Witten. Sören Dieckmann hat das fußballerische Einmaleins bei TuRa Rüdinghausen gelernt. Heute ist er beim SV Sandhausen Profi in der zweiten Bundesliga.

Als kleiner Junge bolzte Sören Dieckmann (24) jeden Tag auf dem Platz von TuRa Rüdinghausen, wohnte sogar an der Brunebecker Straße. Mittlerweile ist er Fußballprofi in der 2. Bundesliga.

Im Interview spricht er über seine Zeit in Witten, ein Spiel mit Borussia Dortmund gegen den FC Liverpool und sein Profidebüt für den SV Sandhausen.

Herr Dieckmann, Ihre ersten fußballerischen Schritte machten Sie bei TuRa Rüdinghausen. Von wann bis wann spielten Sie an der Brunebecker Straße?

Dieckmann: Ich habe mit vier, fünf Jahren angefangen bei TuRa. Es war mein erster Verein. Ich war erst zu einem Probetraining in Kruckel, aber meine Eltern haben mich dann noch mal nach Rüdinghausen gebracht. Und in als kleiner Junge hört man ja auf die Eltern (lacht.) Geblieben bin ich, bis ich zehn Jahre alt war.

Sören Dieckmann (vorn) im Regionalligaspiel des BVB II im November 2017 bei Rot-Weiss Essen.
Sören Dieckmann (vorn) im Regionalligaspiel des BVB II im November 2017 bei Rot-Weiss Essen. © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann

Sie haben später sogar an der Brunebecker Straße gewohnt. Wie sah ihr Alltag damals aus?

Ich war jeden Tag auf dem Fußballplatz. Manchmal bin ich schon vor dem Training mit einem Ball alleine hochgegangen in der Hoffnung, dass schon jemand da ist. Und dann haben wir gebolzt. Ich hatte viele Freunde da, auch ältere. Am Anfang war es noch ein Ascheplatz, später war es einer der modernsten Kunstrasenplätze in der Umgebung.

Gebolzt, bis es dunkel wurde

Gab es damals nie Konflikte zu Haus? Mussten ihre Eltern sie vom Platz zum Abendessen zerren?

Nein, grundsätzlich haben mich meine Eltern machen lassen. Wenn es dunkel wurde, ist man nach Hause gegangen. Dadurch, dass es in der Schule gestimmt hat, war es okay für sie.

Heute spielen Sie eher defensiv. Waren Sie schon bei TuRa für das Tore verhindern zuständig?

Nein (lacht). Ich habe früher im Sturm gespielt. Ich erinnere mich daran, dass jeder aus unserer Mannschaft, als ich acht oder neun Jahre alt war, eine Urkunde bekommen hat, auf der kleine Sätze standen. Bei mir stand, dass ich 48 Tore in der Saison geschossen habe. Da war ich schon weit vorne dabei.

Gucken, wie sich TuRa schlägt

Verfolgen Sie TuRa Rüdinghausen bis heute? Früher spielte der Klub noch Landesliga, später sogar Westfalenliga. Heute ist die Kreisliga A die sportliche Heimat.

Leider nicht mehr so intensiv. Ich war damals bei den Spielen, als die Mannschaft höher gespielt hat, dann ist es aber auch abgeklungen. Es gab ja auch andere Zeiten, in denen nicht mehr so viele Jugendteams gemeldet waren und die erste Mannschaft nicht so hochspielte. Aber zwei, drei Jungs, die heute noch bei TuRa spielen, kenne ich. Zum Beispiel Florian Kirsch, mit dem ich später in Hordel zusammengespielt habe. Wenn es wieder weitergeht, werde ich auf jeden Fall mal gucken, wie sich der Verein schlägt.

Und nun hängt ein Brief der Deutschen-Fußball-Liga bei TuRa im Vereinsheim, weil Sie dort ausgebildet wurden. Wie stolz macht Sie das?

Natürlich ist das eine coole Sache, dass sie es ausgehangen haben und ältere Leute es sich vielleicht angucken und sich daran erinnern, mich dort Fußball spielen gesehen zu haben. Und es ist auch super, dem Verein mit der Ausbildungsentschädigung ein bisschen Geld zu schenken.

Für fünf Jahre zum VfL Bochum

Nach der Zeit in Witten wechselten Sie zum VfL Bochum. Wie kam es dazu?

Sie haben schon ein Jahr vorher bei mir angerufen, nachdem wir ein Spiel gegen Sie mit 1:9 verloren hatten. Ich war dann beim Probetraining. Zu diesem Zeitpunkt war ich aber froh, meine Jungs in Rüdinghausen zu haben und wollte noch nicht wechseln. Ein Jahr später kam die zweite Anfrage. Dann haben mich meine Eltern vor die Wahl gestellt. Darüber bin ich heute froh. Es war ein guter Schritt und ich bin fünf Jahre beim VfL geblieben.

