Bottrop. Diethelm Ferner war am ersten Tor der Bundesliga-Geschichte beteiligt, wurde deutscher Meister und Nationalspieler. Einer von Bottrops Besten.
Vor 60 Jahren Deutscher Meister und Nationalspieler, später Meister- und Nationaltrainer – und das alles bis auf eine Ausnahme immer akkurat frisiert. Vermutlich war der 2023 verstorbene Diethelm Ferner der beste Fußballspieler, den Bottrop je hervorgebracht hat.
Der ehemalige Mittelfeldspieler stammte aus Ostpreußen, einem Ort, der heute Prochladnoje heißt und ganz im Westen Russlands nahe Kaliningrad liegt. Mit zwölf tauchte er 1951 auf dem Sportplatz an der Horster Straße in Bottrop auf, gegenüber der Zeche Arenberg-Fortsetzung. „Ein schöner schwarzer Aschenplatz“, erinnerte sich Ferner in einem Gespräch vor einigen Jahren.
Didi Ferner: Der Vater im Krieg gefallen, mit der Mutter auf der Flucht
Der Junge, der „Didi“ gerufen wurde, war neu in der Ruhrgebietsstadt, wo zwei Onkel von ihm wohnten. Sein Vater war im Krieg gefallen, mit der Mutter war er kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges geflohen, kam nach einigen Jahren in Dänemark und der Pfalz nach Bottrop, wo er bei Rhenania kickte und es mit Willi Kubela, Hans Link und Horst Bystrich bis in die Bezirksklasse schaffte.
Beim Stadtrivalen VfB Bottrop, der in diesen Jahren zweitklassig spielte, prägte er mit Klaus Matischak, Werner Kubek und Fred Bockholt die beste Zeit der Schwarz-Weißen im Jahnstadion, mit manchmal fast 20.000 Zuschauenden und der Meisterschaft in der Oberliga im Frühjahr 1963. Aufsteigen durfte der VfB nicht wegen des Starts der neuen Bundesliga, konnte seine stärksten Spieler daher nicht halten.
Ferner war am ersten Bundesligator der Geschichte beteiligt
Didi Ferner geht zu Ex-VfB-Trainer Willy Multhaup nach Bremen. Im Trikot mit der grünen Raute erlebt er vor 32.000 Zuschauern im Weserstadion unangenehm hautnah das erste Tor der inzwischen 62 Jahre andauernden Bundesligahistorie – nach nur einer Minute durch den Dortmunder Timo Konietzka. „Wir spielten in der Abwehr Mann gegen Mann, ich gegen Konietzka und ausgerechnet er macht das 1:0“, berichtete Diethelm Ferner. „Das hat mich unheimlich geärgert.“ Trotz des 3:2-Sieges.
Etwas leiser schiebt er nach: „Ich habe dann aber – glaube ich – ein sehr gutes Spiel gemacht.“ Dafür spricht der Blick in die Archive, denn der fördert für seine Leistung in der Sportzeitung „Kicker“ die Note Eins zu Tage. Dabei war dem Mittelfeldmann an der Weser vorher einiges Misstrauen entgegengeschlagen. Ferner: „Als ich nach Bremen kam, war Skepsis angesagt, zumindest bei einigen Journalisten. Werder hatte drei Nationalspieler verpflichtet und mich aus der zweiten Liga.“
Deutscher Nationalspieler neben Wolfgang Overrath und Stan Libuda
Einige dachten wohl: „Was soll der hier?“ Mit ihrem Lob nach seinem starken Spiel trafen die Journalisten dann auch nicht Ferners Geschmack: „Das hat mir nicht gefallen.“ Die Bildzeitung veröffentlichte eine Aussage von Trainer Multhaup: „Elf Ferners müsste ich haben.“ Die eifersüchtigen Mannschaftskollegen hatten an diesem Satz gleichfalls kein Vergnügen.
Um Neujahr 1964 trägt der defensive Mittelfeldmann auf einer Reise der deutschen Auswahl in Casablanca und Algier sogar das Nationaltrikot – neben Leuten wie Hans Tilkowski, Wolfgang Overrath, Willi Schulz und Reinhard „Stan“ Libuda. In den Spielen gegen Marokko (4:1) und Algerien (0:2) wird Ferner jeweils eingewechselt. „Sepp Herberger hat mich eingeladen und so durfte ich auch einmal schnuppern“, sagte er bescheiden: „Es waren Kurzeinsätze.“
Bei der Meisterfeier in Bremen müssen die Frauen durch die Fenster klettern
Damit ist Ferner der einzige in Bottrop aufgewachsene deutsche A-Nationalspieler. 1965 wird er mit Werder Bremen Deutscher Meister, an den Empfang im Bremer Rathaus hatte der Bottroper eine besondere Erinnerung: „Mit so vielen Menschen hatte ich gar nicht gerechnet. Es war so voll dort, dass unsere Frauen, die wir nach der Rückfahrt vom letzten Spiel erst dort trafen, durch die Fenster ins Rathaus klettern mussten.“
Gemeinsam mit seinem Bottroper Kollegen Matischak lässt sich der Mann mit dem strengen Seitenscheitel an diesen ausgelassenen Nachmittag bei der Meisterfeier eine Glatze rasieren – kassiert dafür dank einer Wette 500 D-Mark.
