Bottrop. Trainer Marcel Dietzek spricht im WAZ-Interview über den Unterschied zwischen Frauen und Männern im Fußball und seine Ziele mit Rhenania Bottrop.

Die Fußballerinnen von Rhenania Bottrop haben ihre Hinrunde beendet. Der Aufsteiger liegt nach elf Spieltagen auf dem zweiten Platz der Landesliga und nimmt sich für die Rückrunde, die für ihn am 4. Dezember mit einem Heimspiel gegen Arminia Klosterhardt beginnt, noch einiges vor. Trainer Marcel Dietzek über die Entwicklung im Team, den Reiz des Frauenfußballs und darüber, wohin die Reise mit dem SVR einmal führen soll.

Das Gefühl einer Niederlage hatten viele Spielerinnen schon fast vergessen. Doch nach dem 20-Spiele-20-Siege-Aufstieg hat es Ihr Team nun zweimal erwischt. Welche Bedeutung haben die bisherigen Niederlagen?

Dietzek: Ich rede da nicht lange drum herum: Beide Niederlagen waren extrem ärgerlich. Klar, man kann man gegen Mintard verlieren. Das ist eine starke Mannschaft. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir jedoch einige Ausfälle, andere Spielerinnen waren nicht in Form. Kurz: Wir hatten in dieser Partie nicht die nötige Spielqualität.

Unter normalen Umständen hätten wir dieses Spiel ganz sicher nicht verloren. Die Niederlage gegen Steele war noch um einiges ärgerlicher und absolut überflüssig. Aber jetzt ist es so. Wir liegen sechs Punkte hinter dem Tabellenführer. Als Aufsteiger gleich Zweiter zu sein, damit kann ich zufrieden sein. Aber natürlich wollen wir mehr. Und wenn wir die Chance bekommen, Mintard noch einmal anzugreifen, dann werden wir das auch tun.

In einem Punkt waren beide Niederlagen wichtig: Meine Mannschaft hat wertvolle Erfahrungen gemacht, sie hat dazugelernt und ist danach viel geschlossener und fokussierter aufgetreten. Letztlich sind auch diese Niederlagen dafür mitverantwortlich, dass wir aktuell in Topform sind.

Wir haben die letzten vier Spiele ohne Gegentor gewonnen, einmal sogar in Unterzahl. Kurz: Die Gier, jedes Spiel gewinnen und besser als der Gegner sein zu wollen, ist wieder da. Das war in der vergangenen Saison ein wenig schwierig und ist auch zunehmend verloren gegangen. Aber das war nachvollziehbar, denn in der Bezirksliga hatten wir keinen einzigen Gegner, der uns gefährlich werden konnte.

Rhenania ist wegen der beiden Niederlagen in einer neuen Situation. Ihre Mannschaft ist jetzt Jäger. Wie kommen Ihre Spielerinnen mit dieser Ausgangslage klar?

Ich habe das Gefühl, dass meine Spielerinnen daraus eine ganze Menge Motivation schöpfen. Natürlich schauen wir immer auch Richtung Mintard. Die Mülheimerinnen haben momentan das Glück des Tüchtigen, sie gewinnen auch die knappen Spiele.

Marcel Dietzek ist seit anderthalb Jahren Trainer des SV Rhenania Bottrop.
Marcel Dietzek ist seit anderthalb Jahren Trainer des SV Rhenania Bottrop. © FUNKE Foto Services | Franz Naskrent

Aber: Noch liegt die komplette Rückrunde vor uns. Und in der wollen wir Mintard und Steele definitiv zeigen, dass wir die bessere Mannschaft sind. Wir wollen diese beiden Spiele unbedingt gewinnen. Ob das dann ausreicht, um die Meisterschaft und das Aufstiegsrennen noch einmal spannend zu machen, werden wir sehen. Darauf haben wir ja keinen weiteren Einfluss, das liegt nicht in unserer Hand.

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Angst vor diesen Duellen haben wir auf jeden Fall nicht. Wir wissen, dass bei beiden Hinrunden-Niederlagen viele Faktoren zusammenkamen, die uns nicht gerade in die Karten gespielt haben. Aber das ist abgehakt. Wir sind jetzt wieder in einer ganz anderen Verfassung, in einer Form, die mit der Vorsaison vergleichbar ist. Jetzt sind wir wieder unberechenbar, jetzt sind wir wieder gefährlich.

27 Punkte und 45:8 Tore in elf Spielen: Die Hinrunden-Bilanz kann sich sehen lassen. Was ist noch möglich. Wo will Rhenania am Ende der Spielzeit stehen?

Wir sind neu in der Liga, kannten zu Beginn bis auf Arminia Klosterhardt keinen einzigen Gegner. Und nicht nur deshalb können wir sehr zufrieden sein, mit dem, was wir bisher erreicht haben. Aber wir werden uns ganz sicher nicht mit dem zweiten Platz begnügen.

