Witten. Der Gründer des KSV-Witten-Fanclubs ist wegen miserabler Bundesliga-Saison und oft leerer Ränge frustriert. Was er sich vom Clubvorstand wünscht, was er vermisst hat.
Ein letztes Mal noch gehen die Ringer des KSV Witten 07 am Samstag (Beginn: 19.30 Uhr; Husemann-Sporthalle) in der Bundesliga auf die Matte, messen sich in Deutschlands höchster Klasse mit dem NRW-Rivalen KSK Konkordia Neuss. Das inzwischen 51. Jahr der Zugehörigkeit zur nationalen Eliteliga wird allerdings vorerst das letzte sein, denn künftig werden die noch immer punktlosen Wittener in Liga zwei antreten. Für einen der größten Anhänger des KSV, Michael Lieckfeld, ist die Situation seines Lieblingsclubs schwer zu verkraften. „Ich hoffe, sie hauen am Samstag noch mal alles raus und holen endlich die ersten Punkte.“
Neunmal traten die Ringer aus der Ruhrstadt in dieser Saison in der West-Staffel der Bundesliga an, neunmal gingen sie als Verlierer aus den Duellen hervor. Teilweise sogar überdeutlich, vor allem vor heimischer Kulisse. „Ich will mir gar nicht ausmalen, wenn es am Samstag schon wieder eine Demütigung geben sollte“, so Lieckfeld. Denn für ihn, der mit so viel Leidenschaft nahezu immer dabei ist, wenn die KSV-Recken ihre Kämpfe bestreiten, ist jede dieser Niederlagen wie ein Stich ins Herz.
Erst zum BVB ins Stadion, dann zu den Ringern des KSV Witten
„In den letzten fünf Jahren“, sagt der 51-Jährige, „war ich bis auf zwei Kämpfe immer dabei. Ob in Adelhausen, Lübtheen oder in Freiburg. Das hat einfach Spaß gemacht“, genoss er die Gemeinschaft der Gleichgesinnten, der Fans in Schwarz-Weiß-Grün. Als Fan auch von Borussia Dortmund gab’s für ihn in den letzten Jahrzehnten folglich zumeist den gleichen Tagesablauf: Samstags erst ins Stadion, danach ab in die S-Bahn und herüber zum Ringen in die Husemannhalle.
„Man muss doch auch mal die Sichtweise des einfachen Zuschauers in Betracht ziehen. Sportliche Expertise ist in unserem Vorstand doch im Überfluss vorhanden.“
Doch der Spaßfaktor hat eben in dieser Saison gewaltig gelitten. Den KSV Witten immer wieder verlieren zu sehen, „das tat schon ziemlich weh“, gesteht Lieckfeld. Auch im vorigen Jahr lief es nicht sonderlich gut für die Ruhrstädter, obgleich sie damals noch um den Abstieg herumkamen. „Aber das war doch schon ein Warnschuss. Mehr als 150 Zuschauer hatten wir doch da nicht. Das Wittener Publikum ist eben verwöhnt.“ Verwöhnt durch glanzvollere Auftritte früherer Zeiten. Immerhin ist der KSV siebenmaliger Deutscher Meister, hat in Ringer-Deutschland nach wie vor einen guten Ruf.
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Bei der Mitgliederversammlung des Vereins vor einer Woche verständigte man sich darauf, den Weg in die zweite Liga anzutreten. Vorsitzender Detlef Englich hielt diese Option für die sinnvollste. Wittens Ober-Fan Lieckfeld ist da auf einer Linie mit dem Clubchef. Sagt aber auch: „Mir fehlt dabei der Ansatz des Vorstandes, dass man vor der Saison nicht alles richtig gemacht, nicht alles versucht hat, um besser abzuschneiden.“
Vor allem die Auftritte bei den Heimkämpfen seien „ernüchternd“ gewesen. „Immer wieder hat man danach nach Ausreden gesucht, statt mal Fehler einzugestehen“, so Lieckfeld kritisch. Dass man vor den eigenen Anhängern immer wieder mit Ersatzleuten angetreten sei, habe das Publikum verprellt. „Man muss doch auch mal die Sichtweise des einfachen Zuschauers in Betracht ziehen. Sportliche Expertise ist in unserem Vorstand doch im Überfluss vorhanden“, denkt der 51-Jährige auch an die Vize-Vorsitzenden Fatih Sirin, Erkan Kaymak und Nina Kahriman.
Vor fast 40 Jahren beim DM-Halbfinale gegen Schifferstadt mit Ringsport-Virus infiziert
Erstmals mit dem KSV Witten 07 in Berührung kam Michael Lieckfeld am 4. Januar 1986. Dieses Datum kommt bei ihm wie aus der Pistole geschossen. „Das war damals der Finalhinkampf gegen Schifferstadt. Eine unglaubliche Stimmung mit 3000 Leuten in der Husemannhalle. Da war man als Kind total geflasht.“ Kämpfe zu sehen von KSV-Ikonen wie Adam Sandurski, Olaf Brandt, Adam Juretzko oder Mirko Englich, das hat seinerzeit ein Feuer in Lieckfeld entfacht, das noch längst nicht erloschen ist. „Aber eine Saison wie diese, mit 0:18-Punkten - das tut schon weh. Für den Verein muss es jetzt erstmal darum gehen, das Vertrauen seines Publikums zurückzugewinnen.“
Michael Lieckfeld, der sich selbst als „Dauer-Optimist“ bezeichnet, weiß natürlich, dass es für den KSV Witten vor allem aufgrund der fehlenden Sponsorengelder schwierig bis unmöglich geworden ist, mit den Größen der Branche zu konkurrieren. „Burghausen hat 800.000 Euro Etat, wir gerade mal ein Zehntel davon“, weiß der 51-Jährige, der seinerzeit einen KSV-Fanclub aus der Taufe gehoben hat, der inzwischen aber auch eher zu einer One-Man-Show geworden zu sein scheint. „Wenn man die Athleten und auch die Sponsoren dafür begeistern kann, finde ich den Weg in die 2. Liga richtig gut. Herunterzugehen bis in die Landesliga, das wäre wirklich der Todesstoß für den Club gewesen“, so Lieckfeld.
Lieckfeld sieht in einem Zweitliga-Start auch neue Chancen für den KSV Witten
Als Zweitligist könne man dann „endlich wieder Siege“ feiern. „Dann kommen auch wieder Zuschauer, und die Geldgeber wollen auch Erfolge sehen“, erinnert der Wittener daran, dass der KSV dort vor einigen Jahren „400 bis 500 Fans in der Halle“ hatte. Lieckfeld wünscht sich vom Clubvorstand, „dass man zumindest versucht, wieder eine Begeisterung wie früher zu entfachen.“ Für ihn selbst steht trotz der aktuellen sportlichen Talfahrt eines unumstößlich fest: „Ich könnte den Verein nie im Stich lassen.“ Und wenn es dann am Samstag gegen Neuss doch den ersten Sieg gibt? „Dann würde ich mich freuen wie Bolle.“
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