Essen/Bottrop/Gladbeck. Schwimmerin Kathrin Demler hat ein starkes Jahr hinter sich und Ziele für 2022. Im Interview verrät sie, warum sie im Becken jetzt schneller ist.
Kathrin Demler (25) hat in den USA studiert, dort die Freude am Schwimmen wieder entdeckt.
2021 gewann sie zwei deutsche Meistertitel und stand im EM-Finale. Ein wichtiger Baustein für den Erfolg: ihre mentale Stärke. Darüber und über ihre Ziele für 2022 hat sie im Interview gesprochen.
Hallo Frau Demler. Was sofort auffällt: Seit unserem letzten Interview hat sich Ihre Haarfarbe verändert. Sie tragen jetzt Rot. Wie kam es dazu?
Kathrin Demler (lacht): Da habe ich zum ersten Mal wirklich das gemacht, was mir gefällt. Es war mir egal, was andere dazu sagen. Das war für mich ein wichtiger Schritt. Wir vergessen manchmal, dass wir Dinge vor allem für uns machen. Ich bin da mit meinem eigenen Flow gegangen.
Bei Ihnen hat sich aber nicht nur die Haarfarbe geändert. Seit knapp einem Jahr wohnen Sie nun auch in Essen. Haben Sie sich gut eingelebt?
Ich bin super zufrieden, lebe in einer schönen, ruhigen Ecke und habe mittlerweile einen Kater. Die Beziehung zu meiner Trainerin Nicole Endruschat ist super. Ich muss mich manchmal aber noch daran gewöhnen, nach dem Training beispielsweise meine nassen Sachen zum Trocknen aufzuhängen. Die Wohnung ist ein Teil von mir und da versuche ich es so zu sehen, dass ich die Wohnung nicht aufräumen muss, sondern darf. Als ich am vergangenen Wochenende frei hatte, habe ich die Zeit dafür genutzt.
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Also alles eine Sache der Perspektive?
Ja, absolut. Und am Ende freue ich mich und fühle mich auch viel wohler, wenn es aufgeräumt ist.
Überhaupt reflektieren Sie sehr viel, setzen sich mit sich selbst auseinander und arbeiten auch mit einem Sportpsychologen zusammen. Wie ist es dazu gekommen?
Gerade in Amerika gibt es ein sehr breites Angebot, es wird viel über mentale Gesundheit gesprochen. Und ich habe festgestellt, dass mir das sehr hilft.
Wie kann man sich diese Zusammenarbeit vorstellen?
Dabei geht es um verschiedene Dinge. Beispielsweise darum, wie man seine Nerven vor einem Wettkampf im Griff hat, aber auch um Dinge, die man von zu Hause mitbringt oder irgendwelche Zweifel, die man hat. In erster Linie geht es ja darum, den Kopf frei zu bekommen und dafür zu sorgen, dass man nicht von externen Faktoren beeinflusst wird. Es tut gut, mit jemandem über solche Dinge zu sprechen.
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Wie oft nehmen Sie einen Sportpsychologen in Anspruch?
Regelmäßig. Manchmal einmal pro Woche, manchmal alle zwei Wochen. Und jede Sitzung bringt mich weiter. Es ist sehr schade, dass es so stigmatisiert wird, wenn man sich diese Hilfe holt. Am Ende geht es doch vor allem darum, die beste Version von sich selbst zu sein.
„Es muss klar sein, dass mit einem nichts falsch ist, nur weil man zu einem Psychologen geht“
Helfen Ihnen diese Gespräche auch abseits des Beckens?
Auf jeden Fall. Es geht ja auch darum, die eigenen Emotionen zu bewältigen und einen besseren Umgang mit seinen Mitmenschen zu pflegen. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass ich dadurch viel positiver geworden bin und mehr Lebensfreude habe.
Haben Sie auch vor ihrem Aufenthalt in den USA schon darüber nachgedacht? Gab es entsprechende Angebot in Deutschland?
Die deutsche Sporthilfe bietet so etwas an, in Amerika wird mit dem Thema aber viel offener umgegangen. Es muss klar sein, dass mit einem nichts falsch ist, nur weil man zu einem Psychologen geht.
Wie wichtig eine gute mentale Verfassung im Becken ist, haben Sie im vergangenen Jahr gezeigt. Persönliche Bestzeiten, deutsche Meistertitel, EM-Finale und ein zweiter Platz bei der International Swimming League (ISL). Sind Sie zufrieden mit 2021?
Die EM im vergangenen Jahr war ein Traum. Es war meine erste internationale offene Meisterschaft, die harte Arbeit hat sich ausgezahlt. Auch die ISL war eine super Erfahrung, aus der ich viel mitnehme.
Dort sind Sie zum zweiten Mal dabei gewesen, haben mit Cali Condors den zweiten Platz belegt.
Genau. Leider sind wir im Finale in einem Lauf disqualifiziert worden. Das war eine harte Entscheidung, diese Punkte haben uns am Ende gefehlt.
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Wie lief es für Sie persönlich?
Zu Beginn der ISL gar nicht gut. Aber die Trainer haben mir vertraut und mir immer wieder die Chance gegeben. Letztlich hatte ich in jedem Wettkampf meine Einsätze und bin auch im Finale geschwommen. Ich nehme viele gute Erfahrungen mit.
Und auch hier ging es nicht nur um das Sportliche, oder?
Unser Motto im Team war „Happy swimmers are fast swimmers. Wer erfolgreich sein will, legt auch sehr viel Wert darauf, glücklich zu sein. Und weiß vor allem, worauf er den Fokus legen muss.
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Worauf legen Sie den Fokus?
Vor allem auf mich. Der größte Fehler, den man machen kann, ist es, sich nur mit anderen zu vergleichen. Ich kann nur meine eigene Leistung beeinflussen und das Beste aus mir herausholen. Ich spüre eine große Dankbarkeit gegenüber dem Sport und mache es, weil es mir Spaß macht. Ich habe einfach Lust, Rennen zu schwimmen.
Wie gehen Sie mit Rückschlägen um?
Es wird immer mal schlechte Rennen geben, aber darüber definiere ich mich nicht. Ich ziehe daraus die Motivation zu zeigen, dass ich es besser kann. Jeder Sieger hat vorher viele Niederlage eingesteckt. Es zeigt, woran man arbeiten muss.
„Die Europameisterschaft in Rom ist das große Ziel“
Worauf arbeiten Sie in diesem Jahr hin?
Dadurch, dass die Weltmeisterschaften abgesagt wurden, ist die Europameisterschaft in Rom das große Ziel. In neun Wochen beginnen die Qualifikationswettkämpfe. Im vergangenen Jahr war ich im Finale, vielleicht gelingt es mir, dass ich mich diesmal weiter vorne platziere. Außerdem möchte ich bei den Deutschen Meisterschaften gut abschneiden und vielleicht nehme ich an der Universiade in Chengdu (China) teil. Und möglicherweise auch wieder an der ISL.
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Das erste Trainingslager für die Saisonvorbereitung auf Lanzarote haben Sie bereits hinter sich, zuletzt ein paar Tage frei gehabt. Können Schwimmerinnen überhaupt ausschlafen?
Auf jeden Fall. Diese innere Uhr, dass ich um 6 Uhr wach werde, um um 7.15 Uhr in der Halle zu sein, habe ich nicht. Wenn ich frei habe, kann ich auch bis 11 Uhr schlafen.
Und träumen dabei von den Olympischen Spielen 2024?
So lange habe ich auf jeden Fall vor, weiter zu machen. Es sind ja noch knapp zweieinhalb Jahre bis zur Qualifikation. Das ist eine gute Zeit.