Bis zu 20 Trainingseinheiten absolviert Kanutin Johanna Schimanski in der Woche. Ihr jüngster Erfolg in Berlin kam dennoch etwas überraschend.

„Tage auf der Couch sind nicht so mein Ding“, sagt Johanna Schimanski. Die 19-Jährige Mülheimerin muss immer etwas zu tun haben. In der Woche kommt die Kanutin auf 20 Trainingseinheiten. Die Arbeit lohnt sich. Mülheims Sportlerin des Jahres 2017 schaffte es in diesem Jahr nicht nur zur U23-Europameisterschaft, sondern startete am Wochenende auch bei den Finals in Berlin im Parallelsprint – und verpasste nur knapp eine Medaille.

Dabei war es überhaupt eine Überraschung, dass die Mülheimerin vor der East Side Gallery mit sprinten durfte. Neben den Top acht aus Deutschland war auch jeweils eine Vertreterin aus West, Ost, Süd und Nord mit dabei. Da die westdeutsche Meisterin passen musste, war Schimanski plötzlich im Spiel. „Ich fand das Event und die Idee richtig cool, hatte mich aber eigentlich nur auf ein Rennen eingestellt“, erzählt sie.

Am Start habe sie ihr ihrer Gegnerin auch nur noch hinterhergewunken. Keine Chance. Doch neben den sechs Siegern erreichten auch die beiden schnellsten Verlierer noch die nächste Runde. „Ich lag zwar auf Platz zwei bei den Lucky Losern, aber es kamen ja noch drei Läufe“, sagt Schimanski, die sich zu diesem Zeitpunkt während des Ausfahrens überhaupt keine Gedanken mehr um das Weiterkommen machte.

„Wir haben erstmal geschrieben und angefangen zu heulen“

Hat bislang jede Herausforderung geschultert: Johanna Schimanski denkt aber bewusst immer nur von Schritt zu Schritt.
Hat bislang jede Herausforderung geschultert: Johanna Schimanski denkt aber bewusst immer nur von Schritt zu Schritt. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Trainerin Irene Pepinghege und ihre Eltern klärten sie schließlich auf. „Noch ein Rennen und du bist weiter!“ Und dann patzte plötzlich die Top-Favoritin. „Da haben wir erstmal geschrien und angefangen zu heulen“, lacht Johanna Schimanski. Ihre Gegnerin im Zwischenlauf ist eher auf den längeren Distanzen zu Hause, so dass die Mülheimerin plötzlich im Halbfinale stand.

Dies verlor sie dann ebenso wie das Rennen um Platz drei – und ist dennoch vollkommen zufrieden: „Ich habe Platz vier gewonnen und gar nichts verloren. Ich dachte ja ich werde Zehnte bis Zwölfte.“ Gegnerinnen, die sie in der Kabine vorher nicht einmal beachteten, kannten plötzlich ihren Namen.

Talent war von Anfang an direkt zu sehen

Ein gewisses Talent war bei der bald 20-Jährigen schon von Beginn an erkennbar. 2012 saß sie zum ersten Mal im Kanu. Während sich viele Anfänger zu Beginn noch dauernd drehen, konnte Johanna Schimanski sofort geradeaus fahren.

„Wie machst du das?“ fragen die erstaunten Mitstreiter. 2013 schaffte es die Mülheimerin gleich zur Deutschen Meisterschaft und im ersten Juniorenjahr gehörte sie auf Anhieb dem NRW-Kader an. Mit dem ersten internationalen Einsatz für Deutschland erreichte steile Karriere ihren vorläufigen Höhepunkt.

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Verein ist zur zweiten Familie geworden

Warum man sich in so vielen Trainingseinheiten quält? „Der Verein ist meine zweite Familie geworden“, sagt Schimanski. „Ohne die Leute würde ich es auch nicht machen.“ Am Montag hätte sie einen freien Tag haben können, doch sie war wieder am Bootshaus. Wie fast jeden Tag, wenn sie sich morgens vor der Uni ihre Trainingspartner zusammensucht. Abends geht es dann weiter. Falls es mal etwas entspannter zur Sache gehen soll, lässt sich die Kanutin von der Weißen Flotte mitziehen. „Die kennen mich mittlerweile schon“, lacht sie.

Aktuell richtet die 19-Jährige alles nach dem Sport aus. Ihr Studium des Bauingenieurwesens an der Hochschule Ruhr-West hat sie zurückgeschraubt und ein Stück weit gestreckt. Eine Klausur, die eigentlich während der U23-EM stattgefunden hätte, kann sie im September nachholen. „Das ist nicht selbstverständlich, aber Unterstützung bekomme ich wirklich von allen Seiten“, sagt Johanna Schimanski.

Ohne würde es wohl auch nicht gehen in einem Sport, der mit bescheidenen finanziellen Mitteln auskommen muss. „Meine Eltern sind meine Sponsoren“, sagt Schimanski. Wettkampfreisen müssen selbst bezahlt werden.

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„Für Olympia bin ich noch zu jung“

Dennoch wird sie dranbleiben. Im kommenden Jahr möchte sie sich wieder für das Nationalteam beweisen. Vielleicht darf sie erstmals bei einer WM starten und nicht „nur“ bei der EM. „Für Olympia bin ich noch zu jung“, findet die Mülheimerin. Ihrer Meinung nach liegt die Blütezeit im Kanurennsport zwischen 25 und 30 Jahren. „Ansonsten müsste man schon ein echtes Naturtalent sein.“

Und 2024? „So weit denke ich nicht. Ich denke nur von Jahr zu Jahr. Um im nächsten erfolgreich zu sein, will sie sich im Winter richtig reinhängen. Pausen wird sie sich wohl nur wenige gönnen.