Der Handball-Zweitligist Tusem Essen überrascht mit einer mutigen Trainerentscheidung. Auch auf der Bank ist künftig Jugendstil angesagt.
Das Adrenalin ist weniger geworden und der Angstschweiß ist getrocknet. Nach dem dramatischen Abstiegsfinale in Saarlouis mit dem glücklichen Ende für Tusem Essen planen die Verantwortlichen nun für die kommende Saison in der 2. Handball-Bundesliga – und die erste wichtige Entscheidung ist gefallen: Jaron Siewert wird der neue Cheftrainer.
Dass der Tusem nach der Freistellung von Urgestein Stephan Krebietke eine externe Lösung auf der Trainerbank anstreben wollte, war bereits klar. Doch mit einem 23-Jährigen aus Berlin hatten wohl die Wenigsten gerechnet. „Wir wollten uns verändern“, sagt Geschäftsführer Niels Ellwanger, der bewusst Ausschau nach einem Trainertalent gehalten hat. Der gebürtige Essener Bob Hanning, Geschäftsführer beim Erstligisten Füchse Berlin, gab ihm dann eine Empfehlung. So kam der Kontakt mit Jaron Siewert zustande und der wurde über die vergangenen Monate ausgebaut. „Bob und ich stehen natürlich öfter mal im Austausch, und er hat uns ja schon mal einen guten Trainer empfohlen“, erinnert sich Ellwanger an Christian Prokop, der den Tusem in der Bundesliga trainierte und mittlerweile Chefcoach der Nationalmannschaft ist. Das erwarte er von seinem neuen Trainer zwar nicht, doch Ellwanger hat auch an den Neuen Ansprüche: „Ich erwarte natürlich in allen Bereichen 100 Prozent Engagement, Mut, Vertrauen, Loyalität und Leidenschaft für den Verein.“
Ellwanger findet die Entscheidung mutig, aber keinesfalls riskant
Auf einen so jungen Trainer zu setzen, sei zwar mutig, aber keinesfalls riskant. Auch Siewert selbst macht sich nicht allzu viele Gedanken über sein Alter: „Ob man 23 oder 65 ist: Beides hat Vor- und Nachteile. Was zählt sind Persönlichkeit und Fachwissen. Ich möchte jeden einzelnen Spieler besser machen, damit die Mannschaft sich insgesamt weiterentwickelt. Da spielt das Alter für mich keine Rolle.“ Dass der gebürtige Berliner über Fachwissen verfügt, ist offensichtlich: Er ist der jüngste A-Lizenz-Inhaber und nun auch der jüngste Profi-Trainer der Bundesliga-Geschichte.
Der Tusem bleibt damit seiner Linie treu und setzt nicht nur bei den Spielern, sondern nun auch beim Trainer auf die Jugend. Siewert möchte in Essen den nächsten Schritt auf der Karriereleiter machen und den Tusem wieder auf sichere Tabellenplätze steuern. Dafür verlässt er sogar seine Heimat. „Als Berliner Junge ist es erstmal nicht so einfach wegzugehen. Aber die Entscheidung fiel mir dann doch nicht schwer, weil ich mich auf die Aufgabe sehr freue und es mal nötig ist, ein anderes Umfeld kennenzulernen.“
Ein Arbeiterverein mit ambitionierter Jugendarbeit
Von Essen kannte er im Vorfeld nicht viel, doch der Tusem ist dem BWL-Studenten natürlich ein Begriff. „Das ist ein großer Name im deutschen Handball, vor allem durch die erfolgreiche Vergangenheit. Ich denke an einen Arbeiterverein mit einer ambitionierten Jugendarbeit. Außerdem habe ich von vielen Seiten gehört, dass die Fankultur eine ganz besondere ist. Darauf freue ich mich und jetzt bin ich hier, um mit der Mannschaft Erfolge zu feiern“, sagt Jaron Siewert.
Vielleicht ist dabei ja sein Vorname ein gutes Omen. Denn „Jaron“ kommt aus dem Hebräischen und bedeutet so viel wie: „Er wird glücklich sein“ und „singen, jubeln, vor Freude schreien“.