Nachhinein war diese Angelegenheit in den Augen von Dietmar Hirsch ein „dubioses und unseriöses Projekt“.

Dietmar Hirsch, heute Trainer beim MSV Duisburg, erlebte beim FC Sylt ein ungewöhnliches Engagement.
Dietmar Hirsch, heute Trainer beim MSV Duisburg, erlebte beim FC Sylt ein ungewöhnliches Engagement. © FUNKE Foto Services | Jakob Klos

Beim FC Sylt hatte ein finanzstarker Mäzen das Sagen. Hirsch, der sich seinerzeit in Norddeutschland sehr wohl fühlte, erinnert sich: „Ich habe damals zu ihm gesagt: Du hast Kohle, und ich und mein Co-Trainer haben ein hohes Ansehen im Norden. Warum machen wir das nicht vernünftig?“ Der FC Sylt war von der Kreisliga bis in die Oberliga durchmarschiert. Unter anderem war der frühere Bundesliga-Spieler Marcel Rath (Hertha BSC, Energie Cottbus und FC St. Pauli) als Spieler an der Erfolgsserie beteiligt. Dietmar Hirsch sah genügend Potenzial, um den Aufstieg in die Regionalliga zu schaffen.

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Die Rahmenbedingungen waren „freaky“, wie Hirsch rückblickend berichtet. Der Verein hatte auf Sylt keine Spielstätte und trug seine Partien auf dem Festland aus. Der Boss kam von der Insel, die eine Hälfte der Mannschaft reiste aus Kiel an, die andere aus Hamburg. Dafür standen zwei Neunsitzer zur Verfügung. Man traf sich auf der Mitte und trainierte auf einem angemieteten Dorfplatz mit Vereinsheim. Die Punktspiele gingen auf einer Platzanlage in Kiel über die Bühne.

„Am Ende habe ich vor dem Spiel die Kabinentür zugehalten, wenn es klopfte.“

Dietmar Hirsch
MSV-Trainer

Dem Mäzen war es offenbar wichtig gewesen, dass nach dem Training im Vereinsheim noch ein paar Bierchen getrunken wurden. Zudem wurde Dietmar Hirsch schnell klar, dass für den Coach vorrangig die Rolle der Marionette vorgesehen war. Demnach habe der Vereinschef die Aufstellung bestimmen wollen – auch nach dem Kriterium, wer das meiste Geld verdienen würde. Hirsch: „Am Ende habe ich vor dem Spiel die Kabinentür zugehalten, wenn es klopfte.“

Nach wenigen Wochen trennten sich die Wege. „Der Vorsitzende kam zu mir und sagte: Das wird nichts. Du bist uns zu professionell.“ Später ging das ganze Projekt den Bach herunter. Im September 2012 zog sich der FC Sylt vom Spielbetrieb zurück. Kurze Zeit später gab es den Verein nicht mehr. Das Amtsgericht Niebüll hatte die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens damals mangels Masse abgelehnt. „Wenn wir Ruhe gehabt hätten, wären wir aufgestiegen“, ist sich Dietmar Hirsch heute sicher.

Hirsch kehrte zum SV Schackendorf zurück, konnte dort den Abstieg in die Verbandsliga aber nicht mehr verhindern. Im September 2013 zog er ins Saarland und übernahm den Trainerjob beim damaligen Drittligisten SV Elversberg. Zum Kapitel FC Sylt sagt er heute: „Die Schlagzeile war ja positiv. ,Zu professionell‘ – das ist doch gut.“