Wir werden alles daran setzen, Mintard an der Tabellenspitze unter Druck zu setzen. Dafür müssen wir die Konzentration in jedem Spiel hoch halten und bereit sein, immer an die Grenzen zu gehen. Natürlich haben wir in der Hinrunde auch einige Fehler gemacht, aber alles, was ich dazu sagen würde, wäre Klagen auf hohem Niveau. In dieser Mannschaft steckt noch so viel Potenzial. In der Rückrunde wird es also auch darum gehen, dass wir uns weiter verbessern.

Wo liegen die Stärken Ihres Teams, in welchen Bereichen muss oder kann sich die Mannschaft noch steigern?

Gemessen an den Herausforderungen der Landesliga haben wir eigentlich keine großen Schwächen. Klar, wir haben Verbesserungspotenzial, das wir ausschöpfen wollen. Es tauchen immer wieder Kleinigkeiten auf, an denen wir arbeiten können. Aber das sind Punkte, die wir wegtrainieren können. Das sind also keine Dinge, die uns und unseren Zielen wirklich im Weg stehen.

Beim SV Rhenania arbeiten Sie unter Bedingungen, von denen Sie in ihrem letzten Verein nur träumen durften. Die Frauen genießen einen hohen Stellenwert, es gibt eine florierende Mädchen-Nachwuchsabteilung. Was ist auf lange Sicht möglich mit den Blau-Weißen?

Ich war lange bei der SSV Buer. Aber schon nach anderthalb Jahren beim SV Rhenania kann ich sagen, dass ich noch für keinen anderen Verein mit so viel Freude gearbeitet habe. Ich habe hier mit Martin Möllenbeck einen bis in die Haarspitzen motivierten Mitstreiter und im Hintergrund einen Vorstand, der unsere Vision sieht und sich mit Herzblut an der Umsetzung beteiligt.

Ich muss hier nie alleine irgendwelche Steine aus dem Weg rollen. Hier werde ich gefragt, was ich benötige. Die Botschaft des Vorstandes ist: Wir helfen und wollen dabei sein. Und hier dreht sich lange nicht alles um die Landesliga-Mannschaft.

Der Aufsteiger startete mit einem 5:1-Erfolg bei Arminia Klosterhardt in die Landesliga-Saison.
Der Aufsteiger startete mit einem 5:1-Erfolg bei Arminia Klosterhardt in die Landesliga-Saison. © FUNKE Foto Services | Franz Naskrent

Wir schaffen hier Strukturen, bauen gerade eine U23-Mannschaft auf und intensivieren die Jugendarbeit, die Mädchenmannschaften haben großen Zulauf und werden immer besser. Wir denken darüber nach, in der kommenden Saison eine dritte Frauenmannschaft anzumelden. Jeder spürt, dass sich hier etwas Nachhaltiges entwickeln kann.

Es sind ganz viele Kleinigkeiten, die diesen Verein besonders machen. Das zeigt sich dann auch im Detail. Beispielsweise, wenn sich eine Spielerin verletzt. Sie wird bei Rhenania nicht alleine mit ihrer Situation gelassen. Man kümmert sich, sieht hier nicht nur die Fußballerin, sondern auch den Menschen.

In Summe stimmen mich all diese Dinge optimistisch, dass wir mit Rhenania langfristig eine Regionalliga-Mannschaft aufbauen können. Das wäre eine Spielklasse, die der Verein stemmen könnte, ohne sich zu übernehmen. Das wäre ein lohnenswertes Ziel.

Der Frauenfußball hat in diesem Jahr durch die Europameisterschaft noch einmal viele Fans hinzu gewonnen. Was macht für Sie den besonderes Reiz und den Unterschied zu den Männern aus?

Der kleine Unterschied zwischen Männern und Frauen im Fußball ist eigentlich ein großer. Bei den Männern fließt nicht selten schon in der Kreisliga Geld. Ich frage mich, wie unter solchen Bedingungen eine vernünftige Bindung zwischen Verein und Fußballer entstehen soll. Ich persönlich halte das für eine ganz schlechte Basis.

Aber mit solchen Fragen muss ich mich bei den Frauen nicht beschäftigen. Meine Fußballerinnen spielen aus Leidenschaft. Sie investieren Herz und machen es mir damit leicht. Ich muss mich nie motivieren. Ich habe ein Team, das mich immer wieder überrascht und begeistert. Für mich gibt es keinen besseren Job.

In welchen Bereichen kann sich Rhenania noch steigern?

Das ist wirklich schwer zu sagen. Momentan läuft in unserem Verein ganz viel richtig. Wir sind mitten in einer spannenden Entwicklung. Wenn wir weiter an den Herausforderungen wachsen, werden sich die notwendigen Verbesserungen von ganz allein einstellen. Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Ich freue mich auf all das, was noch kommt.

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