Nach 239 Bundesligaspielen: Erste Trainerstation bei Rot-Weiss Essen
239 Bundesligaspiele absolvierte der Defensivstratege von 1963 bis 1973 für Werder Bremen und Rot-Weiss Essen. Dort wurde er auch zum Trainer. Ferner: „Das ging übergangslos. Samstags habe ich noch gespielt, am Dienstag war ich Trainer.“ Der Aufsteiger lag auf dem letzten Platz, Präsident Naunheim entließ Trainer Witzler und fragte Diethelm Ferner: „Hören Sie mal: Wollen Sie nicht? Sie haben doch gerade A-Schein gemacht.“ Erst nach Rücksprache mit der Mannschaft sagte er zu und schaffte mit Rot-Weiss als 13. den Klassenerhalt.
Zwei Jahre dauerte an der Hafenstraße seine erste Trainerstation, es folgten Engagements beim Wuppertaler SV, beim FC St. Pauli in Hamburg, wieder eins in Essen, je drei Jahre bei Hannover 96 und Schalke 04. 1,71 Tore pro Begegnung schossen seine Spieler in Gelsenkirchen, ein Wert, den in den Schalker Bundesligajahren sonst nur Ivica Horvath, Friedel Rausch und Jens Keller erreichten.
Legendäres 6:6 gegen Bayern München im DFB Pokal
Sowohl mit St. Pauli also auch mit Schalke 04 stieg Didi Ferner in die Bundesliga auf. Sein größtes Spiel mit den Königsblauen jedoch machte er im DFB-Pokal: Im Mai 1984 trotzte der Zweitligist mit dem 18 Jahre alten dreifachen Torschützen Olaf Thon den Münchener Bayern ein 6:6 nach Verlängerung ab. Auf den Fernsehbildern sieht man ihn mit akkuratem Scheitel im Nieselregen an der Seitenlinie.
Die vielfältige Trainerkarriere führt den Mann aus Ostpreußen nach Griechenland und Zypern, Ägypten und Libanon, Sudan und Libyen. „Die Lebensverhältnisse waren für die Einheimischen mitunter ganz schwierig; es gab da viel Armut“, beobachtete der Fußballtrainer, doch die Erfahrung wollte er nicht missen: „Es hat mir nicht so schlecht gefallen.“
Didi Ferner: Verlässlich, seriös und ohne theatralische Auftritte
Ähnlich zurückhaltend formulierte Diethelm Ferner praktisch immer, er war ein ganz seriöser, verlässlicher Mann ohne große Sprüche oder theatralische Auftritte. Doch er überzeugte mit seinen Inhalten, wusste, was er will, und war mit seiner eher bescheidenen Art oft erfolgreich.
Auch im Ausland sammelte Ferner Erfolge. Mit Apollon Limassol wurde er zweimal Meister auf Zypern, spielte mit der Mannschaft oft im Europapokal, arbeitete bei Iraklis Thessaloniki, AEL Limassol, Zamalek Kairo, Al-Jahra in Kuwait, Ittehad Alexandria, Olympiakos Nikosia, Al Ahli Tripoli, AO Kavala in Griechenland und als Nationaltrainer des Libanon. Seine Bilanz: „Sechs Titel habe ich als Trainer gewonnen.“
Von Bottrop Kirchhellen ging es nach Kalkar
Lange lebte Diethelm Ferner in Kirchhellen, 2009 zog er nach Kalkar, um näher an der Arbeitsstelle seiner Frau zu sein. Er sei sich dabei immer treu geblieben, stellte sein ehemaliger Teamkollege Fred Bockholt vor einigen Jahren mal fest. „Didi hat sich im Laufe der letzten 50 Jahre nicht verändert“, fand Bockholt.
„Er hat noch die gleiche Gestik und die gleiche Frisur, gut geföhnt und mit Haarspray. Er hat immer ganz für den Sport gelebt und ist noch so ehrgeizig wie früher.“ Die Beiden kannten sich seit Ihrer Jugend in Bottrop, spielten gemeinsam von 1969 bis 71 bei Rot-Weiss Essen. Diethelm Ferner starb im November 2023 im Alter von 82 Jahren.