Wattenscheid. Am Abstieg der SG Wattenscheid 09 ist nicht nur der Trainer schuld. Der Abstieg kommt nicht überraschend – zwei Dinge tun aber besonders weh.
„Ab jetzt geht es um den Klassenerhalt“ – diese Schlagzeile wählten wir bei der WAZ im Juni 2022, einen Tag nach dem Aufstieg der SG Wattenscheid. Noch während der Rasen des Lohrheidestadions gestürmt wurde, warnten die ersten davor, davon auszugehen, Wattenscheid sei jetzt einfach „wieder da“. Die Regionalliga: Profifußball. Eine größere Herausforderung für Verantwortliche, Spieler und Fans.
Elf Monate später steht fest: Sie haben diese Herausforderung nicht bewältigt. Viele kleine und große Fehler sind passiert, während der Verein sich selbst nicht viel Spielraum für Fehler eingeräumt hat. Das ist der „neue Wattenscheider Weg“, für den Wattenscheid sich nach der Insolvenz entschieden hat. Der Verein steigt sehenden Auges ab.
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Die sportliche Verantwortung tragen Trainer, Sportvorstand und Mannschaft gemeinsam – einzelne herauszupicken, wäre unfair. Trainer Britscho hat personell und taktisch alles versucht, das Ergebnis ist ein Punkteschnitt von bisher 0,72. Er hat aber auch in vielen Spielen mehr herausgeholt, als zu erwarten war, fand besondere Rollen für spezielle Spieler, machte verschiedene Charaktere zu sportlich wertvollen Teammitgliedern.
Trainingsbedingungen sind nicht tauglich für die Regionalliga
Britscho arbeitete unter Trainingsbedingungen, über die jeder Landesliga-Coach sauer wäre, die in der vierten Liga lächerlich sind. Und das mit einem Kader, der viel Herz hat, sich auf dem Platz aber selbst im Weg stand. Ballverluste und Fehlpässe, groteske Fehlschüsse, Aussetzer in den unpassendsten Momenten: Beim „Kacktor des Monats“ kann Wattenscheid eine eigene Doppel-DVD einreichen.
Sportvorstand Christian Pozo y Tamayo waren auf dem Transfermarkt die Hände gebunden. Mit der Rückholaktion von Berkant Canbulut lag er aber auch auf einer zentralen Position daneben: Die sah im Spätsommer noch aus wie ein Königstransfer, entwickelte sich dann auf mehreren Ebenen zur Enttäuschung. Ein Beispiel: Offensiv war das Team abhängig von Kim Sané und Dennis Lerche. Spieler, die bei anderen Klubs nicht Leistungsträger, sondern Rollenspieler oder Joker wären. Sportlich war der Verein so nah am Maximum dessen, was unter den – selbst auferlegten – finanziellen Umständen herauszuholen war. Das war zu wenig – und dass es so kommen könnte, war klar.
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Zwei Sachen aber schmecken bitter. Erstens: Es wird wohl nie wieder so leicht drinzubleiben. Es gibt nur einen sportlichen Absteiger. Die Steilvorlage der Konkurrenz hat Wattenscheid nicht genutzt.
Und zweitens, noch schmerzhafter: die Reaktion etlicher Fans. Einzelne Anhänger, die Spieler und Trainer beschimpften und bedrohten, teilweise weit hinausgehend über das, was in Stadien sonst an der Tagesordnung ist: Sie beschmutzten das Bild vom familiären Club, das die Verantwortlichen so gerne zeichnen. Weh tun aber auch die, die wegbleiben: Der Zuschauerschnitt ist niedriger als in der Oberliga. Die jüngsten Heimspiele waren auf den Rängen ebenso ein Trauerspiel wie auf der Anzeigetafel. Für eine Mannschaft, die entgegen aller Wahrscheinlichkeit lange eine Chance auf den Klassenerhalt hatte, ist das nicht die erhoffte und oft angepriesene breite Unterstützung.
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In dieser Hinsicht ist der Abstieg für einige vielleicht sogar eine gute Nachricht. Es wird kommende Saison wieder mehr Siege geben, mehr zu feiern. Vielleicht kann Wattenscheid sogar um den Aufstieg mitspielen. In der Oberliga ist der Verein aktuell jedenfalls besser aufgehoben, so schade der Abstieg ist. Der Blick voraus auf dem „Wattenscheider Weg“ verspricht Auf und Ab – und nie wieder einen Absturz wie 2019. Dafür leisten die Verantwortlichen gute Arbeit. Eine Chance, sich so in der Regionalliga zu etablieren, ist aber nicht in Sicht.