Bottrop. Die verpasste Olympia-Qualifikation setzte Kathrin Demler zu. Doch die Bottroperin tankte in den letzten Wochen viel Energie für neue Aufgaben.
Noch vor wenigen Wochen spielte sie mit dem Gedanken, ihre Schwimm-Laufbahn zu beenden. Am Montag präsentierte die neue Deutsche Meisterin über 200 Meter Lagen und 200 Meter Schmetterling dann aber freudestrahlend ihre in Berlin erkämpften Medaillen: Einer ihrer ersten Pflichtbesuche führte Kathrin Demler an den Ort, wo alles begann, zu ihrem Heimatverein SVg. Bottrop 1924.
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„Ich habe hier so viel gelernt, so viele tolle Menschen getroffen“, sagt Kathrin Demler und ergänzt: „Die Verbundenheit zu diesem Klub ist immer noch da, ich bin sehr dankbar und komme immer wieder gerne hierhin zurück.“ Die 24-Jährige holte am Wochenende bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin zwei Titel und eine Silbermedaille. Sie fasste darüber hinaus einen Entschluss, den sie zuvor noch für unwahrscheinlich gehalten hatte und den sie am Montag natürlich auch ihrem ehemaligen Bottroper Trainerteam mitteilte: „Ich werde noch nicht aufhören, ich möchte bis 2024 weitermachen.“
Das Ziel von Kathrin Demler war Olympia in Tokio
Ausschlaggebend für den Sinneswandel waren unter anderem die Europameisterschaften vor wenigen Wochen und die deutschen Titelkämpfe in Berlin. Zwei Wettbewerbe, denen Demler einen hohen Stellenwert einräumt, die Bottroperin sagt aber auch: „Ziel in dieser Saison war die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio. Da wollte ich unbedingt hin, für dieses Ziel habe ich jeden Tag gearbeitet.“
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Und dieses Ziel verpasste Kathrin Demler im April nur knapp. Beim Qualifikations-Wettkampf in Berlin standen am Ende nur 22 Hundertstel zwischen ihr und dem Ticket für Tokio. Die Enttäuschung war groß, aber die kommenden Wochen sollten die Bottroperin entschädigen: die Premiere in der deutschen Nationalmannschaft, die erste Europameisterschaft und schließlich die beiden Titelgewinne bei den Deutschen Meisterschaften.
Demler, die nach abgeschlossenem Studium in den USA erst seit dieser Saison wieder am Bundesstützpunkt in Essen trainiert, zeigt sich selbst ein wenig überrascht von der positiven Wendung: „Rückblickend war das vielleicht die beste Saison, die ich jemals geschwommen bin.“ Ihr aktuelles Leistungshoch erklärt die für die SG Essen startende Schwimmerin mit einer wiederentdeckten Leichtigkeit.
Platz sieben bei der Europameisterschaft in Budapest
„An der Uni in den USA haben sie zu mir gesagt: do it for the 12 year old behind the block. Für mich persönlich habe ich daraus den Schluss gezogen, dass ich mich nicht über die Erfolge definiere. Ich will alles geben, aber ich will auch immer ein positiver und freundlicher Mensch sein.“ Den nicht selten lähmenden Leistungsdruck abzuschütteln, dabei half ihr zuletzt auch die deutsche Nationalmannschaft. „Die ganze Unterstützung und die positive Energie, die mir das Team bringt, das ist wirklich unglaublich“, erklärte sie nach ihrer erfolgreichen EM-Teilnahme. In Budapest hatte sich Kathrin Demler im Mai einen siebten Platz über 200 Meter Schmetterling geholt und auf dem Weg ins Finale eine neue Bestzeit aufgestellt. In ihrem Rekordbuch stehen jetzt 2:09.59 Minuten.
Keine speziellen Ziele hatte sich Demler für die Deutschen Meisterschaften in Berlin gesteckt: „Ich wollte nach der EM noch einmal zeigen was ich kann. Klar wollte ich vorne mitmischen, aber ich hatte eigentlich keine großen Erwartungen.“ Der letzte Einzel-Titel bei einer DM lag schon acht Jahre zurück.
