Dortmund. Jörg Helmdach, der Präsident des Ringer-Verbandes NRW, wirft den Neusser Ringern auch unsportliches Verhalten vor. Aber? „Das haben sie clever gemacht.“

Es stimmt Jörg Helmdach sehr nachdenklich, dass seine Leidenschaft, dass das Ringen meistens nur noch dann in die Schlagzeilen gerät, „wenn unschöne Dinge passieren“, wie er sagt. „Unser ganzer Sport wird runtergezogen, und das ist für die Außendarstellung sehr schlecht. Das ist traurig. Dabei ist es doch so ein geiler Sport.“

Das aktuelle Beispiel, das in den Medien für mehr Aufsehen sorgt, als es sich die Ringer wünschen, ist der letzte Bundesliga-Kampf der Saison in der Nord-Staffel zwischen dem KSV Witten und dem KSK Konkordia Neuss, den der Präsident des Ringerverbandes Nordrhein-Westfalen am vergangenen Samstag live in der Husemannhalle verfolgt hat.

KSV Witten steht schon nach dem Wiegen als 40:0-Sieger fest

Dass der KSV nach seinem 40:0-Sieg an der Waage und dem Sprung auf den vorletzten Tabellenplatz nicht gut gelaunt ist, kann Jörg Helmdach nachvollziehen. Auch er wirft – wie so viele andere – den Neussern nach deren Sturz auf den letzten Rang ein unsportliches Verhalten vor. „Das haben sie clever gemacht“, sagt er. „Und ich verstehe, dass die Wittener für einen Kampf um die goldene Ananas nicht so viel Geld in die Hand nehmen wollen. Fakt ist aber auch, dass das Abwiegen entscheidend ist. Das sind die Spielregeln. Und da hatten zwei Neusser Übergewicht.“

„Es sollte doch so sein, dass wir mit unseren Leistungen auf uns aufmerksam machen. Das lässt sich auch nicht so schnell bereinigen.“

Jörg Helmdach,
der Präsident des Ringer-Verbandes Nordrhein-Westfalen

Aaron Bellscheidt war der eine und für sehr viele überraschend Krisztián Biró der andere, nachdem der rumänische Freistil-Spezialist nur einige Minuten zuvor noch unter der 80-Kilo-Marke gelegen hatte.

Fünf Teams haben ihren Rückzug aus der Ringer-Bundesliga angekündigt

Völlig unabhängig, wie nun die kommenden Entscheidungen ausfallen werden, missfällt Jörg Helmdach das alles sehr. „Es gibt einen ganz bitteren Nachgeschmack“, sagt der 60-Jährige. Vermutlich sogar einen länger anhaltenden. „Es sollte doch so sein, dass wir mit unseren Leistungen auf uns aufmerksam machen. Das lässt sich auch nicht so schnell bereinigen“, betont Jörg Helmdach, der klarmacht, dass er auch für den ASV Urloffen Verständnis hat, weil dieser die Platzierungskämpfe um die Bundesliga-Ränge zehn und elf gegen den KSV Witten unbedingt bestreiten wollte.

Ringen Bundesliga KSV Witten gegen SC Kleinostheim
Ein großes Talent im Team des KSV Witten: Noah Englich (rechts). © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Die Namen, die alle fallen, sind übrigens sehr interessant: Zu den beiden NRW-Vertretern und dem ASV Urloffen kommen aus der Süd-Staffel noch die KG Baienfurt/Ravensburg, die wie der KSK Konkordia Neuss auf die Kämpfe um die Plätze zwölf und 13 verzichtet hat, und die Red Devils Heilbronn. Das sind also fünf Teams, die ihren Rückzug aus der Bundesliga bekanntgegeben haben – fünf von eh nur 13. „Die Gründe sind vielfältig“, sagt Jörg Helmdach, der 1988 in Seoul Olympia-Fünfter im Freistil-Fliegengewicht und mit dem KSV Witten viermal Deutscher Meister war. „Am Ende geht’s immer ums liebe Geld, und das sind, glaube ich, alles Mannschaften, die ein eher kleines Budget haben und einen Spagat versuchen müssen.“ Mit Ringern aus dem eigenen Stall.

Als Emil Olsberger noch den KSV Witten prägte: „Der kannte jeden“

„Das sind junge Talente, die wirklich gut sind. Aber das heißt noch lange nicht, dass sie in der Liga auch Kämpfe gewinnen“, sagt Jörg Helmdach und pickt sich zwei Beispiele des KSV Witten heraus: Gregor Eigenbrodt und Noah Englich. „Mit der internationalen Konkurrenz mitzuhalten, ist halt schwierig“, sagt er. Die Kader entsprechend aufzufüllen, wäre teuer. „Aber die Vereine sind nicht gewillt, sich ins finanzielle Desaster zu stürzen. Sie müssen aus sportlichen und aus finanziellen Gesichtspunkten entscheiden. Deshalb ist es gut, dass der Deutsche Ringer-Bund nach dieser Saison keine Strafe mehr erhebt, wenn sich ein Verein in eine untere Liga zurückzieht. Neuss geht ja sogar bis in die Oberliga zurück.“

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Zumal es auch nicht einfacher geworden ist. Beispiel KSK Konkordia und Hermann-Josef Kahlenberg, der lange Chef und bis zu seinem Tod im Oktober 2023 Ehrenvorsitzender der Rheinländer war. „Seitdem er nicht mehr da ist“, sagt Jörg Helmdach, „ist es für die Neusser sehr schwierig geworden. Viele haben früher Hermann zuliebe etwas gegeben.“

Auch für den KSV Witten sei es komplizierter geworden, Kontakt zu möglichen Geldgebern herzustellen, die der Klub früher gehabt habe. „Zu unserer Zeit war es Emil Olsberger, der kannte jeden“, sagt der Dortmunder Chef der NRW-Ringer. „Und auch Klaus Lohmann war dem Ringen zugewandt.“ Der inzwischen 88-Jährige war einst Präsident des Kraftsportvereins und von 1978 bis 1983 sowie 1989 bis 2004 Wittens Bürgermeister. „Die sind“, sagt Jörg Helmdach, „nach und nach alle weggebrochen.“

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