Gladbeck. Jessica Steiger (VfL Gladbeck) hat ihre Schwimmkarriere beendet. Der WAZ hat sie nicht nur verraten, was nach 19 Jahren Leistungssport bleibt.
Eine ganz Große des Gladbecker Sports hat jetzt ihre aktive Karriere beendet. Jessica Steiger, die in der offenen Klasse zwölf Deutsche Meisterschaften gewonnen und für den Deutschen Schwimm-Verband an diversen Welt- und Europameisterschaften teilgenommen hat, wird keine Wettkämpfe mehr bestreiten. Es bleiben viele schöne Erinnerungen, Freundschaften und außerdem eine nicht ganz ernst gemeinte späte Selbsterkenntnis. „Ich habe“, sagt die 29-Jährige und lacht, „eine Vollmeise gehabt.“
Damit meint Jessica Steiger vor allem die Zeit, als sie Schülerin und Studentin war. Damals ist sie nämlich tagtäglich immer um kurz vor 5 Uhr aufgestanden, um ab 5.30 Uhr ihr Frühtraining zu absolvieren. Ungläubig den Kopf schüttelnd betont sie: „Das könnte ich heute nicht mehr.“
VfL Gladbeck: Jessica Steiger erinnert sich an Gänsehautmomente
Fast 20 Jahre lang war Jessica Steiger eine erfolgreiche Leistungsschwimmerin. Dafür musste sie auf viele Sachen, die für Kinder und Jugendliche selbstverständlich sind, verzichten. Doch daran denkt sie gar nicht, wenn sie auf ihre Karriere zurückschaut. Und die Gladbeckerin denkt auch nur kurz an die vielen intensiven und anstrengenden Einheiten, die sie nicht nur in aller Herrgottsfrühe an der Schützenstraße oder im Hallenbad an der Bottroper Straße absolviert hat.
„Klar“, sagt Jessica Steiger, „die Quälerei war schon heftig. Dafür habe ich aber so viel erlebt, ich war so viel unterwegs und habe auf der ganzen Welt tolle Menschen kennengelernt.“ Und dann seien da schließlich diese Gänsehautmomente gewesen, bei Meetings und den großen Meisterschaften im In- und Ausland.
Bei der DM 2017 hat Jessica Steiger einen Deutschen Rekord aufgestellt
Gibt es eigentlich ein Rennen, einen Titelkampf oder ein Schwimmfest, an das oder den sie sich ganz besonders erinnert? Jessica Steiger braucht, nachdem die WAZ ihr diese Frage gestellt hat, gar nicht zu überlegen. Prompte Antwort: „Das waren die Meisterschaften 2017, bei denen ich den Deutschen Rekord geschwommen bin.“
Jessica Steiger erzählt: „Ich war vor den Titelkämpfen im Höhentrainingslager und habe dort eine schwere Zeit durchgemacht, weil gerade eine Freundin von mir verstorben war. Ich konnte aber nicht weg und musste irgendwie weitermachen.“
Dem VfL Gladbeck ist Jessica Steiger immer treu geblieben
Und Jessica Steiger machte weiter. Bei der DM in Berlin waren dann alle da, ihre Eltern, Schwester Nina, die Großeltern, Vereinskameraden, um sie zu unterstützen. Im Vorlauf über 200 Meter Brust schwamm sie eine Zeit von 2:28 Minuten - das war, gelinde gesagt, äußerst bescheiden. Es folgte ihr großes Rennen - im Finale erreichte sie als Erste in 2:25,00 Minuten das Ziel. So schnell war noch keine Deutsche geschwommen!
Jessica Steiger ist, daraus macht sie keinen Hehl, ein Familienmensch. Und auch als Leistungsschwimmerin brauchte sie ihr vertrautes Umfeld. Deshalb ist sie dem VfL Gladbeck immer treu geblieben und ist nicht zur SG Essen oder SG Dortmund gewechselt. „Ich habe den steinigeren Weg gewählt“, sagt sie, „und ich habe gezeigt, dass man es trotzdem packen kann.“
Die Coronazeit war die schwerste in der Karriere von Jessica Steiger
Die vergangenen zwei Jahre, die seien sauschwer gewesen, betont Jessica Steiger. In der Coronazeit sei plötzlich nichts mehr planbar gewesen. Besonders bitter für sie war die Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokio aufs Jahr 2021. Denn Anfang 2020 befand sich die VfLerin in Topform. „Das schlimmste Jahr meiner Karriere“, sagt Jessica Steiger, „ist dann mit einem traurigen Ergebnis geendet.“ Der Traum von Olympia, ausgeträumt.
Das ist inzwischen Schnee von gestern. Jessica Steiger verdient längst ihre Brötchen beim Gladbecker Jugendamt, ist mit ihrem Marco verheiratet, schmeißt mit ihm gemeinsam den Haushalt und engagiert sich in einer Schwimmschule, die sie gemeinsam mit Schwester Nina gegründet hat. Die Frage, was sie nach dem Karrierenende eigentlich mit ihrer ganzen Freizeit anfängt, quittiert sie mit einer kurzen Antwort: „Sehr witzig.“
Wettkämpfe will Steiger eigentlich keine mehr bestreiten, es sei denn . . .
Hat sie mit dem Schwimmsport jetzt eigentlich komplett abgeschlossen? Nein, das hat sie nicht. „Am vergangenen Sonntag“, verrät Jessica Steiger, „habe ich beim Kochen einen Livestream angehabt. Es schwimmen ja immer noch Freunde von mir.“
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Apropos Freunde. Da gibt es auch beim VfL Gladbeck noch etliche, die weiter aktiv sind und mit denen Jessica Steiger, wenn sie denn Zeit und Lust hat, nach wie vor zusammen trainiert. Wettkämpfe will sie ja keine mehr bestreiten. Es sein denn . . . „die Mannschaft sagt, dass sie mich braucht. Dann zwänge ich mich noch einmal in den Anzug.“
Typisch Jessica Steiger!
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