Essen. Moskitos Essen müssen nach Lohnsteueraußenprüfung eine sechsstellige Summe nachzahlen. Und das kann noch nicht alles gewesen sein.
Als Thomas Böttcher gemeinsam mit Simone Wettstein im März 2021 erstmals seit einem Jahrzehnt die „schwarze Null“ bei den Moskitos Essen vermeldet, das Duo Verbindlichkeiten in Höhe von knapp 500.000 Euro abgebaut hatte, träumten die Verantwortlichen von einer sorgenfreien Zukunft. Das war es wohl doch jetzt, oder? Nein. Immer wieder holte die chaotische Vergangenheit den Verein in den vergangenen Jahren ein.
Kurz vor Weihnachten berichtete Böttcher im vereinseigenen Moskitos-Magazin von einer Lohnsteueraußenprüfung für die Jahre 2015 bis 2020, die den Geschäftsführer in den vergangenen zwölf Monaten mitunter Tag und Nacht beschäftigt hatte. Mit dem ernüchternden Ergebnis, dass bis Mitte November 2024 eine Nachzahlung in Höhe von fast 150.000 Euro zu leisten war. Weitere Nachzahlungen an die Sozialversicherungsträger und die Verwaltungs-Berufs-Genossenschaft (VBG) sind zu erwarten, die Konsequenzen für die Moskitos sind noch offen.
Moskitos-Geschäftsführer Böttcher: „Bin an meine Grenzen gekommen“
„Ich konnte kaum noch Pausen für mich einlegen, die Belastung war extrem hoch. In diesen Momenten habe ich einfach gemerkt, dass ich tatsächlich an meine Grenzen gekommen bin“, erklärt Böttcher, der den Verein weiterhin ehrenamtlich führt. „Das Thema hat mir viele, viele schlaflose Nächte bereitet.“
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Ursprünglich soll das Finanzamt laut Böttcher fast eine halbe Millionen Euro an Nachzahlungen für die genannten fünf Jahre von den Moskitos gefordert haben. Durch eine tatsächliche Verständigung zwischen Verein und Finanzamt konnte die Summe – glücklicherweise aus Moskitos-Sicht – stark reduziert werden, erklärt der 60-Jährige. Der Verein habe Stadt und Politik stets über den Prozess informiert und auf dem Laufenden gehalten. Fast 150.000 Euro waren zur Deadline Mitte November fällig, durch teilweise vorgezogene Sponsorenzahlungen konnte der Eishockey-Oberligist die Summe stemmen.
„Da verstehen das Finanzamt oder der Sozialversicherungsträger letztlich auch keinen Spaß“, sagt Böttcher. Für den Großteil der Nachzahlungen sollen Off-Ice-Ausrüstung, Nachtzuschläge und Sonntagszuschläge verantwortlich sein, die nicht ordnungsgemäß versteuert worden sein sollen. Was mit Off-Ice-Ausrüstung genau gemeint ist, ist unklar. Weder die Stadt Essen noch die Oberfinanzdirektion NRW und das Justizministerium NRW wollten sich auf Anfrage dieser Redaktion zu der Lohnsteueraußenprüfung bei den Moskitos äußern.
Der Punkt, der Böttcher besonders ärgert: Der Geschäftsführer selbst hat die Versäumnisse zwischen 2015 und 2020 nicht zu verantworten, vorrangig soll es um die Spielzeiten 2017/18, 2018/19 und 2019/20 gehen. Böttcher wurde erst im März 2020 auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zum Vereinsvorsitzenden gewählt.
Moskitos Essen: Thomas Haver spricht über chaotische Zustände
Danach fand aufgrund der Corona-Pandemie in diesem Jahr nach dem Essener Rückzug in die Regionalliga kein Spielbetrieb am Westbahnhof statt. „Da ist in der Vergangenheit viel Unwesen getrieben worden. Es gibt Gremien im Verein – wie zum Beispiel den Aufsichtsrat, den man 2015 etabliert hat – die eine regelmäßige Prüfung und Entlastungen vornehmen müssen“, erklärt Böttcher. Das soll in den ganzen Jahren aber nicht geschehen sein.
Doch wer war damals an der Vereinsspitze verantwortlich? Nach der erneuten Insolvenz wählten die Mitglieder auf einer außerordentlichen Versammlung im Mai 2015 einen neuen Vorstand, es war die letzte MV bis Februar 2020. An der Vorstandsspitze blieb 2015 Torsten Schumacher, zum Schatzmeister wurde Ismail Tekin gewählt. Als Böttcher im März 2020 übernahm, hatte sich das Duo längst aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Ab dem Sommer 2019 waren Thomas Wilken und Thomas Haver kommissarisch im Namen des Vorstands tätig.
Moskitos Essen: Wer war zwischen 2015 und 2020 verantwortlich?
- Mai 2015 bis Sommer 2019 tätig, aber erst im März 2020 abgewählt: Torsten Schumacher (Vorstandsvorsitzender), Peter Kowitz (zweiter Vorsitzender/im März 2017 verstorben), Ismail Tekin (Schatzmeister).
- Sommer 2019 bis Februar 2020 - kommissarischer Vorstand: Thomas Wilken und Thomas Haver, Simone Wettstein stieß im Dezember 2019 dazu.
