Essen. Vor genau 50 Jahren stieg Rot-Weiss Essen zum bislang letzten Mal in die Bundesliga auf. Erinnerungen an die legendäre Truppe um „Ente“ Lippens.
5:0 geführt und dann doch noch aus dem DFB-Pokal ausgeschieden – Rot-Weiss Essen passierte das in der Pokalsaison 1972/73 als Zweitligist gegen den Hamburger SV. Dieses kuriose Missgeschick wird angesichts des bevorstehenden Pokalspiels gegen den HSV in diesem August sicher noch ein paar mal aus den Archiven hervor gekramt.
Aus Sicht der Essener blieben diese beiden Partien – 5:3 im Hinspiel gewonnen, 0:5 (0:2) nach Verlängerung verloren – eher nebensächlich, denn es ging um viel Wichtigeres: den Aufstieg in die Bundesliga. Und den haben sie am Ende der Saison 1972/73 auch geschafft. Das ist nun ein halbes Jahrhundert her: Es war der dritte Aufstieg von RWE in die Bundesliga nach 1966 und 1969.
Rot-Weiss Essen: Ein komplizierter Weg in die Bundesliga
Am späten Nachmittag des 24. Juni 1973 war der letzte Spieltag der Aufstiegsrunde absolviert, die Essener hatten sich als souveräne Sieger ihrer Gruppe für die Bundesliga qualifiziert. Genau genommen waren sie sogar schon ein paar Tage zuvor aufgestiegen, denn nach dem 3:1-Sieg am 20. Juni im Georg-Melches-Stadion über den SV Röchling Völklingen im vorletzten Spiel war ihr Vorsprung so groß, dass sie nicht mehr einzuholen waren.
Vor 50 Jahren gestaltete sich der Weg in die Bundesliga noch etwas komplizierter, denn die 2. Bundesliga war noch nicht erfunden, die zweithöchste Klasse in fünf Regionalligen zersplittert. Die stärkste war zweifelsohne die Regionalliga West, aus der die mit Abstand meisten Aufsteiger kamen, RWE etwa stieg gemeinsam mit Fortuna Düsseldorf (1966), RW Oberhausen 1969 und Fortuna Köln (1973) auf.
Alle Brennpunkte bei Rot-Weiss Essen:
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- Rot-Weiss Essen: Preise für Dauerkarten steigen.
Das störte den DFB nicht, er schickte immer wieder die besten beiden Teams auch der kleinsten Regionalliga in die Aufstiegsrunde. Hier wurden dann zwei Fünfer-Gruppen gebildet (je ein Team aus den Staffeln West, Nord, Süd, Südwest und Berlin), die Gruppensieger stiegen auf.
Rot-Weiss Essen muss in die Aufstiegsrunde
Für RWE hieß das Sommer 1973. Nachdem sie in der regulären Regionalliga-Saison Teams wie Borussia Dortmund abgeschüttelt hatten, ging es in der Aufstiegsrunde nicht nur gegen Darmstadt 98 und den VfL Osnabrück, sondern auch gegen Völklingen und Wacker 04 Berlin. Das war allerdings machbar.
Die Essener holten sechs Siege und zwei Unentschieden und stiegen mit deutlichem Vorsprung auf, der Tabellenzweite Darmstadt hatte gleich sechs Punkte Rückstand und war bereits zum Auftakt an der Hafenstraße mit 3:1 in seine Schranken verwiesen worden.
Die Mannschaft war aber auch einfach zu gut für die Regionalliga. Mach dem Abstieg 1971 spielte RWE praktisch mit einem Bundesliga-Kader weiter. In der Saison 1971/72 schossen sie in der Regionalliga über hundert Tore, 1972/73 wurden sie Regionalligameister und stiegen dann wieder auf.
Etliche Spieler aus den Bundesliga-Jahren hatten RWE noch dabei, darunter Asse wie Wolfgang Rausch (später bei Bayern München), Hermann Erlhoff, Nationalspieler Diethelm Ferner, der unvergleichliche Kämpfer Hansi Dörre zum Beispiel und, natürlich, der legendäre Willi Lippens. Dazu die Offensiv-Routiniers Herbert Weinberg und Helmut Littek, deren Zeit allerdings ablief. Im Angriff setzten neben der unnachahmlichen „Ente“ Lippens längst andere die Akzente: „Nobby“ Fürhoff, Dieter Bast sowie zwei frisch für die Saison verpflichtete Stürmer: „Pille“ Gecks, der vom alten Rivalen Offenbach geholt wurde, und Harry de Vlugt.
RWE dreht das wichtige Spiel gegen den VfL Osnabrück
Auch der Trainer hatte Bundesliga-Hintergrund, wenngleich keinen so ruhmreichen: Horst Witzler trainierte 1971/72 den BV Borussia Dortmund, bei der vernichtenden 1:11-Niederlage gegen Bayern München saß er auf der Bank – kurz danach war dort Schluss für ihn. Mit RWE drehte er den Spieß dann um, seine Rot-Weissen schossen nun Tore am Fließband.
Der Autor dieses Berichts hat sie beim Aufstiegsrundenspiel an der Hafenstraße gegen den VfL Osnabrück in Aktion gesehen. Dass die Männer von der Bremer Brücke früh in Führung gingen, beunruhigte weder den Großteil der 25.000 Zuschauer, noch die RWE-Spieler.
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Bast noch vor der Pause, Gecks – mit einem seiner Schlitzohr-Tore – Fürhoff und Erlhoff per Elfmeter schossen den 4:1-Sieg heraus. Zu dieser Partie durfte der Zehnjährige noch mit ins Stadion, es war ja ein Sonntag. Beim entscheidenden 3:1 gegen Völklingen musste er daheim bleiben, es war eine Mittwochabend-Partie. Umso begieriger schlug er tags darauf die Zeitung auf, da sah er die Bilder von Fans, die Harry de Vlugt auf den Schultern trugen. Der Stürmer hatte alle drei Tore zum 3:1-Sieg erzielt, der Dreierpack des in Indonesien geborenen Niederländers brachte RWE in die Bundesliga.
Vier Jahre blieb RWE in der Bundesliga – dann ging’s runter
De Vlugt nahm den Schwung mit: Im ersten Heimspiel 1973/74 schoss er in der ersten Halbzeit gleich zwei Tore gegen die Mönchengladbacher Borussen – die hatten aber einen noch besseren Stürmer: Jupp Heynckes traf sogar viermal, Gladbach gewann nach 2:2-Halbzeitstand noch 6:2. Doch für diese Partie gilt das selbe wie für die Pokalspiele gegen den HSV: Nebensache.
Entscheidend war, dass RWE in der Bundesliga blieb – und das diesmal sogar vier Jahre lang bis 1977. Der Juni 1973 hat den Weg geebnet. Willi Lippens, der bei allen drei Aufstiegen mitgespielt hat und auch beim verpassten Bundesliga-Aufstieg 1980 gegen den Karlsruher SC auf dem Platz stand, meinte später dazu: „Als ich bei Rot-Weiss spielte, da waren wir entweder in der Bundesliga oder haben eine Liga drunter um den Aufstieg gespielt. Da war immer was los.“ War es.
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