Essen. Das Präsidium der Handball-Bundesliga will die Saison vorzeitig beenden. Tusem Essen wäre dank einer Quotienten-Reglung damit am Ziel.
Eine Entscheidung über den Saisonverlauf in der 1. und 2. Handball-Bundesliga steht offenbar bevor. Und es könnte gut sein, dass sie in Kürze auf der Margarethenhöhe jubeln werden, wenn auch verhalten ohne Schampus, denn ausgelassene Partys verbieten sich im Moment und wären auch sportlich nicht angebracht. Aber einiges deutet darauf hin, dass die Saison abgebrochen und Tusem Essen, Tabellenzweiter der 2. Liga, in die Beletage aufsteigen wird.
Das Präsidium der HBL, dem auch Tusem-Geschäftsführer Niels Ellwanger angehört, hat sich in einer Telefonkonferenz entschieden, per Umlaufbeschlussverfahren - einem Wahlzettel gleich - Fakten zu schaffen. Die Liga-Versammlung (alle 36 Vereine der 1. und 2. Liga) stimmt nun über die Anträge ab: - Die Saison 2019/20 wird abgebrochen. - Es wird keine Absteiger geben. - Die Quotienten-Regelung aus Punkten und Zahl der absolvierten Spiele bestimmt den Meister und die Aufsteiger aus der 2. Liga. - Die Aufstiegsregelung der 3. Liga wird angepasst (siehe Zweittext).
Verhaltene Freude auf der Margarethenhöhe
Nach der Quotienten-Reglung spielten Zweitliga-Spitzenreiter HSC Coburg und Tusem Essen künftig erstklassig. „Wir würden uns natürlich darüber freuen, auch wenn wir es nicht sportlich auf dem Spielfeld geschafft hätten“, sagt Ellwanger. „Vor allem freut es mich auch, dass wir es mit unseren Jungs geschafft haben. Immerhin stammen acht Spieler im Kader aus unseren eigenen Reihen.“ Die Erstliga-Lizenz haben die Essener jedenfalls schon erhalten.
Bundesligen würden aufgestockt
Sollten die Vereine und das Präsidium der Handball-Bundesliga (HBL) mit einer Dreiviertel-Mehrheit für die Quotienten-Regelung stimmen, würden sich die ersten beiden Ligen vergrößern. Aus der 1. Bundesliga stiege keine Mannschaft ab, würde aber mit zwei Aufsteigern aufgestockt werden. In diesem Fall mit HSC Coburg und Tusem Essen.
In der 2. Liga gäbe es einen Absteiger, aber nur, weil die HSG Krefeld keine Lizenz erhalten hat. Aus der 3. Liga würden, nicht wie sonst, drei Mannschaften aufsteigen, sondern in diesem Fall vier. Somit würden in der kommenden Saison in der 2. Bundesliga nicht 18, sondern 19 Mannschaften spielen. Ob dieses Szenario in Kraft tritt, entscheiden die Vereine und das Präsidium der HBL per Umlaufbeschlussverfahren. Die Stimmen der Zweitligisten werden jeweils einfach gewertet, die der Erstligisten und der Präsidiumsmitglieder doppelt. Tusem-Geschäftsführer Niels Ellwanger hat bereits im Namen des Vereins und als Mitglied des HBL-Präsidiums für diese Lösung gestimmt.
Zu den Verlierern der Quotienten-Regelung zählen auch die Füchse Berlin, der Klub des gebürtigen Esseners Bob Hanning.,Der Erstligist würde von Rang fünf auf sechs und damit von dem direkten EHF-Pokal-Platz rutschen.
Für die Fortsetzung der Saison gab es offenbar keine Lösung. Aufgrund der Corona-Krise sind bis zum 31. August Großveranstaltungen verboten, niemand weiß, wann überhaupt wieder die Torejagd vor Publikum stattfinden wird. Und Geisterspiele machen wenig Sinn und werden abgelehnt, weil die Clubs auf Zuschauer-Einnahmen angewiesen sind. Auch die Wertung nach Abschluss der Hinrunde stand zur Disposition, aber Ellwanger selbst befürwortet die Quotienten-Reglung: „Ich finde, je mehr Spiele absolviert worden sind, desto besser und vergleichbarer wird es. Es ist die am wenigsten schlechte Lösung.“
Härtefälle wird es bei jeder Lösung geben
Klar, Härtefälle wird es in jedem Fall geben, aber es ist auch eine noch nie dagewesene und bis vor Kurzem unvorstellbare Situation, die natürlich in keinem Punkt der Satzung berücksichtigt worden ist. Ambitionierte Konkurrenten wie die Erstliga-Absteiger SG BBM Bietigheim und VfL Gummersbach guckten in die Röhre, wobei Bietigheim schon im Vorjahr Pech hatte, als man wegen eines einzigen Tores abgestiegen war. Könnte es da noch Ärger geben, möglicherweise ein juristisches Nachspiel? „Wir haben uns bei den Anträgen natürlich auch mit einem Rechtsgutachten rückversichert“, sagt Präsidiumsmitglied Ellwanger.
Eine Woche haben die Bundesliga-Vertreter Zeit, um abzustimmen. Eine Dreiviertelmehrheit würde dem DHB-Präsidium reichen, um die Anträge durchzusetzen. Niels Ellwanger glaubt, dass es wesentlich zügiger gehen wird. Und wenn dagegen gestimmt wird? „Dann müssen wir schauen und von vorn anfangen.“ Für den 23. August ist übrigens der Start der Saison 2020/21 vorgesehen, Stand heute ist dieser Termin nicht zu halten.