Essen. Essener Zweitligist ist nach Saisonabbruch am Ziel seiner Träume. Aufstieg ist verdienter Lohn einer kontinuierlichen Entwicklung der Talente.
Tusem Essen kann jubeln und die Korken knallen lassen, die Handballer von der Margarethenhöhe sind in die 1. Bundesliga aufgestiegen. Die Ligaversammlung der Handball Bundesliga (HBL), zu der die 36 Vertreter aus 1. und 2. Liga gehören, hat dem Antrag des Präsidiums mit überwältigender Mehrheit zugestimmt, die Saison abzubrechen und mit der Quotienten-Reglung zu werten. Das bedeutet, die Abschlusstabelle wird ermittelt, indem die Zahl der Punkte durch die Zahl der Spiele dividiert wird. Demnach ist der Tusem Tabellenzweiter hinter HSC Coburg und kehrt in die Beletage des deutschen Handballs zurück. „Für mich ist das gerade noch nicht greifbar, aber auf jeden Fall wunderbar“, freute sich Tusem-Keeper Sebastian Bliß.
Diese Entscheidung der Ligaversammlung hatte sich angedeutet, denn zu ungewiss ist die Zukunft. Wann kann überhaupt wieder aufgrund der Corona-Krise gespielt werden? Der Saisonstart bei den Profi-Handballern ist für Anfang September vorgesehen, bis Ende August werden Großveranstaltungen noch verboten sein. Aber zumindest wissen die Essener jetzt, für welche Liga sie planen müssen.
Aufstieg kommt für die Essener nicht überraschend
Der Tusem wird von diesem Erfolg nicht etwa überrumpelt. Man hatte es zwar zu Saisonstart nicht in die Welt hinausposaunt, aber dennoch war das Ziel klar formuliert: Man wollte im Aufstiegskampf mitmischen. „Und wir haben uns das jetzt sportlich absolut verdient“, wehrt sich Sportlicher Leiter Herbert Stauber vorsichtshalber gegen mögliche Einwände, dass die Mannschaft es doch nur am Grünen Tisch geschafft habe. „Das fände ich sehr unfair und auch nicht angemessen.“
Vereinsbrille hin oder her, Stauber liefert auch handfeste Argumente. Rund drei Viertel der Saison seien schließlich absolviert worden. „Wir sind Tabellenzweiter, haben den direkten Vergleich mit den Verfolgern Bietigheim und Gummersbach gewonnen und darüber hinaus auch die beste Tordifferenz.“ Und über die gesamt Spielzeit gesehen, habe der Tusem abgesehen von einem Tief Ende 2019 die meiste Zeit auf einem Aufstiegsplatz gestanden. „Wir sind jetzt auch selbstbewusst genug, um zu sagen: Hätten wir die Saison zu Ende gespielt, wären wir auch aufgestiegen.“
Auf die eigene Nachwuchsarbeit vertrauen
In der Tat haben sich die Essener in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt, der Erfolg ist das Ergebnis einer kontinuierlichen Aufbauarbeit, für die nur ein relativ bescheidenes Budget zur Verfügung stand. Der Tusem vertraute seiner Nachwuchsarbeit, setzte auf eigene Kräfte, die peu à peu zu Leistungsträgern reiften. Im Aufstiegskader stehen immerhin acht Spieler aus den eigenen Reihen.
Den Aufstieg absolut verdient
Niels Ellwanger (Geschäftsführer): „Wir freuen uns sehr darüber, die Jungs haben sich den Aufstieg absolut verdient. Sie haben in der ganzen Saison Willen, Kampf, Teamgeist und Können bewiesen. Wir haben an den meisten Spieltagen auf einem Aufstiegsplatz gestanden und sind nicht einfach dorthin gerutscht. Ich bin stolz auf Mannschaft und Trainer. .Jaron hat einen riesigen Anteil daran, gemeinsam mit Michael Hegemann hat er die Mannschaft herausragend entwickelt. Wir werden uns jetzt mit dem neuen Trainer Jamal Naji und Michael kurzfristig treffen und planen. Angedacht ist, dass die Saison am 1. September startet. Falls nicht, dann gibt es alternative Szenarien.