Regionalliga-Derby im März 2016: Sören Dieckmann (li.) im Zweikampf mit  Bernhard Tekpety (Schalke II).
Regionalliga-Derby im März 2016: Sören Dieckmann (li.) im Zweikampf mit Bernhard Tekpety (Schalke II). © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann

Doch dann gab es einen Rückschritt, sie wurden aussortiert und gingen zur DJK TuS Hordel.

Ja, natürlich ist es ein Rückschlag, wenn man hört, dass man aus Leistungsgründen aussortiert wird. In dem Moment fühlt man sich auch schlechter als die anderen. Aber im Endeffekt war es sogar etwas Positives, weil ich in Hordel als U16-Spieler bei der U17 gekickt habe. Da habe ich auch zweikampfmäßig viel gelernt, es hat mich weiter gebracht. Im Nachhinein würde ich es nicht als etwas Schlechtes, sondern als etwas Gutes bezeichnen.

TSC Eintracht Dortmund als Sprungbrett

Nach zwei Jahren in Hordel ging es weiter zum TSC Eintracht Dortmund. Der Klub ist über die Grenzen hinaus für seine gute Jugendarbeit bekannt.

Ich bin als junger A-Jugend-Jahrgang zur Eintracht gewechselt. Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich es als Sprungbrett nutzen will, ich wollte noch einmal in die Jugendbundesliga kommen.

Haben Sie damals weiter an die Profikarriere gedacht?

Das würde ich nicht sagen. Aber wir hatten eine sehr gute Runde gespielt. Und ich hatte Hoffnung, dass ich eine Chance auf einen Verein wie Rot-Weiß Essen oder vielleicht noch mal VfL Bochum bekomme. Ich hatte auch ein Angebot von Preußen Münster, aber dann bekam ich ein Probetraining bei Borussia Dortmund.

Chance von David Wagner bekommen

Das Team, zu dem Sie dann auch wechselten. Haben Sie dann alles auf eine Karte gesetzt?

Während der Zeit bei der Eintracht habe ich die Schule beendet und dann gehofft, dass es bei Dortmund klappt. Ich habe dann noch nicht angefangen zu studieren. Aber in der A-Jugendzeit bei Borussia Dortmund war ich acht Monate lang verletzt. Danach hatte ich eigentlich schon einen Vertrag beim Oberligisten ASC 09 unterschrieben. Doch dann hat mit der damalige Trainer der zweiten Mannschaft, David Wagner, die Chance gegeben, mich in der Vorbereitung zu zeigen.

Und Sie haben Fuß gefasst. Insgesamt spielten Sie satte 89-mal für die zweite Mannschaft des BVB in der Regionalliga, erzielten elf Tore und bereiteten zehn vor. Nicht die schlechteste Bilanz. Trotzdem reichte es nie zu einem Pflichtspieleinsatz bei den Profis. Warum?

Ich war 2018 bei der Amerika-Reise dabei und habe ab und an mal mit den Profis trainiert. Aber der Leistungsunterschied von der Regionalliga zu einem Champions League-Team ist riesig. Deswegen war ich froh, ein paar Testspiele mitzumachen, ich hatte nicht die Hoffnung, fester Bestandteil zu werden. Als Spieler der zweiten Mannschaft beim BVB muss man schauen, den Schritt in die dritte oder zweite Liga zu schaffen.

Profi-Debüt mit Schnee und Flutlicht im Volksparkstadion

Genau den haben Sie im Winter 2019 gewagt. Der SV Sandhausen verpflichtete Sie. Auf ihren ersten Einsatz mussten Sie nicht lange warten. Im Hamburger Volksparkstadion gaben Sie im Januar 2019 ihr Debüt als Profi.

Natürlich war es etwas Besonderes für mich. Ich erinnere mich noch daran, dass es leicht geschneit hat, als wir auf das Feld gegangen sind. Dazu das Flutlicht, das war etwas Spezielles. Wir wussten damals, dass es eine schwierige Aufgabe wird, aber es ist gut, gegen einen starken Gegner anzufangen. Leider haben wir die Partie verloren. Auf jeden Fall ist es das außergewöhnlichste Spiel bisher für mich.

Ist man in so einer Partie in den Katakomben extrem angespannt?