- ab März 2020 bis heute: Thomas Böttcher (Vorstandsvorsitzender/seit Ausgliederung im Juni 2024 Geschäftsführer), Simone Wettstein (Schatzmeisterin bis März 2023), Thomas Wilken (bis Juni 2020).
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Haver erklärt auf Nachfrage dieser Redaktion: „Dass es im Verein einige Baustellen gab, war zu diesem Zeitpunkt natürlich klar. Was wir dann vorgefunden haben, übertraf allerdings unsere Befürchtungen. Der Verein erschien aus meiner Sicht seit einiger Zeit praktisch ungeführt und finanziell nahezu am Ende.“ Er erläutert: „Dazu kam, dass bis dahin offenbar sehr viele Dinge per Handschlag, Nebenabreden oder durch ähnliche, nicht schriftlich fixierte Vereinbarungen gelaufen sind. Wir haben dann versucht, Ordnung reinzubringen.“
Allerdings sei immer irgendetwas neues dazugekommen, so Haver. „Wir haben also wirklich ein völliges Chaos vorgefunden – sowohl finanziell als auch vertragsrechtlich, inhaltlich und strukturell. Wir haben in der Folge versucht, durch verbindliche Absprachen und seriöse Vereinbarungen mit allen Beteiligten erst einmal eine gewisse Ruhe reinzubringen.“
Moskitos Essen: Schumacher und Tekin verteidigten ihre Handlungen
Eigentlich wollte Haver Anfang Februar 2020 auf der ersten Jahreshauptversammlung seit fast fünf Jahren für den Vorstand kandidieren, zog die Kandidatur aber kurzfristig zurück. Der Grund: Für ihn stand außer Frage, dass der Verein sowohl rechtlich als auch finanziell aufgearbeitet werden musste. „Ich habe die Fortsetzung meiner Arbeit im Verein dann davon abhängig gemacht, dass wir den Weg einer Planinsolvenz beschreiten und die Moskitos neu aufstellen.“ Da sich dafür aber im erweiterten Vorstandsteam und im Aufsichtsrat keine Mehrheit gefunden habe, habe er die Konsequenz gezogen und sich aus allen Gremien zurückgezogen, so Haver.
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Schumacher und Tekin verteidigten ihre Handlungen auf der Versammlung im Februar 2020, gaben aber „Management- und taktische Fehler“ zu. Ex-Präsident Schumacher erklärte zuletzt auf Nachfrage dieser Redaktion, er könne und wolle zu seiner damaligen Amtszeit nichts sagen. Tekin soll abgetaucht sein, von ihm gibt es im Moskitos-Umfeld keine Spur. Auch Wilken wollte sich auf Nachfrage nicht äußern.
In den Aufsichtsrat wählten die Mitglieder 2015 Karl-Heinz Berten, Ralf Kruse, Norbert Meier und Frank Skrube. In den Jahren danach soll es mehrere Wechsel im Aufsichtsrat gegeben haben, die von den Mitgliedern auf einer Versammlung aber nie bestätigt wurden. Seine Kontrollfunktion habe das Gremium in all den Jahren nicht erfüllt, so Böttcher.
Aus dem damaligen Aufsichtsrat Stellung beziehen wollte nur Skrube, der immer noch Mitglied des Gremiums ist: „Der Aufsichtsrat war damals eigentlich gut besetzt mit sehr hochkarätigen Leuten aus Essen. Alle Zahlen, die uns damals vorgelegt worden sind, haben wir als korrekt betrachtet. Wir hatten eine hochkarätige Gesellschaft, die sich um die Buchhaltung gekümmert hat. Von daher gab es nie einen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Zahlen richtig sind.“
Moskitos Essen erwarten nach Lohnsteueraußenprüfung weitere Nachzahlungen
Ein Name sticht heraus: Der damalige Moskitos-Aufsichtsrat Karl-Heinz Berten war damals geschäftsführender Gesellschafter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Märkische Revision in Essen, ist auch heute noch Teil der Geschäftsführung. Die Märkische Revision kümmerte sich damals um die Finanzen, Buchhaltung und Steuern der Moskitos und ist noch heute Sponsor des Vereins.
Berten wollte sich genauso wie die anderen damaligen Aufsichtsratsmitglieder - bis auf Skrube - auf Nachfrage dieser Redaktion nicht äußern. Er verwies auf eine Verschwiegenheitspflicht, die für ihn beruflich und generell für Aufsichtsratsangelegenheiten bestehe.
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Thomas Böttcher sagt: „Der Verein hatte in den ganzen Jahren eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Wenn ich so jemanden an meiner Seite habe, erwarte ich, dass man auf bestimmte Dinge hingewiesen wird. Da müssen sich ganz viele Menschen auf die Fahne schreiben, damals nicht im Sinne des Vereins agiert und funktioniert zu haben. Die Leidtragenden sind letztlich wir, weil das Geld eben irgendwann fehlt.“
Obwohl der Verein die niedrige sechsstellige Summe bereits an das Finanzamt überwiesen hat, können die Moskitos das Thema noch nicht abhaken. In den nächsten Monaten erwarten die „Mücken“ noch Nachzahlungen an die Sozialversicherungsträger und die Verwaltungs-Berufs-Genossenschaft (VBG) – in ähnlicher Höhe. Ausgang? Offen. Die Auswirkungen könne der Verein laut seines Geschäftsführers noch nicht genau einschätzen.
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