Sebastian Bliß (Torwart): „Wir hatten eine Telefon-Konferenz mit allen Spielern und es haben sich natürlich alle gefreut. Schon den letzten Aufstieg 2012 haben wir auf der Couch erlebt, daher wissen wir wie sich das anfühlt. Aber wir hätten natürlich auch alles dafür gegeben es sportlich zu schaffen. Wir können sehr stolz auf uns sein, denn wir haben viele ambitionierte Mannschaften hinter uns gelassen. In der 1. Liga werden unsere Spiele bei Sky live im Fernsehen übertragen, dann muss ich mir die Haare zurechtmachen (lacht).
Jonas Ellwanger (Kapitän): Letztendlich ist es keine Überraschung für uns, es hat sich ja schon angedeutet. Und es dauert bei mir noch ein bisschen, bis ich das realisiert habe. Aber es ist natürlich super cool, auch wenn es schade ist, dass wir es nicht sportlich beweisen konnten. Dieses klassische Aufstiegsgefühl wird uns zwar genommen, aber es war die einzig richtige Entscheidung die Saison abzubrechen. Und ich finde, dass wir den Aufstieg verdient haben. Dass ich von der Jugend an über die 2. Liga als Kapitän jetzt in die 1. Liga aufsteigen darf, fühlt sich irgendwie wie die Krönung an und ist echt cool. Jetzt wollen wir die Zeit in der 1. Liga genießen, für Furore und die eine oder andere Überraschung sorgen.
Jaron Siewert (Trainer): Das ist natürlich kein Vergleich zu einem Aufstieg in der Halle mit den ganzen Fans und der Mannschaft. Das fühlt sich jetzt gerade erstmal etwas kurios an, aber es ist natürlich auch ein schönes Zeichen der Anerkennung. Die Zeit hier in Essen ist dadurch für mich persönlich zu einem sehr schönen Ende gekommen. Dennoch hätte es mich mehr gefreut, wenn wir es sportlich über die 34 Spieltage geschafft hätten und am Ende das richtige Aufstiegsgefühl zu haben. Aber wir haben wirklich eine sehr, sehr geile Saison gespielt und gehen zurecht hoch. Insgeheim war es natürlich auch der Wunsch, dass es in der neuen Saison zum Aufeinandertreffen zwischen den Füchsen Berlin und dem Tusem kommt.
Trainer Jaron Siewert (26) hat einen entscheidenden Anteil am Aufschwung. In der Saison 2016/17 wäre der Tusem beinahe abgestiegen. Erst am letzten Spieltag schafften die Essener damals den Klassenerhalt, lediglich die bessere Tordifferenz gegenüber SG Leuterhausen brachte die Rettung. Der Tusem traute sich was, verpflichtete in Siewert den jüngsten Zweitliga-Trainer aller Zeiten. Der wiederum wird nun zum Erstligisten Füchse Berlin wechseln und dort der jüngste Erstliga-Trainer aller Zeiten sein. Seine Bilanz in Essen kann sich nach drei Spielzeiten sehen lassen: Platz neun, Platz sechs und nun der Aufstieg.
Trainer Siewert will den Erfolg noch gemeinsam mit dem Team begießen
Den hätte der Tusem natürlich auch lieber auf dem Spielfeld klargemacht. „Das ist dann emotional schon etwas anderes“, räumt Herbert Stauber ein. Die Fete mit den Fans, die rauschende Aufstiegsparty, all das fällt aus. Und wer schon einmal einen solchen Triumph ausgelassen gefeiert hat, weiß, was den Jungs da entgeht. Aber Trainer Jaron Siewert hätte da schon so eine Idee: „Ich würde mich freuen, noch einmal mit der ganzen Mannschaft zusammenzukommen und in kleinem Rahmen diese drei Jahre Revue passieren zu lassen und zu begießen. Denn das ist ein geiles Ereignis.“