Es war tatsächlich gar nicht so anders als bei den Spielen davor. Ich bin in so einer Situation sehr auf mich fokussiert. Natürlich weiß man, dass viele Kameras dabei sind. Aber während der Amerika-Reise haben wir mit Dortmund gegen den FC Liverpool gespielt, da waren ungefähr 55.000 Zuschauer im Stadion, daher war ich es ein bisschen gewohnt. Ich habe es ausgeblendet und mich auf mich selbst fokussiert. Es war toll, gerade mit der Geschichte, wie es bei mir verlaufen ist, dass man zwischenzeitlich vielleicht selbst nicht mehr ganz daran geglaubt hat, dahin zu kommen.

Nach gutem Start durch Verletzung zurückgeworfen

Nach dem guten Start in Sandhausen warf Sie eine Knieverletzung zurück. Wie bitter war das?

Ich zog mir eine Teilruptur der Bizepssehne und eine Verletzung des Außenbandes zu, das war so gut wie durch. Insgesamt dauerte es fünf, sechs Monate. Relativ schnell danach hatte ich auch noch einen Muskelfaserriss. Aber ich hatte schon häufiger mit Verletzungen zu kämpfen und wusste, dass ich meine Chance bekommen werde, wenn ich wieder fit bin. Ich habe da positiv gedacht und war eher froh, dass wir als Team die zweite Liga halten konnten als traurig, dass ich verletzt war.

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Diese Saison wurden Sie bisher in zwei Spielen eingesetzt. Sandhausen steht in der Tabelle auf Rang dreizehn. Wie zufrieden sind Sie mit der aktuellen Spielzeit?

Sehr. Wir haben gut angefangen, standen zunächst weit oben. Dann gab es eine kleine Schwächephase, aus der wir uns über den Kampf aber wieder rausgearbeitet haben. Wir wussten, dass wir jeden im Kader brauchen, ich glaube, fast jeder von uns hat Einsatzminuten gesammelt. Ich bin mir sicher, dass wir die Liga halten, wenn es weitergeht.

In der zweiten Liga gibt es „Spieler, die einen weiterdenken lassen“

Was haben Sie in Sandhausen gelernt, was ihnen beim BVB niemand beibringen konnte?

Ich habe noch mehr Erfahrungen gesammelt. In der zweiten Liga gibt es Spieler, die wissen genau, wie man den Gegner abläuft, wie man den Ball mit welchem Druck in welche Lücke zu spielen hat. Das sind Spieler, die einen weiterdenken lassen. Wann gehe ich mit nach vorne, wann starte ich einen tiefen Lauf und wann bleibe ich lieber hinten?

Einer von dem Sie sich viel abschauen können ist Dennis Diekmeier. Er hat über 200 Spiele in der 1. Bundesliga absolviert. Wie wertvoll ist so jemand für die eigene Karriere?

Er ist eine sehr wichtige Persönlichkeit in unserem Team. Wir haben eine gute Verbindung, sind befreundet. Von so einem Spieler schaut man sich viel ab. Er ist sehr autoritär auf dem Platz, weiß wie man sich verhält. Nur das Toreschießen schaue ich mir vielleicht nicht von ihm ab. (lacht)

Einmal im Stadion von Dortmund zu spielen wäre ein Traum

Stimmt, im Profibereich hat er noch kein einziges Tor erzielt. Können Sie ihm da noch etwas beibringen?

Erst mal muss ich das ja selbst unter Beweis stellen. Ich habe ja auch noch nicht getroffen.

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Gibt es einen Verein, bei dem Sie selbst gerne mal spielen würden?

Für mich wäre es ein Traum, im Stadion von Dortmund zu spielen, einmal 80.000 Leute im Stadion zu haben, zu sehen, wie die schwarzgelbe Wand feiert. Natürlich ist es das Ziel von jedem Fußballer, so hoch wie möglich zu spielen. Aber man weiß nie, wohin es geht, ich bin nun 24 Jahre alt und muss mich erst einmal selbst bei Sandhausen etablieren. Da bin ich noch nicht zu 100 Prozent angekommen. Ich habe sieben Spiele absolviert, da muss Konstanz rein. Nichtsdestotrotz bin ich auch schon zufrieden damit, wo der Weg hingegangen ist, das haben nicht alle erwartet, als ich beim VfL Bochum aussortiert wurde. Ich bin stolz auf das, was ich erreicht habe aber man will immer mehr. Es bringt nichts, sich darauf auszuruhen.

Wie klingt die folgende Schlagzeile für Sie: „Sören Dieckmann trifft für Sandhausen gegen den BVB und wirft den Favoriten aus dem DFB-Pokal“?

Auf der einen Seite natürlich super. Besser geht es nicht, dann hätte ich auch endlich ein Tor erzielt. (lacht) Natürlich wäre das ein cooles Gefühl, gegen seinen alten Verein ein Tor zu erzielen und für so eine Überraschung zu sorgen. Aber es wäre auch so, dass es gegen meinen Herzensverein wäre. Mal sehen, ob es irgendwann dazu kommt.