Berlin/Herne. Marek Piotrowski, Trainer des Herner TC, über die DBBL-Saison, das frühe Aus – und was der Höhenflug von Playoff-Gegner ALBA Berlin bedeutet.
Das Ende kam plötzlich. Zu plötzlich, wie auch Marek Piotrowski findet. Der Cheftrainer des Herner TC erlebte das Playoff-Aus der Bundesliga-Basketballerinnen in Berlin nicht vor Ort, sondern fieberte im wahrsten Sinne des Wortes erkrankt am Livestream mit. Sein Eindruck: „Enttäuschend. Wir verlieren zwei Spiele auf gleiche Weise, das ist eine große Enttäuschung.“
Warum der HTC sich nach klarer Halbzeitführung das Spiel aus der Hand nehmen ließ, ist für ihn schwer nachvollziehbar. „ALBA hat in der ersten Halbzeit nicht das gespielt, was man gewohnt ist. Vielleicht waren sie durch die große Kulisse und die Situation nervös. Aggressivität und das unbedingte Fighten waren nicht zu sehen“, so Piotrowskis Eindruck. „Nach der Halbzeit haben sie zu ihrem Spiel gefunden. Von außen ist es schwer zu erklären, warum eine Mannschaft, die so hoch führt, sich derart beeinflussen lässt. Wir haben keine Mittel gehabt.“
Herner TC: „Identische Spiele, identisch verloren“
Aus der Erfahrung des Hinspiels, als Berlin ebenfalls in letzter Sekunde ausglich und in der Overtime den längeren Atem hatte, hatten die Hernerinnen offensichtlich nichts gelernt. „Es waren identische Spiele, und wir haben sie identisch verloren“, konstatiert auch der Headcoach. „Wir werden jetzt in Ruhe analysieren, wie das passieren konnte. Wir waren bestimmt nicht schlechter als ALBA, aber weniger konsequent.“
Dem Höhenflug des Aufsteigers, der in der Hauptstadt plötzlich ein Thema ist und immer mehr Fans anlockt, gewinnt Piotrowski aber auch positive Seiten ab. „ALBA ist im deutschen Basketball eine Institution. Das Projekt Damenbasketball gehen sie sehr effektiv und klug an. Sie reißen das Publikum mit, weil sie fighten und sehr auf junge deutsche Spielerinnen setzen“, lobt der 63-Jährige. „Ich bin sicher, sie werden nichts überstürzen und diesen Weg Schritt für Schritt weiter gehen. Das kann dem deutschen Damenbasketball einen Schub geben und helfen, die Aufmerksamkeit viel mehr auf Frauensport zu lenken.“ Ein Anliegen, das dem Herner Coach schon immer am Herzen liegt.
DBBL: Ähnliche Entwicklung wie beim Frauenfußball ist denkbar
Andere Sportarten machen es vor. So wird der Frauenfußball längst von Klubs wie Bayern München, Wolfsburg, Hoffenheim, Frankfurt, Leverkusen oder Freiburg dominiert. Der sechsfache Meister Turbine Potsdam kämpft hingegen um die Erstklassigkeit, andere Klubs, die lange den Frauenfußball geprägt haben, sind in der Versenkung verschwunden oder unter das Dach eines Männer-Bundesligisten geschlüpft.
Eine ähnliche Entwicklung hält Piotrowski auch in seiner Sportart für denkbar, und das nicht nur wegen ALBA. „Wir sehen auch, was in Halle passiert, wo die Frauen beim MBC untergekommen sind, einem Verein aus der BBL. Da ist etwas in Gang gekommen. Es wird sich etwas ändern, und damit müssen wir uns beschäftigen. Der Zug kann schnell abfahren, und wir müssen aufpassen, dass wir ihn nicht verpassen.“
Appetit war groß, noch mehr zu erreichen
Dieses Thema, da ist Piotrowski sicher, wird den HTC noch länger begleiten. Zunächst aber gelte es, die gerade beendete Spielzeit aufzuarbeiten. „Wir lassen alles mal ein paar Tage sacken und werden uns nach Ostern zusammensetzen, um die Saison zu analysieren und die richtigen Schlüsse zu ziehen.“ Die Enttäuschung über das frühe Playoff-Aus soll dabei nicht den Blick auf viele positive Eindrücke trüben.
Für den Fehlstart mit fünf Niederlagen gibt es schlüssige Erklärungen. Kristina Topuzovic stieß nach der WM-Teilnahme erst spät und nicht in Topform zum Team, Ilse Kuijt fiel über Monate verletzt aus, auch andere plagten sich mit Blessuren herum, so dass am Anfang vieles noch nicht rund lief. „Danach haben wir Fuß gefasst, eine ordentliche Saison gespielt und am Ende einen guten dritten Platz belegt. Damit war der Appetit groß, noch mehr zu erreichen. Aber die Playoffs haben uns anderes gelehrt“, blickt der Coach zurück.
Eigengewächse Zolper und Polleros fest in der Starting Five
Mangelndes Durchsetzungsvermögen in der Zone sei die vielleicht größte Schwäche des HTC gewesen. „Uns haben in entscheidenden Spielen die big points gefehlt“, sagt Piotrowski - und meint mit „big points“ Punkte durch die Großen. „Da haben wir kein glückliches Händchen gehabt. Wir waren auf den großen Positionen nicht so gut besetzt.“
Kehrseite dieser Medaille: Die 20-jährige Sarah Polleros sprang in die Bresche und bekam viel Spielzeit, die sie in beeindruckender Weise nutzte und sich so auch die Berufung in die DBB-Auswahl verdiente. „Dass wir mit Zolper und Polleros zwei Eigengewächse fest in der Starting Five haben und beide jetzt zu den Nationalteams gehören, ist eine sehr positive Entwicklung“, findet ihr Trainer.
Positive Entwicklung des gesamten Vereins
Ebenso positiv ist aber auch die Entwicklung des gesamten Vereins, der sich nun schon über Jahre in der nationalen Spitze behauptet und mit der „Zweiten“ in der 2. DBBL einen perfekten Unterbau geschaffen hat. Um diesen Weg fortzusetzen, sollen nach Ostern die ersten Weichen gestellt werden. „Wir werden auch mit den Spielerinnen reden, uns ein Feedback holen und dann alles betrachten“, sagt Piotrowski. Viele Gespräche seien zu führen, bis es dann an konkrete Planungen der neuen Saison gehe.
„Ich möchte mich aber auch noch bei allen Zuschauern und Sponsoren bedanken, die uns unterstützt haben. Wir werden alles dafür tun, dass sie im nächsten Jahr noch mehr Freude haben“, verspricht der Coach. „Ich hoffe, dass wir als HTC ein Teil einer positiven Entwicklung des deutschen Frauenbasketballs sind.“
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