Buer. Die 20-jährige Gelsenkirchenerin Marie Neuhaus und ihr 16-jähriger Wallach Prosecco sind ein unzertrennliches Paar - und ein sehr erfolgreiches.
Es ist der 12. September des vergangenen Jahres, als Marie Neuhaus und Prosecco in Lindlar ohne Fehler in 70,65 Sekunden durch den Parcours gehen und das S*-Springen mit Siegerrunde für sich entscheiden. Spätestens an diesem Tag sind die beiden Gelsenkirchener, die seit 2015 ein unzertrennliches Paar bilden, in der herausragenden Szene des Springreitens angekommen.
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Es ist das Ergebnis einer Beziehung, die einst schwierig begonnen hat. „Ich wollte ihn einfach haben, weil ich ihn so hübsch fand“, sagt Marie Neuhaus über den Wallach. „Aber Mama wollte ihn ums Verrecken nicht kaufen.“ Das hat Mama Ilga dann aber doch getan und ist seitdem eine sehr große Unterstützung für ihre Tochter.
Marie Neuhaus wartet auf einen Ausbildungsplatz bei der Feuerwehr
Dass Prosecco, der eigentlich ein Pferd fürs Dressurviereck sein sollte, jemals so hoch und so weit springen würde wie heute, „hat damals niemand geglaubt“, sagt die 20-Jährige, die für den Ländlichen Reit- und Fahrverein Buer startet und von Theo Stemmann trainiert wird. „Er hat sich unglaublich entwickelt.“ Von der Einsteiger- bis zur schweren Klasse. „Dankbar dafür bin ich Theo“, sagt sie. „Er hat uns damals bei der Pferde-Suche geholfen und auch zu Prosecco gebracht. Dank seiner liebevollen Strenge sind wir so gut geworden.“
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Wir sitzen an diesem Nachmittag im Casino des Reitstalls Stemmann und sehen nebenan ein Pony, das die 30-Jahre-Marke längst geknackt hat und in der Halle gemütlich und zufrieden seine Runden dreht. An der Obererle 42 ist Prosecco zu Hause und irgendwie auch Marie Neuhaus. Sie hat momentan das Glück, dass sie dank der Hilfen ihrer Eltern den ganzen Tag reiten kann und durch Platzierungen mit Prosecco etwas Geld verdient, während sie auf einen Ausbildungsplatz bei der Feuerwehr wartet.
Für April plant Marie Neuhaus mit Prosecco ein S**-Springen
Auf jeden Fall aber wird sie ihren Weg mit Prosecco weitergehen. „Der Traum wäre natürlich, mal bei den Olympischen Spielen zu starten“, sagt Marie Neuhaus. „Aber dafür habe ich nicht die besten Voraussetzungen: nur ein Pferd. Es ist kein günstiges Hobby. Wenn alles gutgeht, möchte ich mal eine Drei-Sterne-S-Springen reiten.“ Also über noch höhere Hindernisse, noch breitere Wassergräben und noch anspruchsvollere Kombinationen.
Dabei spielt allerdings auch der Faktor Zeit eine Rolle. Prosecco, der im April erstmals ein S**-Springen absolvieren soll, ist nämlich schon 16 Jahre alt. „Wäre er sieben, wäre er mit seinen Platzierungen nicht bezahlbar. Im sechsstelligen Bereich“, sagt Marie Neuhaus stolz. „Wenn er gesund bleibt, kann er bis 19, 20 mitgehen.“
Zwei Trainingseinheiten stehen pro Tag auf dem Programm
Und weil Gelsenkirchens beste Springreiterin eben nur dieses eine Pferd hat, muss sie auch ihren Jahres-Turnierplan immer sehr akribisch ausarbeiten: dass Prosecco an einem Wochenende nicht überlastet wird („ich springe meistens nur eine Prüfung, ganz selten zwei“) und auch mal eine Pause bekommt. Zumal er zu Hause in Buer jeden Tag ranmuss: Zwei Trainingseinheiten stehen täglich auf dem Programm. Da kann der Pontifex-Sohn froh sein, dass er sich mal etwas ausruhen darf, wenn Marie Neuhaus Kraft-Einheiten einlegt oder auf die Jogging-Strecke geht.
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Dass Prosecco seine Marie überhaupt hat, gehört eigentlich in die Kategorie der Zufallsprodukte. Pferdesport hat nämlich im Hause der Familie Neuhaus in der Hit-Liste nicht oben gestanden. „Ich habe früher 100 verschiedene Sportarten gemacht“, sagt Marie Neuhaus, deren 22-jährige Schwester Merle gerade ein Stipendium in den USA absolviert. Fußball, wohlgemerkt. „Ich bin auch spät zum Reiten gekommen.“ Durch eine Freundin und eine anschließende Reitbeteiligung, also zu einem Pferd, das einen Reiter sucht: Carlos. 2014 war das. „Dem Pferd und den Besitzern verdanke ich alles“, sagt sie. „Mit dem Gaul haben sie mir alles ermöglicht. Ich war vom Springreiten sofort fasziniert – Dressur fand ich ein bisschen langweilig – und hatte mir zum Ziel gesetzt, irgendwann mal richtig gut zu sein. Und ich habe nicht mehr aufgehört.“
Marie Neuhaus: „Prosecco in jung. Das wäre perfekt“
Erst recht nicht mit Prosecco, ihrem Ein und Alles. „Er ist so’n Pferd, das gerne gearbeitet wird“, sagt Marie Neuhaus. Ein Pferd, das seine Zufriedenheit und sein Gut-geh-Gefühl auch immer durch seinen Blick und dadurch zum Ausdruck bringt, dass es „ganz viel abschnaubt“, erklärt die Reiterin, die nach den vielen gemeinsamen Jahren jede kleinste Bewegung Proseccos einordnen kann und eigentlich immer weiß, wie er empfindet.
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Neben weiteren sportlichen Erfolgen hat Marie Neuhaus noch einen Wunsch, den viele Konkurrentinnen und Konkurrenten, die drei, vier Pferde besitzen, gar nicht nachvollziehen können. Sie hätte gerne ein zweites eigenes Turnierpferd. Der Markt sei allerdings sehr leer, und die Pferde seien sehr teuer, sagt sie. Und wie könnte der Kandidat aussehen? „Ein ganz, ganz junges Pferd. Drei, vier Jahre alt. Das könnte ich dann ausbilden und hätte einen nahtlosen Übergang, wenn Prosecco in Rente geht“, antwortet Marie Neuhaus, die zunächst jedoch abwarten will, wie sich ihre berufliche Zukunft entwickelt, aber auf jeden Fall bei einem Wallach bleiben würde. „Prosecco in jung“, sagt sie. „Das wäre perfekt.“