Essen. Trainer Siewert verabschiedet sich nach drei Jahren vom Erstliga-Aufsteiger Tusem Essen. Die Zeit war prägend – sportlich, wie persönlich.
Vor fast genau drei Jahren horchte Handball-Deutschland auf. Zweitligist Tusem Essen verpflichtete den erst 23-jährigen Jaron Siewert von den Füchsen Berlin als Trainer, der den Traditionsklub von der Margarethenhöhe vom Fast-Abstieg zum Aufstieg führen sollte. Mit der abgebrochenen Saison 2019/20 endet diese Zeit und der jüngste Cheftrainer des Profihandballs hat tatsächlich diese Kehrtwende geschafft. Im Interview mit dieser Zeitung blickt der mittlerweile 26-Jährige noch einmal auf seine Zeit im Ruhrgebiet zurück, bevor für ihn die neue Herausforderung beim Erstligisten Füchse Berlin beginnt.
Herr Siewert, haben Sie sich in der neuen alten Heimat schon wieder eingelebt?
Siewert: Na ja, also ich wohne jetzt ganz woanders als früher und weil die Stadt so riesig ist, ist es schon etwas ungewohnt. Zumal sich die Füchse ja zum Teil auch verändert haben. Aber es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass die Vorfreude nicht riesig wäre. Es geht schon ein Traum für mich in Erfüllung.
Auch privat starke Verbindungen geknüpft
Sie sind mit dem Tusem aufgestiegen, außerdem ist unter anderem Ihr Sohn in Essen geboren. Was verbinden Sie mit der Stadt?
Ich hatte drei wundervolle Jahre beim Tusem und habe dort die Menschen ins Herz geschlossen. Der Aufstieg ist natürlich ein Erlebnis, das für immer bleiben wird. Aber ich habe auch privat starke Verbindungen geknüpft und schöne Erinnerungen an die Zeit. Ich werde immer wieder gerne zurückkehren, weil ich auch die gesamte Region, das Ruhrgebiet lieben gelernt habe.
Was werden Sie vermissen?
Natürlich die Spieler, aber auch Geschäftsführer Niels Ellwanger, den Sportlichen Leiter Herbert Stauber und meinen Assistenten Michael Hegemann, der für mich persönlich eine ganz zentrale Figur war und ist. Das familiäre Umfeld des Tusem ist toll, aber auch die Füchse sind ähnlich strukturiert, mit ganz engen Verbindungen zu den Menschen im Verein.
Wegen Corona-Krise ein Abschied auf Raten
Wie schwer ist Ihnen der Abschied gefallen?
Die Aufstiegsfeier im Autokino war sicherlich ein sehr emotionaler Moment. Aber es war durch die Corona-Krise auch ein Abschied auf Raten für mich, muss ich ehrlich sagen. Der zog sich über drei Monate hin, war also eine langsame Entwöhnung (schmunzelt).
Sie kamen als sehr junger Trainer. Was haben Sie in dieser Zeit gelernt?
Unterm Strich haben wir alle gelernt zu siegen. Die Mannschaft, aber auch ich. Für mich war aber immer das Allerwichtigste, einen attraktiven Handball zu spielen, mit diesem Vorhaben bin ich damals gekommen. Und ich denke, dass wir eine tolle Siegermentalität entwickelt haben.
Der Tusem war Ihre erste Profi-Station als Trainer. Sie kamen, kurz nachdem der Verein fast in die dritte Liga abgestiegen war. Haben Sie je Druck empfunden?
Druck ist ein nettes Wort (schmunzelt). Natürlich wird der Druck von außen herangetragen. Aber wir haben uns als Mannschaft auch selbst Druck gemacht. Alle waren extrem ehrgeizig und wollten viel erreichen. Ich denke, dass wir diesem Druck letztendlich auch standgehalten haben.
Hohe Erwartungen nicht einfach nur abgeprallt
Ihr Start war mit einem Sieg aus zehn Spielen damals eher holprig. Haben Sie damals gezweifelt?
Es ist natürlich nicht einfach an mir abgeprallt. Das hatten wir uns auch anders vorgestellt. Aber ich habe immer das Vertrauen gespürt und gemerkt, dass die Mannschaft wollte. Das haben wir dann zum Glück auch zeitnah umgesetzt, auch wenn es für mich ein schmerzhaftes Lernen war (lacht).
Was bleibt Ihnen, neben dem Aufstieg, in Erinnerung?
Spiele wie gegen Gummersbach in der ausverkauften Halle „Am Hallo“. Wenn 2500 Fans deine Mannschaft nach vorne peitschen, dann ist das sehr schön. Davon hatten wir viele Spiele.
Wie schätzen Sie die Chancen des Tusem in der 1. Liga ein? Viele handeln ihn als klaren Abstiegskandidaten…
Natürlich wird es extrem schwer, so vermessen ist niemand, das Gegenteil zu behaupten. Dennoch gibt es in der Liga 20 Mannschaften, die nach der Corona-Pause erstmal bei Null anfangen und aus den Startlöchern kommen müssen. Der Tusem ist enorm fit und hat dazu immer eine professionelle Einstellung. Das kann ein Faustpfand sein, genauso wie die Tatsache, dass man ein eingespieltes Team hat. Der Tusem kann im Kampf um den Klassenerhalt eine entscheidende Rolle einnehmen.
In Berlin um die Tabellenspitze mitkämpfen
Nun beginnt für Sie ein neues Kapitel. Wie groß ist die Herausforderung bei den Füchsen Berlin?
Jede Aufgabe bringt neue Herausforderungen mit sich. Ich habe dort sicher nicht angeheuert, um im Mittelmaß herumzudümpeln. Wir wollen um die Spitze kämpfen. Das ist eine riesige Aufgabe, die ich aber sehr optimistisch angehe.
Wie sind die ersten Eindrücke Ihrer neuen Mannschaft?
Ich konnte natürlich nur Eindrücke aus den letzten Spielen gewinnen, mehr lässt Corona aktuell nicht zu. Aber klar ist, dass die Mannschaft sehr viel Qualität hat, auch individuell. Aber zudem auch noch eine ganze Menge Potenzial, das ich gerne fördern möchte.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Für genaue Ziele ist es noch zu früh, dafür muss erst der Trainingsalltag kommen. Dann werden wir unsere Ziele intern besprechen, denn sie müssen von innen kommen, um dafür auch brennen zu können.
Worauf freuen Sie sich in der Saison am meisten? Außer auf die Duelle mit dem Tusem natürlich…
(lacht) Auf die tägliche Arbeit natürlich, die Erlebnisse in der Halle – dafür macht man diesen Sport. Wir wollen als eingeschworene Truppe auch vor den härtesten Kulissen bestehen. Und, ich bin ganz ehrlich, der Tusem gehört auch dazu.