Dass jetzt nach dieser langen Durststrecke die Erfolge zwei und drei hinzukamen, lässt die Bottroperin zufrieden strahlen. Demler: „Die Freude war natürlich riesengroß. Und ich bin froh, dass ich nicht aufgegeben habe. Ich habe die Meisterschaften sehr genossen.“ Rückenwind bekam Demler auch dort von ihren Teamkollegen: „Ich habe die Unterstützung von außen deutlich gespürt. So viele Menschen haben sich mit mir gefreut. Ich könnte nicht Ich sein ohne diese Unterstützung.“
Als sich Demler am Sonntag in den Zug zurück ins Ruhrgebiet setzte, war von der Enttäuschung, Olympia um einen Wimpernschlag verpasst zu haben, nicht mehr viel übrig: „Es ist schon paradox, dass man sich selbst immer so viel Druck macht und darüber hinaus ganz den Spaß vergisst. Ich habe mir das noch einmal vor Augen geführt und bin glücklich, dass ich das Schwimmen wieder als meine Leidenschaft wahrnehme. Das will ich jetzt noch nicht aufgeben.“
Der Weg führt jetzt zu Polizei oder Bundeswehr
Auch außerhalb des Beckens läuft es für Kathrin Demler momentan richtig gut. Die Bottroperin hat erst vor wenigen Wochen erfolgreich ihr Psychologie- und Kommunikations-Studium an der Ohio State University in Columbus abgeschlossen. Wohin jetzt ihr beruflicher Weg führt, ist noch nicht ganz klar. Demler hat sich bei der Bundeswehr und der Polizei beworben. „Ich muss jetzt entscheiden, welche Aufgabe mich mehr reizt“, sagt sie.
Die 24-Jährige hat vor wenigen Wochen ihre sieben Sachen gepackt und richtet gerade ihre neue Wohnung in direkter Nähe zum Bundesstützpunkt in Essen ein. Die Verbundenheit zu ihrer Heimatstadt wird davon unberührt bleiben: „Ich habe dort so viele Freunde, ich werde immer wiederkommen“.
Große Überraschung am Montag für die Talente der SVg. Bottrop
Die Kids der SVg. Bottrop hatten sich auf Spaß eingestellt, als sich für sie am Montag erstmals nach langer Coronapause wieder die Tore des Hallenbades öffneten. Doch damit hatten auch sie nicht gerechnet: Kathrin Demler verfolgte das erste Training am Beckenrand. Die frisch gebackene Deutsche Meisterin über 200 Meter Schmetterling und 200 Meter Lagen hatte zu ihrem Besuch sogar ihr Wettkampfshirt mitgebracht, in dem sie vor 14 Jahren letztmals die Farben des Vereins vertrat.
Es ist viel Zeit vergangen, aber „das Shirt passt immer noch“, stellte Gritta Lewandowski fest. Lewandowski gehörte mit ihrem Ehemann Marc zu den ersten Menschen, die auf das außergewöhnliche Talent von Kathrin Demler aufmerksam wurden. Besser gesagt: Gemacht wurden. Denn: „Kathy schwamm damals in unserer Anfängergruppe. Sie hat uns durch ihre Mutter wissen lassen, dass sie unbedingt einmal an einem Wettkampf teilnehmen wollte. Ihr Talent war bis dahin noch niemandem aufgefallen“, erinnert sich Marc Lewandowski.
Demler wächst innerhalb von drei Jahren aus ihrem Heimatverein heraus
Drei Jahre benötigte Demler, um aus dem Klub herauszuwachsen. Als sie sich 2007 für den NRW-Nachwuchskader qualifizierte, war klar, dass ihr Weg zum Bundesstützpunkt und zur SG Essen führen würde. „Wenn ein solches Talent vor dir steht, gibt es keine Alternative“, sagt Marc Lewandowski.
Die Kontakte der Ausnahme-Schwimmerin zu ihrem Heimatverein sind in den letzten 14 Jahren aber nie abgerissen. Bei der SVg. verfolgt man immer noch gespannt jeden Wettkampf. „Ich habe alle Streams geschaut, die es gab. Bei der Olympia-Quali, der EM und auch bei der Deutschen Meisterschaft“, sagt Jil Lewandowski, die ihren Vater Marc mittlerweile als Trainer der ersten Wettkampf-Mannschaft abgelöst hat. Für Demler selbst war es nur logisch, dass ihr erster Gang nach den beiden Titelgewinnen in das Bottroper Hallenbad führen würde.
Ein beherzter Griff in die Süßigkeiten-Kiste
Dort musste sie am Montag Badekappen und Schwimmbretter der Nachwuchsschwimmer signieren. Ihre offiziellen Autogrammkarten hatte sie nicht mitgebracht. „Das kam ihr komisch vor“, sagt Gritta Lewandowski. Demler reagierte auf den Wunsch vieler Kids sympathisch irritiert: „Ich bin doch eine von euch!“
Demler erinnerte sich am Montag auch an eine lange Tradition bei der SVg. Bottrop. Nach dem Training griff sie wie alle anderen Schwimmer auch in die Süßigkeiten-Box und fischte sich einen Gummiwurm heraus: „Hier ist alles beim Alten. Wie schön!“
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