Wattenscheid. „Wir hätten uns in der Pause einäschern können“, sagte Wattenscheids Trainer. Aber dann kam eine denkwürdige zweite Hälfte gegen Preußen Münster.
Wo soll man anfangen bei diesem Spiel? Mit welcher Szene, welcher Geschichte? Ein Platzverweis, drei Elfmeter, neun Tore, zwei davon in der Nachspielzeit, große Gefühle zwischen der SG Wattenscheid 09 und Preußen Münster. Vielleicht beginnt man in der 65. Minute: „Absteiger! Absteiger!“, brüllen die Gästefans. Es steht 4:2 für Münster und gerade hat Dennis Lerche Gelb-Rot gesehen, Wattenscheids Mann für die besonderen Momente.
Für viele Fußballmannschaften wäre es eine aussichtslose Situation. Nicht für die SG Wattenscheid 09, die vor zwei Wochen in der Nachspielzeit aus einem 0:1 ein 2:1 machte und vor einer Woche nach 0:2-Rückstand noch 3:2 gewann. Und tatsächlich: Umut Yildiz verkürzt nach schöner Vorarbeit von Nico Lucas auf 3:4 rund zehn Minuten vor Schluss. In der dritten Minute der Nachspielzeit gleicht Tim Brdaric sogar noch aus – unfassbar. Wattenscheider Wahnsinn.
Preußen Münster trifft in der 96. Minute zum 5:4-Sieg
Der Münsteraner Fanblock verstummt allerdings nur kurz. Denn drei Minuten später drückt Preußen-Joker Simon Scherder den Ball zum 5:4 über die Linie. Ekstase im Gästeblock, Fassungslosigkeit bei der SGW.
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„Ich hab keine Worte“, begann Torschütze Yildiz den Versuch, das Erlebte zu beschreiben, während im Hintergrund noch die Münsteraner vor ihrem Fanblock tanzten – so wie es vorher eigentlich zu erwarten war. Mit sieben Punkten Vorsprung steht der SCP an der Tabellenspitze und schien auch in Wattenscheid den nächsten Dreier locker einzufahren. Kim Sane hatte zwar die erste dicke Chance des Spiels nach schöner Vorarbeit von Eduard Renke, vergab diese aber. Preußen machte es besser, nutzte die ersten beiden Wattenscheider Aussetzer zur 2:0-Führung nach 13 Minuten.
„Slapstick-Tore“, schimpfte Trainer Christian Britscho nachher – nicht zum ersten Mal in dieser Saison. Yildiz: „Wenn du solchen Mannschaften Chancen zulässt, machen die die eiskalt rein, so ist das. Dann steht es halt zur Halbzeit 4:1.“ In einer wilden Phase kurz vor der Pause traf nämlich erst Münsters Lorenz per Strafstoß zum 3:0, Julian Meier verkürzte ebenfalls vom Punkt. 1:3, aber Hoffnung? Münster stürmte vom Angriff nach vorn und Gerrit Wegkamp köpfte ungestört das vierte Preußen-Tor. Pause.
1:4-Halbzeitstand sorgt für laute Ansprache in der Kabine
„Das Ergebnis hat die erste Halbzeit nicht hergegeben“, fand Trainer Britscho, „das war keine 1:4-Halbzeit.“ Das habe Hoffnung gemacht. Entsprechend „laut und emotional“ sei es in der Kabine zugegangen. „Wir hätten uns da komplett einäschern können, das haben wir aber nicht gemacht“, erklärte er. „Wir haben gesagt: Das Spiel war offen, das Ergebnis ist es nicht. Und wenn wir noch eins machen, glauben wir dran, dass was geht.“
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Es ging was, auch wenn Hälfte zwei ein Auf und Ab war. Zuerst das 2:4. Phil Britscho wurde ein zweites Mal im Strafraum gefoult, Lerche verwandelte unmittelbar nach Wiederbeginn. Einen dritten Elfmeter verweigerte der Schiedsrichter der SGW nach einem mutmaßlichen Handspiel. Eine dicke vergebene Chance von Tim Brdaric.
Und dann Gelb-Rot für Lerche, der zweimal innerhalb kürzester Zeit im Kopfballduell den Ellenbogen zu Hilfe genommen haben sollte. Die „Absteiger!“-Rufe aus dem Gästeblock, auf die Wattenscheid die richtige Antwort hatte, die das Team vor der tollen Kulisse von 2709 Fans (rund die Hälfte aus Münster) im Großen und Ganzen auch nicht verdient hatte.
Mehr Stolz als Bitterkeit bei den Wattenscheidern
Torwart Kilian Neufeld hielt sein Team im Spiel, Yildiz und Brdaric wurden zu den vermeintlichen Helden der Schlussminuten. Aber dann kam noch Scherder. Dessen Siegtreffer schmerzte die SGW natürlich, aber es schwang viel Stolz mit im Anschluss. „Wenn du mich jetzt direkt fragst, ist es ein Rückschlag“, meinte Umut Yildiz, „aber wenn wir ein, zweimal drüber schlafen, ist es ein Schritt nach vorne. Mit zehn Mann zwei Tore zu machen, das soll mal einer nachmachen. Wir haben Moral, wir halten zusammen, wir werden nie aufgeben.“
Am kommenden Wochenende (Sa., 14 Uhr, Stadion am Zoo) wartet der Wuppertaler SV, der aufgrund des Spielausfalls in Ahlen den zweiten Tabellenplatz vorerst abgeben musste.
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