Buer. Steffi Jones ist nun Co-Trainerin der SSV Buer. Der Landesligist hat in den nächsten Jahren viel vor. Die 47-Jährige möchte ein Teil davon sein.
Sie hat 111 Länderspiele absolviert, ist Europa- und Weltmeisterin geworden: Steffi Jones. Beim DFB leitete die Fußball-Lehrerin die Direktion für Frauen- und Mädchenfußball und wurde 2016 Bundestrainerin. Als die Erfolge ausblieben, wurde sie im März 2018 freigestellt. Im Interview spricht die 47-Jährige über ihre neue Aufgabe als Co-Trainerin in der Landesliga, die großen Pläne der SSV Buer und verpasste Chancen der Ruhrgebietsvereine.
Frau Jones, Sie sind seit dieser Saison Co-Trainerin der SSV Buer. Was hat sie als ehemalige Bundestrainerin dazu bewogen, jetzt bei einem Landesligisten auszuhelfen?
Steffi Jones Martin Möllenbeck, der stellvertretende Abteilungsleiter der SSV-Frauen, ist zusammen mit meiner Frau Geschäftsführer bei 5Minds. Als die SSV vom Abstieg bedroht war und der vorherige Co-Trainer den Klub verlassen hat, hat er gefragt, ob ich vielleicht ein bisschen aushelfen könne. Dass ich dann gleich Co-Trainerin werde, hatte ich so erst mal nicht geplant.
Warum?
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Ich war zunächst zwiegespalten. Natürlich wollte ich die Mannschaft unterstützen. Aber ich wollte nicht, dass es um meine Person geht. Es sollte um das Team gehen, um den Klassenerhalt. Früher bei der Nationalmannschaft hatte ich oft das Gefühl, dass es mehr um Steffi Jones geht als um die Mannschaft. Das wollte ich hier vermeiden.
Die SSV Buer hat einen ambitionierten Plan aufgestellt: In zehn Jahren wollen die Bueranerinnen in der Bundesliga spielen. Welche Rolle nehmen Sie in diesem Konzept ein? Könnte es eine Bundesliga-Trainerin Steffi Jones geben?
Nein. Das nicht. Ich bin jetzt 47, habe in meinem Leben sehr viel Fußball gespielt. Ich liebe den Fußball immer noch, aber es ist auch mal an der Zeit, die Prioritäten etwas anders zu setzen. Ich arbeite Vollzeit im Unternehmen meiner Frau. Und das macht mir viel Spaß. Ich könnte mir aber eine Position als Sportdirektorin bei der SSV vorstellen. Die Aufgaben eines Managers übernimmt Martin Möllenbeck.
Nationalspielerin Lina Magull hat kürzlich geäußert, dass es schade sei, dass der BVB keine Frauenmannschaft habe. Auch Schalke 04 hat keine Frauenmannschaft. Könnten Sie sich vorstellen, dass es irgendwann eine Kooperation zwischen der SSV und Schalke gibt?
Es ist ja nicht so, dass das noch nie thematisiert wurde. Momentan finden in der Bundesliga einige Fusionierungen statt, wie zum Beispiel mit dem FFC Frankfurt und der Eintracht. Es braucht Menschen, die aus Überzeugung mitmachen und sich auch zu den Frauen bekennen und sagen: Ja, wir wollen Bundesliga, wir wollen Champions League spielen. Zunächst müssen wir aber unsere Hausaufgaben machen.
Noch vor zehn, 15 Jahren kamen viele arrivierte Nationalspielerinnen aus Ruhrgebietsvereinen. Inzwischen wechseln talentierte Spielerinnen oft nach München, Wolfsburg oder ins Ausland nach Frankreich oder England. Hat das Ruhrgebiet die Weiterentwicklung im Frauenfußball ein bisschen verschlafen?
Verschlafen will ich nicht sagen. Mit Duisburg und der SGS Essen gab und gibt es ja Bundesligisten. Aber, um 2011, zur Frauen-WM in Deutschland, zählten ja auch Vereine wie Bochum, Bielefeld und auch Leverkusen zu den ambitionierten Bundesligisten. Daraus hätte man ja etwas entwickeln können. Hier im Ruhrgebiet sind die Spielerinnen nach wie vor da, die Talente sind da. Allerdings werden sie nicht so gefördert, wie sie gefördert werden müssten, und sie haben im Ruhrgebiet eben auch nicht genügend Vereine in der Bundesliga, wohin sie wechseln könnten. Wir hier bei der SSV Buer wollen eben so ein Ausbildungsverein mit professionellen Strukturen werden. Eine Anlaufstelle für Talente. Ein Verein, der jungen Spielerinnen eine Perspektive gibt. Junge Spielerinnen sollen sagen: Ich will Nationalspielerin werden, ich wechsel zur SSV Buer.
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Ist es noch immer schwierig, Sponsoren für den Frauenfußball zu finden?
Ja. Ich würde es sogar noch allgemeiner formulieren und sagen, es ist für alle Sportarten schwierig, Sponsoren zu bekommen. Da muss man ein gutes Konzept haben, um lokal, regional und deutschlandweit Unterstützer zu finden. Daran arbeiten wir und legen jetzt richtig los. Klar ist aber auch: Sportlich müssen wir erst einmal in Vorleistung gehen.
Wenn Sie einen Wunsch für die SSV Buer frei hätten, was wäre das?
Es ist naheliegend, dass wir uns da eine Zusammenarbeit mit dem FC Schalke 04 wünschen. In welcher Form auch immer. Denn dort gibt es schon die Strukturen, die sportlichen Konzepte, die Öffentlichkeitsarbeit. Alles, was wir hier erst aufbauen müssen. Es geht gar nicht so sehr ums Geld. Manchmal ist es auch das Know-how, das einen großen Unterschied machen kann. Und vielleicht kommt ja auch die Erkenntnis, dass da ganz schön viel Potenzial in der SSV Buer steckt.
>>> „Wir haben Spielerinnen mit Bundesliga-Potenzial“
Ihre Unterstützung als Co-Trainerin hat ziemlich schnell Früchte getragen. Die Bueranerinnen haben mit sechs Siegen in sieben Spielen doch noch den Abstieg aus der Landesliga verhindert. Wie haben Sie das gemacht?
Als Erstes habe ich dem Team einen Motivationsfilm gezeigt. Ich wollte zeigen, dass vieles möglich ist, wenn man daran glaubt und an einem Strang zieht. Dann haben wir an kleineren Stellschrauben gedreht. Bei der Taktik zum Beispiel. Wer zu viel Gegentore kassiert, muss erst mal an der Abwehr arbeiten, klar. Es war sehr motivierend zu sehen, wie schnell die Mannschaft Fortschritte macht.
Was ist Ihr Ziel für die kommende Saison?
Nach dem Klassenerhalt haben wir einige neue Spielerinnen im Kader. Ziel ist es, einen der ersten drei Plätze in der Landesliga zu erreichen. Ob das realistisch ist, werden wir dann sehen.
Haben Sie denn Spielerinnen im Kader, die das Potenzial besitzen, später Bundesliga zu spielen?
Ja, sowohl in der ersten Damenmannschaft befinden sich Talente, die mit uns gemeinsam die nächsten Schritte gehen können und hoffentlich auch gehen werden. Und auch in den jüngeren Jahrgängen steckt viel Potenzial. Wir möchten Talente fördern und ihnen Perspektiven aufzeigen. Klar ist aber auch: Wir sind kein Verein, der viel Geld ausgeben kann.