Trotz Verletzung hat Bobanschieberin Anika Drazek eine Medaillenchance. Doch mit Pilotin Stephanie Schneider fehlen am Ende acht Hundertstel.
Acht Hundertstelsekunden. Das ist ein Wimpernschlag, ein Nichts eigentlich. Im Bobsport sind acht Hundertstelsekunden immer noch nicht viel, aber manchmal zu viel. Acht Hundertstelsekunden waren am Mittwoch für die Gladbecker Bob-Anschieberin Annika Drazek der Unterschied zwischen Medaillenjubel und dem vierten Platz. Dem Horror-Szenario aller Olympioniken. Annika Drazek ist in Pyeongchang, Südkorea, um acht Hundertstelsekunden an einer olympischen Medaille vorbeigerast.
Unglück schlägt im Training zu
„Bronze ist das erklärte Ziel“, hatte Drazek im WAZ-Interview vor dem Abflug nach Südkorea verkündet und das wurde durchaus als Understatement bewertet. Bei fünf Rennen in dieser Saison war Drazek am Start, immer schob sie ihren Bob aufs Podest – ganz egal, mit welcher Pilotin. Zweimal war sie mit Stephanie Schneider gefahren, zweimal hatte sie gewonnen. Aber in Südkorea war alles anders.
Da war zum einen die Verletzung. Bis auf ihre Fuß-Operation vor zwei Jahren, die sie länger außer Gefecht setzte, war Drazek in ihrer Karriere praktisch nie schwer verletzt gewesen. Sie war mit einer Erkältung nach Südkorea geflogen, sicher keine optimale Ausgangsposition.
Und dann, Ende vergangener Woche, passierte das Unglück im Training: Bei einem Hürdensprung knickte Drazek um, wieder der rechte Fuß. Wenige Tage vor dem größten Rennen ihrer Karriere. Bei einem „normalen“ Weltcup-Rennen wäre Drazek womöglich überhaupt nicht an den Start gegangen. Ein Drama.
Startzeit nicht Weltklasse, aber trotzdem gut
Aber die Verletzungssorgen, sowohl bei Drazek als auch bei der ebenfalls angeschlagenen Schneider, hätten nicht das Ende aller Medaillenträume bedeuten müssen.
Denn mit Startzeiten von 5,37 und 5,38 Sekunden blieb das doch extra aufgrund der Startstärke zusammengesetzte Duo Schneider/Drazek zwar klar hinter den Erwartungen zurück (pro Start deutlich mehr als eine Zehntelsekunde langsamer als die Silbermedaillengewinnerin Meyers Taylor). Doch Drazeks Startzeiten waren immer noch besser als die des anderen deutschen Bobs mit Mariama Jamanka und Lisa Buckwitz.
Jamanka fährt das Rennen ihres Lebens
Doch während Jamanka das Rennen ihres Lebens fuhr, überraschend die komplette Weltelite düpierte und Gold für Deutschland holte, hatte Schneider (selbst mit Rückenproblemen) große Probleme mit der Bahn im Olympic Sliding Centre von Pyeongchang.
52 Hundertstel, mehr als eine halbe Sekunde betrug am Ende der Rückstand auf Jamanka/Buckwitz. Und acht auf Kaillie Humphries aus Kanada, die Bronze holte. Dabei hatten am Dienstagabend noch Schneider und Drazek auf dem dritten Rang gelegen.
Doch Schneider leistete sich nicht nur in Kurve neun einen Fahrfehler, der Bob fiel auf Rang fünf zurück. Sie schaffte dann zwar einen guten vierten Lauf, war in diesem Durchgang sogar die Schnellste, gemeinsam mit Jamanka.
Drazek gehört zu den ersten Gratulantinnen
Als Jamanka durchs Ziel rauscht, ist Annika Drazek eine der ersten, die die Arme hochreißt, die am Schlitten der Kolleginnen ist und gratuliert. Für sie selbst bleibt dagegen nur der vierte Platz.
Die beste deutsche Anschieberin, die deutsche Medaillenhoffnung, sie kehrt mit leeren Händen nach Gladbeck zurück – ein olympisches Drama.
Bundestrainer lobt Annika Drazek
Bundestrainer René Spies fasste das Gefühlschaos perfekt zusammen: „Unvorstellbar“, sagte er über den Siegerbob. „Man muss aber auch erwähnen: Was Steffi und Annika geleistet haben, ist für einen Außenstehenden unvorstellbar.“
Die beiden hätten sich durch ihre Verletzungen gequält. „Das war mental genauso stark wie der Olympiasieg. Nur halt mit einem bitteren Ausgang.“
>> SO LIEF DAS RENNEN
Olympischer Wettbewerb im Zweierbob der Frauen – nach 4 von 4 Läufen:
1. Jamanka/Buckwitz (GER/ 3:22:45 Minuten);
2. Meyers Taylor/Gibbs (USA / +0.07 sec);
3. Humphries/ George (CAN / +0.44 sec);
4
. Schneider/Drazek (GER / +0.52 sec.);
5. Greubel Poser/ Evans (USA / +0.57 sec);
... 14. Köhler/Nolte (GER /+2.83 sec).