Bochum / Sprockhövel. In der Oberliga waren Christopher Antwi-Adjei und Tim Oberdorf Teamkollegen - nun treffen sie in der Relegation aufeinander. Was macht sie besonders?
Drei Tage vor dem größten Spiel seiner Karriere brauchte Tim Oberdorf kein Fußball-frei: Am Pfingstmontag war der Innenverteidiger von Fortuna Düsseldorf zu Gast bei einem Kreisliga-Spiel - und sah, wie die zweite Mannschaft der TSG Sprockhövel II sich den Meistertitel der Hagener Kreisliga sicherte. Auf dem Kunstrasen der TSG machte der 27-Jährige einst seine ersten Seniorenspiele. Donnerstagabend spielt er mit Fortuna nun ein paar Kilometer weiter im Bochumer Ruhrstadion um den Bundesliga-Aufstieg. Und mit ihm werden noch zwei weitere Ex-Sprockhöveler auf dem Platz stehen.
Auch VfL-Stürmer Christopher „Jimmy“ Antwi-Adjei (30) und Fortuna-Angreifer Jona Niemiec (22) liefen für die TSG in der Oberliga auf, bevor sie den Durchbruch im Profibereich schafften.
TSG-Geschäftsführer André Meister hat eine ganz einfache Erklärung dafür, dass die drei es aus der fünften Liga in die großen Stadien gebracht haben: „Weil es Top-Typen sind“, sagt er. „Dass Tim es sich nicht nehmen lässt, bei so einem Kreisliga-Spiel dabeizusein, das sagt ja viel aus.“ Ein Gesprächsthema am Montag: natürlich das Aufeinandertreffen mit dem ehemaligen Teamkollegen Antwi-Adjei.
Fortunas Oberdorf und Bochums Antwi-Adjei stiegen gemeinsam in die Regionalliga auf
Beide machten mehr als 100 Spiele für die TSG. Antwi-Adjei und Oberdorf waren Stammspieler des TSG-Teams, das 2016 den sensationellen Aufstieg in die Regionalliga West schaffte. Ihr Trainer damals war Andrius Balaika, der seit einigen Monaten wieder für die erste Sprockhöveler Mannschaft zuständig ist. „Das ist schon eine krasse Konstellation“, sagt Balaika.
Wenn er an Antwi-Adjei, Oberdorf und Niemiec denkt, fällt ihm als erstes ein: „Die haben alle einen ausgezeichneten, einwandfreien Charakter. Das ist der erste Schlüssel zum Erfolg. Sie alle haben einen klaren Kopf - keiner hat rumgesponnen, einfach Gas gegeben.“
VfL Bochum: Antwi-Adjei spielte nie im Nachwuchsleistungszentrum
Die drei haben jeweils ihre Mini-Prozent-Chance genutzt. Der gebürtige Hagener Antwi-Adjei spielte nie in einem Nachwuchsleistungszentrum. 2014 wechselte er innerhalb der Oberliga von Westfalia Herne zur TSG. Mit 23 ging er zum Drittligisten SC Paderborn, mit dem er unter Steffen Baumgart bis in die Bundesliga aufstieg - und in jeder Spielklasse war er Stammspieler. Heute hat er mehr als 100 Bundesliga-Spiele für Paderborn und Bochum auf dem Konto.
Fortuna Düsseldorf: Oberdorf fragte sich, ob die Oberliga zu viel für ihn sei
Auch Tim Oberdorf war Spätstarter. Nach einer kompletten Jugend bei der TSG schaffte er den Sprung in die erste Mannschaft. Er fragte sich nach seinem ersten Spiel, ob die Oberliga zu viel für ihn sei, verriet er der WAZ einmal, mit dem Profi-Traum hatte er früh abgeschlossen.
Aber nach mehr als 130 Spielen für die TSG ging Oberdorf mit 22 Jahren zur Fortuna, wo er zunächst zum U23-Kader gehörte. Im zweiten Jahr wurde er Kapitän, 2021 unterschrieb er seinen ersten Profi-Vertrag - inzwischen hat er genauso viele Spiele für Fortunas Erste wie für die Zweite gemacht (je 76). In der entscheidenden Phase der Zweitliga-Saison spielte er neunmal in Folge 90 Minuten durch.
Fortuna Düsseldorf: Jona Niemiec trifft dreimal in der zweiten Liga
Jona Niemiec kam vom Bezirksligisten Rot-Weiß Lüdenscheid zur TSG; machte aufgrund der Corona-Pandemie aber nur wenige Spiele. Auch er schaffte über Fortunas U23 den Weg in den Zweitliga-Kader, wo er diese Saison drei Tore bei 28 Einsätzen erzielte.
Was ist das Geheimnis für so einen Karriereweg? Coach Balaika sagt: „Natürlich gehört auch Glück dazu, man muss verletzungsfrei bleiben“, sagt Andrius Balaika, „aber man kann sich viel Glück auch erarbeiten, und man braucht den Willen. Fitness ist das A & O - wenn ich in der Oberliga 90 Minuten rauf und runterlaufen kann, dann kann ich die Systeme auch noch später lernen. Das geht dann schnell.“
Balaika ist stolz darauf, diese Spieler bei sich gehabt zu haben: „Das zeigt, dass es sich lohnen kann, auf junge Spieler zu setzen.“ André Meister meint: „Systematisch kann man so etwas natürlich nicht erreichen. Aber das ist auch der Verdienst unserer Jugendabteilung, in die wir viel Geld für die Trainer und die Ausbildung der Jugendlichen stecken.“
TSG Sprockhövel hat einige Erfolge in der Jugendarbeit
Tim Oberdorf ist schließlich nicht das einzige Sprockhöveler Eigengewächs auf der großen Fußballbühne: Vor ihm schafften es etwa Mirkan Aydin, Marcel Appiah und Lukas Schmitz über die TSG und den VfL Bochum in den Profibereich. Für seine Jugendarbeit wurde der Klub mehrfach ausgezeichnet. Das erfolgreichste TSG-Talent natürlich ist Nationalspielerin Lena Oberdorf, die als Riesentalent noch bei den Sprockhöveler Jungs spielte und inzwischen eine der besten Fußballerinnen der Welt ist.
Ihre Trikots hängen im Vereinsheim, viele kommen aber auch persönlich gerne zurück in den Baumhof. Niemiec und Oberdorf waren zuletzt auch beim Oberliga-Kracher gegen Wattenscheid da. Antwi-Adjei schaute in den vergangenen Jahren öfters seinen Brüdern im TSG-Trikot zu. Donnerstag aber geht es im Ruhrstadion für ihn gegen seinen alten Mitspieler Tim Oberdorf, mit dem er jahrelang die Kabine teilte. „Die schlimmste Konstellation“ - André Meister will nicht beantworten, zu wem er hält.
Trainer Andrius Balaika weist als Bayern-Fan jede emotionale Beteiligung von sich. Dann sagt er aber: „Vielleicht gönne ich es Düsseldorf ein bisschen mehr. Jimmy hat schon einige Jahre in der Bundesliga - ich wünsche es Tim und Jona, dass sie das auch erleben.“
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