Gelsenkirchen. Gelsenkirchen verlängert die Energiesparmaßnahmen im Sport. Viele Vereine kritisieren das scharf. Ein Gesundheitsrisiko sind kalte Duschen nicht.
Als Sven Gutt hört, um welches Thema es in dem Telefonat mit der WAZ gehen soll, fängt der Vorsitzende des Sportvereins TCG 1874 an zu lachen. Allerdings nicht, weil das Thema so lustig ist – vielmehr ist es ein zynisches Lachen. Es geht um die Energiesparmaßnahmen im Sport, die die Stadt GelsenkirchenEnde voriger Woche bis auf Weiteres verlängert hat. Sportlerinnen und Sportler in Gelsenkirchen müssen somit auch im Herbst und womöglich sogar im Winter kalt duschen, die Temperatur in den Sporthallen und Umkleideräumen wird weiterhin auf die vorgeschriebene Mindesttemperatur reduziert. Zunächst waren diese Maßnahmen noch bis Ende September befristet gewesen.
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Dass all das auch in den nächsten Monaten gelten soll, macht Sven Gutt große Sorgen. Bis jetzt hätte sein Mehrsparten-Verein – im Angebot sind unter anderem Volleyball, Turnen und Karate – die Energiesparmaßnahmen zwar noch nicht zu spüren bekommen, da sich die Sporthalle durch die warmen Außentemperaturen gut aufgeheizt hatte. „Aber wenn es draußen kälter wird, wird’s eng. Einige können sich vielleicht warmtrainieren, aber wir haben auch Eltern-Kind-Turnen und Seniorenturnen. Da werden sich die Leute die Beine in den Bauch frieren“, befürchtet Sven Gutt und fügt hinzu: „Wenn das kommt, was angekündigt ist, können wir die Seniorengruppen zumachen, denn die duschen sonst immer in der Halle.“ Kalte Duschen würden die Mitglieder nicht hinnehmen.
Die Energiesparmaßnahmen kommen zu dem Berg an Problemen hinzu, den der TCG seit Monaten mit sich herumschleppt. Im Zuge der Corona-Pandemie hat der Klub mehr als 300 Mitglieder verloren, außerdem sucht er dringend Trainerinnen und Trainer. „Und jetzt müssen wir auch noch Energie sparen“, stöhnt Sven Gutt.
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Er ist aber nicht der einzige Vereinsvertreter, der die Verlängerung der Maßnahmen kritisch sieht. Es gibt eine heiße Diskussion ums kalte Wasser und um kalte Hallen. Christoph Kleine, Geschäftsführer des Fußball-A-Kreisligisten SuS Beckhausen 05, zweifelt zum Beispiel an, ob so tatsächlich Energie gespart wird: „Dadurch wird nirgendwo Energie eingespart, sondern einfach nur Geld für die Stadt. Das ist nur eine Verschiebung der Kosten, denn die Mitglieder duschen dann zu Hause. Die Leute, die sowieso schon wenig Geld haben, haben zu Hause dann noch höhere Kosten. Damit kommt die Stadt auch ihrem sozialen Auftrag nicht nach“, betont er.
Schalke-Trainer Stefan Stöhr „In einer kalten Halle werden Aufwärmphasen noch wichtiger“
Stefan Stöhr, der Trainer der Handballer des FC Schalke 04, kann grundsätzlich nachvollziehen, dass auch der Sport Energie einsparen muss. Er hätte sich aber einen Mittelweg gewünscht, indem die Duschen zumindest lauwarm bleiben. Der Coach wird wohl bald auch das Training anpassen. „In einer kalten Halle werden Aufwärmphasen noch wichtiger, um Verletzungen vorzubeugen“, erklärt er.
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Tobias Klein, der Trainer des Fußball-A-Kreisligisten DJK TuS Rotthausen, macht außerdem darauf aufmerksam, dass die Maßnahmen auch Auswirkungen aufs Vereinsleben hätten. „Eigentlich“, sagt er, „hat der Sport ja einen verbindenden Charakter, weil man zum Beispiel nach dem Training noch zusammensitzt. Aber jetzt setzen sich die Jungs nach dem Training direkt ins Auto und fahren nach Hause, um da warm zu duschen. Das fördert nicht den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“
HNO: „Kurzes, kaltes Duschen senkt eher das Infektrisiko“
Die kalten Duschen tun sich also die wenigsten Spieler der DJK TuS an, sie setzen sich laut Tobias Klein lieber geschwitzt ins Auto. Der Trainer befürchtet, dass das ein Grund dafür sein könnte, warum gerade sehr viele seiner Spieler krank sind. Ein Gedanke, den Dr. Bernhard Junge-Hülsing vom Deutschen Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte bestätigt. Sich verschwitzt und mit nasser Trainingskleidung ins Auto zu setzen, erhöhe das Erkältungsrisiko.
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„Wenn man lieber warm zu Hause duschen möchte, würde ich auf jeden Fall empfehlen, sich vorher ein trockenes T-Shirt anzuziehen“, sagt Bernhard Junge-Hülsing, der seit 22 Jahren als HNO-Arzt in Starnberg niedergelassen ist. Die Sorge vieler Vereine, kalte Duschen würden das Erkältungsrisiko erhöhen, kann er aber entkräften: „Kurzes, kaltes Duschen senkt eher das Infektrisiko, weil es die Durchblutung fördert. Meine fittesten Patienten sind die, die das ganze Jahr hindurch auch bei vier Grad in den Starnberger See gehen.“
TCG-Chef Sven Gutt: „Wir machen es immer unattraktiver für die Leute“
Sven Gutt, der Vorsitzende des TCG 1874, hält trotzdem weiterhin nichts von den Sparmaßnahmen. Er gibt zu bedenken, dass sein Verein auch in Konkurrenz zu Fitnessstudios stehe. „Ich glaube nicht, dass es bei FitX und Mc Fit kalte Duschen gibt. Wir müssen uns aber damit auseinandersetzen, das klingt richtig fair“, sagt er ironisch und stellt verzweifelt fest: „Wir machen es immer unattraktiver für die Leute, zu einem Verein zu kommen. Wenn die Stadt die Vereine komplett ruinieren möchte, kann sie genauso weitermachen.“
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Die Energiesparmaßnahmen im Gelsenkirchener Sport gelten bereits seit Ende August. Wie viel Energie die Stadt seitdem eingespart ist, ist unklar. „Das werden wir erst im nächsten Jahr bei der Abrechnung sehen“, sagt ein Stadtsprecher auf WAZ-Anfrage. Nicht alle Anlagen seien mit Geräten ausgestattet, die den Energieverbrauch anzeigten. Auf einzelnen Sportanlagen sei es sogar „technisch gar nicht möglich“, die Wassertemperatur zu reduzieren. Das erklärt auch, warum es in manchen Duschräumen noch warmes Wasser gibt. Für die Kritik der Vereine hat der Stadtsprecher Verständnis: „Wir wissen, dass das keine komfortable Situation ist. Aber wir wollen es weiter ermöglichen, die Sportanlagen und -hallen zu nutzen, und dabei so energiesparend wie möglich sein.“