Wattenscheid. Der 1. FC Düren darf wohl nicht in der Regionalliga spielen – die SG Wattenscheid 09 würde nachrücken. Aber wäre das klug? Zwei Meinungen.

Er könne sich nicht vorstellen, dass die SG Wattenscheid 09 noch einen Platz in der Regionalliga bekäme, sagte SGW-Sportvorstand Christian Pozo y Tamayo noch Dienstagmittag, als erste Berichte aufkamen, dass der 1. FC Düren keine Lizenz bekommen würde – und Wattenscheid damit trotz sportlichen Abstiegs in der Liga bleiben kann. 24 Stunden später sieht es ganz anders aus: Düren kann zwar noch Einspruch einlegen, die Chancen auf Erfolg wirken von außen aber nicht so groß.

Doch: Sollte die SG Wattenscheid 09 die Chance überhaupt wahrnehmen, erneut in der vierten Liga zu starten, nachdem der Verein sich im Jahr 2023 bislang wenn überhaupt ansatzweise regionalligatauglich zeigte? Oder sollte 09 lieber trotzdem in der Oberliga an den Start gehen? Wir diskutieren.

Wattenscheid 09 muss diese Chance nutzen (Philipp Ziser)

Torjubel mit Dennis Lerche beim 3:0 über Fortuna Düsseldorf – eigentlich das Abschiedsspiel der SG Wattenscheid 09 aus der Regionalliga.
Torjubel mit Dennis Lerche beim 3:0 über Fortuna Düsseldorf – eigentlich das Abschiedsspiel der SG Wattenscheid 09 aus der Regionalliga. © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann

Es ist eine zwiespältige Situation: Die SG Wattenscheid ist in ihrer derzeitigen Verfassung in der Oberliga besser aufgehoben – von den Finanzen über die Trainingsmöglichkeiten bis hin zum Kader gehört Wattenscheid nicht in eine Profiliga wie die Regionalliga West. So habe ich es auch vor zwei Wochen kommentiert, als der Abstieg feststand.

Allerdings: Die SGW ist immer noch ein Fußballverein mit Anspruch, viel Tradition (und einem regionalligatauglichen Stadion). Ein Verein, der sportlich sicher wenig Argumente geliefert hat, warum er in der vierten Liga bleiben sollte. Der aber in diesem Jahr viel Glück und eine wohl einmalige Chance hat. Diese nicht wahrzunehmen – das wäre niemanden zu verkaufen.

Die Verantwortlichen sind es dem Verein und seinen Unterstützern, vor allem aber ihren Spielern schuldig, in der bestmöglichen Liga aufzulaufen, gegen die stärksten Gegner. Es gibt zwar viele gute Argumente für einen Rückzug in die Oberliga – der wäre aber gleichzeitig ein Ausdruck sportlicher Ambitionslosigkeit.

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Wenn die SGW 2023/24 nicht in der Regionalliga starten kann – warum dann in einem Jahr, oder in zwei? Was soll besser werden? Die wirtschaftliche Situation wird sich auf dem „Wattenscheider Weg“ kurzfristig nicht so dramatisch bessern, dass Wattenscheid finanzielles Viertliga-Niveau erreicht. Das heißt im Umkehrschluss: Wenn die Regionalliga jetzt nicht drin ist, dann vorerst überhaupt nicht mehr, dann legt sich der Klub vorerst auf die Fünftklassigkeit als Maximum fest. Und wenn sich Spieler, Sponsoren oder Fans dann abwenden, wäre das nur nachvollziehbar.

Wenn die Mannschaft der SGW in der vergangenen Saison eines gezeigt hat, dann, dass sie nach Rückschlägen oft stärker zurückkommt, auch wenn das am Ende nicht reichte. Viele der Spieler werden weiter Schwarz-Weiß tragen. Wenn sie nun, aus welchem Grund auch immer, unverhofft die Chance bekommen, eine Entwicklung zu zeigen und die Ergebnisse des Jahres zu korrigieren, dann sollte der Klub ihnen diese bieten. Daher: Solange der Regionalliga-Spielbetrieb die Existenz des Vereins nicht gefährdet, und an der Stelle darf man inzwischen Vertrauen in die Verantwortlichen haben: Ab in die Regionalliga.

SG Wattenscheid 09: Der Klassenerhalt wäre unvernünftig (Dominik Hamers)

Sollte Wattenscheid in der Regionalliga spielen? Allein der Umstand, dass diese Frage auf sportlichem Weg nicht mehr beantwortet werden kann, müsste die Verantwortlichen zum Einlenken bewegen und nichts anderes als den freiwilligen Abstieg beschließen lassen. Rot Weiss Ahlen hat der SGW zig Geschenke gemacht und die Saison zum Ende unerträglich zäh werden lassen. Kaan-Marienborn hatte sich schon freiwillig als Absteiger bereiterklärt, der SV Straelen war eh weg. Und nun soll eine verweigerte Lizenz für einen Konkurrenten für den Klassenerhalt der Wattenscheider sorgen?

Das kann doch niemand ernsthaft wollen. Und feiern. Und mit gutem Gewissen annehmen.

Oder gibt es tatsächlich jemanden, der sich darüber freuen würde? Und auf was überhaupt freuen? Auf mehr und mehr Zuschauende, die auf die Mannschaft eindreschen wie auf kalt Eisen? Auf Niederlagen gegen Lippstadt, Rödinghausen und Wiedenbrück – allesamt vom Prestige ungeküsste Gegner? Gut, in der Oberliga klingen die Namen auch nicht nach Europapokal – aber die fünfte Liga kostet die SGW deutlich weniger. Und wer macht dem Ex-Bundesligisten in der Regionalliga das Stadion voll?

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Am Ende einer Saison, die dazu da war, die Sehnsucht nach Regionalliga-Fußball temporär zu stillen, steht ein Abstieg, der so verdient war wie kaum ein anderer. Zwei Spiele hat die Mannschaft von Trainer Christian Britscho 2023 gewonnen: Eins gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten, eins gegen Fortuna Düsseldorf II, dessen Spieler gedanklich schon im Sommerurlaub waren. Sportlich: ein Rundum-Defizit.

Es gibt zwar Argumente, die für ein weiteres Wattenscheider Jahr in der Regionalliga sprechen, aber keins überzeugt so richtig. Ein gewaltiges dagegen muss jedoch das selbst auferlegte Vereinscredo sein, das in erster Linie auf Realismus und Weitsicht basiert. Der neue „Wattenscheider Weg“ steht für bedachte und auf dem eigenen Leistungsvermögen beruhende Entscheidungen. Wer das verinnerlicht hat, gesteht sich ganz ohne Groll ein, dass der Verein in der Oberliga besser aufgehoben wäre.

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