Essen/Ohio. Kathrin Demler studiert in den USA. Kurz nach einem großen Erfolg stoppte das Coronavirus auch ihr Training. Sie hofft auf eine Regeländerung.

Es sind nur wenige Tage, die zwischen dem größten Erfolg und der totalen Ernüchterung liegen. Erst Ende Februar hat Kathrin Demler mit ihrem Team der Ohio State University den Titel der BIG10-Conference gewonnen. Einer der bedeutendsten Titel im US-College-Sport.

Nun, Ende März, ist die Saison für die Schwimmerin der SG Essen zunächst einmal unterbrochen – möglicherweise sogar beendet. Das Coronavirus hat auch die USA längst erreicht, Demler, die in Bottrop aufgewachsen ist und deren Eltern mittlerweile in Gladbeck leben, die Heimreise angetreten. Wassertraining ist aber im Ruhrgebiet ebenso wenig möglich wie in den USA. Deshalb kommt der 23-Jährigen die Verschiebung der Olympischen Spiele sogar entgegen.

Das Leben in Ohio steht wegen Corona still

Kathrin Demler ist zu Besuch bei einer Freundin, etwa eine Stunde entfernt von der Uni in Columbus, als wir sie für das Interview erreichen. Dort hält sie sich seit einigen Tagen auf, hat mit der Familie auch Weihnachten und Thanksgiving gefeiert – auch in Ohio steht das Leben still. „Wir dürfen nicht mehr trainieren, sollen alle zu Hause bleiben und mit möglichst wenigen Menschen in Kontakt kommen“, erklärt Demler. Restaurants sind geschlossen, kleine Geschäfte ebenfalls. „Es ist ein bisschen einsam.“

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Die Distanz zu anderen Menschen nimmt sie ernst – dabei hätte gerade jetzt der erste Saisonhöhepunkt angestanden. Die NCAA-Championships – die nationalen Collegemeisterschaften – sind der wichtigste Wettkampf für Studenten in den USA. Demler war gut vorbereitet, galt spätestens seit ihrem Sieg bei den BIG10 als eine der Medaillenkandidatinnen. Nun heißt es abwarten, wie es weiter geht.

Rückkehr nach Deutschland mit Hoffnung auf Sondergenehmigung

„Nach den NCAA hätte ich mich auf die Olympiaquali vorbereitet, um zu schauen, was da geht“, sagt Demler. Auch das hat sich nun erst einmal erledigt. Ihr Trainer in den USA hat sie nach Deutschland geschickt – mit der Hoffnung, dass es hier eine Sondergenehmigung für Kaderathleten gibt. Bisher wurde die vom Land NRW nicht erteilt.

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Wie hoch standen die Chancen, dass es mit einem Ticket für die Olympischen Spiele hätte klappen können? „Das kann man nie zu hundert Prozent sagen, aber ich habe mich in den vier Jahren in den USA immer weiter gesteigert und bin zuletzt aus dem vollen Training heraus Bestzeiten geschwommen“, sagt Demler, die die 200 m Lagen und Schmetterling sowie die 4x 200 m Lagen-Staffel angepeilt hätte. Nun wurden die Olympischen Spiele verschoben, sie kann 2021 einen neuen Anlauf nehmen.

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Ein weiteres Jahr im Collegeteam wird geprüft

„Dadurch, dass die NCAA jetzt ausfallen, wird geprüft, ob ich ein Jahr länger im Collegeteam schwimmen darf“, erklärt Demler. Das wäre mit Blick auf das Training enorm wichtig, eigentlich wäre ihre Zeit nach dem kommenden Semester aber vorbei. Dann legt sie ihre Bachelorprüfungen in Psychologie ab – ob sie für den Master in den USA bleibt, ist noch nicht ganz sicher. Das Sportprogramm ist so oder so aber nur auf vier Jahre ausgelegt.

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Umso schöner für Kathrin Demler, dass es bei den BIG10-Championships mit dem ersten Titel für die Ohio State seit 34 Jahren geklappt hat: „Weil es so lange her war, dass Ohio gewonnen hat, hatte uns niemand so richtig auf dem Zettel. Aber wir haben schon daran geglaubt, das wir vorne mitschwimmen können“, sagt Demler.

Einzeltitel über 500 Meter Freistil

Über 500 Meter Kraul gewann sie den Einzeltitel, mit der Mannschaft reichte es zum ganz großen Wurf. „Das ist unbeschreiblich. Eine krasse und riesengroße Erfahrung“, versucht sie die Gefühle im Moment des Erfolgs zu beschreiben. Entsprechend motiviert ging es dann in Richtung NCAA – bis die Absage kam.

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Gemeinsam reckten die Schwimmerinnen der Ohio State University den Pokal in die Höhe. 
Gemeinsam reckten die Schwimmerinnen der Ohio State University den Pokal in die Höhe.  © KD

Nun heißt es sich fit zu halten. „Ich muss auf die Ernährung achten, Kraft- und Stabilisationstraining machen und vielleicht auch im Haushalt ein bisschen kreativ werden“, sagt Demler. Ihre Trainer haben ihr alternative Programme zusammengestellt. Trotzdem fehlt das Wasser. „Ohne Wassergefühl ist es nicht möglich, schnell zu schwimmen“, sagt sie.

Den Spaß am Schwimmen wiedergefunden

Und die Trainer sieht Demler, die in den USA zu alter Stärke zurückgefunden hat, auch als einen Grund, warum es wieder so gut läuft. „Ich vertraue den Coaches, habe den Spaß am Schwimmen wieder gefunden. Hier wird Schwimmen als Teamsport gesehen und das gibt mir ein ganz anderes Gefühl“, sagt Demler. Sie habe gelernt, sich zu motivieren und noch härter zu arbeiten. „Ich bin hier ein besserer Sportler und Mensch geworden.“

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Das liegt nicht nur an ihrer sportlichen Entwicklung, sondern auch an den Erfahrungen, die sie in den USA gesammelt hat. „Ich habe hier mehr Selbstvertrauen bekommen und Führungsqualitäten entwickelt“, beschreibt die Studentin.

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In den USA Erfahrungen für das Leben gesammelt

All diese Erfahrungen will sie ebenso wenig missen wie das Leben in den USA. „Egal, ob im Bus, im Zug oder am Flughafen: Alle sind super freundlich, und wenn ich in meinen Ohio-State-Klamotten unterwegs bin, sind die Menschen neugierig, begeistert und sehr offen“, sagt sie.

Deshalb hofft sie, dass sie bald wieder in die USA zurückkehren kann. „Auch wenn die aktuelle Situation nicht die schönste ist, habe ich hier gelernt dankbar für die Erfahrungen, die ich hier gemacht habe, zu sein und das Positive festzuhalten.“ Und gerade von diese Erfahrungen möchte sie noch möglichst viele machen.