Gelsenkirchen. . Norbert Elgert (57) ist Schalkes Talentschmied. Seine Fußballschule haben auch vier aktuelle Weltmeister durchlaufen. Der Trainer der U19 spricht im Interview darüber, wie er junge Spieler zu Profis formt. Und dass es ganz wichtig ist, dass die Spieler die Ausbildung bei ihm zu Ende bringen.
Der Name Norbert Elgert ist sogar mit dem Gewinn der Fußball-WM eng verbunden: Mit Benedikt Höwedes, Mesut Özil, Manuel Neuer und Julian Draxler haben gleich vier Weltmeister die Fußballschule des Schalker U 19-Trainers durchlaufen. Während die Spieler in Brasilien feierten, war Elgert mit seiner neuen U 19 im Trainingslager. Nach dem Abpfiff griff der 57-Jährige zum Handy und schrieb eine Glückwunsch-SMS.
Herr Elgert, Haben Sie eigentlich eine Antwort bekommen?
Norbert Elgert: Ja, es hat ein paar Stunden gedauert. Bene hat mir im Namen von allen zurückgeschrieben. Das hat mich sehr gefreut.
War der Weg Ihrer vier Weltmeister schon in der U19 absehbar?
Elgert: Man konnte erahnen, dass der Weg in den bezahlten Fußball führen kann. Prognostizierbar ist das aber nicht. Das hängt von vielen Faktoren ab. In erster Linie geht es aber natürlich um das Talent und das hatten alle vier Spieler.
Nun gehen Sie in Ihre 17. Saison als U19-Trainer. Nervt es nicht, immer wieder bei null anzufangen?
Elgert: Ich fange nicht bei null an, sondern bei 50. Die eine Hälfte der Mannschaft bleibt erhalten, die andere rekrutiert sich aus U17-Spielern und externen Neuzugängen. Ernst Happel hat einmal gesagt, dass er drei Monate Zeit braucht, um eine Mannschaft zu formen. Wir haben deutlich weniger Zeit. Hinzu kommt, dass Spieler, die bei den Profis trainieren oder verletzt sind, in der Teambildungsphase fehlen.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Jens Keller?
Elgert: Wir haben ein professionelles Verhältnis.
Mit Maurice Multhaup ist einer Ihrer Spieler jetzt vorerst zu den Profis aufgerückt. Empfehlen Sie Spieler oder fordert Keller sie an?
Elgert: Die Profimannschaft steht über allem. Für diese Mannschaft arbeiten wir. Doch um oben mitzutrainieren, müssen die Jungs erst in der U19 Spitzenspieler werden, nicht nur gute Spieler sein. Für Maurice Multhaup ist es zu früh. Genau wie es für Leroy Sane in der letzten Saison zu früh war. Ich bin mit ihnen noch nicht fertig. Aber da es in beiden Fällen der Verletzungsmisere bei den Profis geschuldet war, ist es in Ordnung. Dennoch war es immer eine unserer Stärken, dass die Spieler sehr lange in der U19 waren. Wenn ich einen Spieler nicht mehr so lange ausbilden darf, wie ich es für richtig halte, dann ist es ein guter Zeitpunkt, mal was anderes zu machen.
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Wann sind Sie denn mit einem Spieler „fertig“?
Elgert: Wenn er die Ballbegabung und das Spielverständnis hat. Wenn er das Spiel begreift und so handlungsschnell ist, wie er es als junger Profi sein sollte. Ein Spieler muss mental so stark sein, dass er zumindest dem Anfangsdruck bei den Profis gewachsen ist. Es ist ein Unterschied, ob er in der U19 oder regelmäßig in der Arena spielt. Darauf müssen Spieler richtig vorbereitet werden.
Und für diese Vermittlung brauchen Sie zwei Jahre.
Elgert: In der Regel schon. Die Spieler müssen sich auch was Einstellung, Mentalität, Charakter und Teamfähigkeit angeht, auf dem obersten Level bewegen. Vorher gebe ich sie nicht gerne ab. Ich bin der festen Überzeugung, dass nur ein starkes Fundament Stabilität bringt. Bei dem Anspruch, den Schalke 04 hat, brauchen wir stabile Spieler wie einen Matip oder einen Höwedes. Das ist genau die Aufgabe, der ich mich verschrieben habe.
Nachwuchstrainer Elgert über den DFB und seine Enkel
Was ist Ihnen wichtiger: Titel zu holen oder junge Spieler nach oben zu bringen?
Elgert: Meine Primäraufgabe ist es, Spieler aus der Jugend in den Profibereich zu bringen. Nichtsdestotrotz ist jeder Coach ein Wettkämpfer. Die Tabelle ist also auch wichtig. Spätestens im U19-Alter müssen sich die Spieler daran gewöhnen, dass Hochleistungsfußball Ergebnissport ist.
Wie sehr ärgert es Sie, wenn ein Spieler nicht auch das Letzte aus sich herausholt?
Elgert: Gar nicht, denn jeder ist für sich selbst verantwortlich. Wir können nur anbieten. Es ist ja auch gut so, dass es im Idealfall nur diejenigen schaffen, die sich voll reingekniet haben. Wir können den Jungs nur aufs Pferd helfen, reiten müssen sie selber. Der Wettbewerb der Talente um die Plätze im Profifußball läuft weltweit, auch auf den Malediven oder in Usbekistan. Das meine ich voller Respekt. Da kämpfen Jungs, die es viel schwerer haben als unsere Burschen, von denen ja viele weich fallen. Meine Spieler haben ein Ziel. Aber wenn ihre Motivation nicht groß genug ist, dafür alles zu tun, haben sie es auch nicht verdient.
Sie sind als „DFB-Trainer des Jahres“ geehrt worden. Was bedeutet Ihnen diese hohe Auszeichnung?
Elgert: Fußball ist ein Wir-Sport. Und deshalb sind die gemeinsamen Erfolge immer die schönsten. Als U19-Trainer bewegt man sich chronisch unter dem Radarschirm. Deshalb ist diese Auszeichnung sicher ein besonderer Moment. Aber auch die Wahl der Schalke-Mitglieder in die Ehrenkabine ist eine besondere. Solche Ehrungen sind aber Ehrungen für die gesamte Abteilung.
Hansi Flick wollte Sie in den Nachwuchsbereich des DFB lotsen. Sie haben abgelehnt. Ist der Profifußball nochmal eine Option für Sie?
Elgert: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass alles, was in Zukunft passiert, mit Fußball und Menschen zu tun haben wird. Ob hier oder woanders, weiß ich nicht. Wir haben gerade um vier Jahre verlängert, weil Schalke das wollte und ich das wollte. Deshalb gehe ich von einer längeren gemeinsamen Zeit aus.
Seit kurzem sind Sie Opa einer Enkeltochter. Würden Sie auch Ihren Enkeln dazu raten, auf die Karte Profifußball zu setzen?
Elgert: Das ist vollkommen offen. Jeder Mensch hat auf einem Gebiet ein großes Talent. Das gilt es herauszufinden. Wenn es der Fußball wäre, wäre es ok. Aber auch alles andere ist in Ordnung. Mein Enkel muss nicht meinen Traum leben. Es ist ja heute leider auch so, dass viele Kinder oder junge Fußballer den Traum ihrer Eltern leben. Und das kann in der Regel nicht gut gehen.