Wattenscheid. Nach dem desaströsen 0:4 gegen Schlusslicht Straelen war Wattenscheid-09-Trainer Britscho stocksauer. Routiniers sollen es zu spüren bekommen.
Mit einem kräftigen Handschlag zwischen Christian Britscho und Bekim Kastrati begann die Pressekonferenz im VIP-Raum des Lohrheidestadions. „Glückwunsch“, sagte Britscho, der Trainer der SG 09, zu Kastrati, dem Trainer des SV Straelen an diesem für die SG Wattenscheid 09 so düsteren Freitagabend.
Würde Britscho dazu neigen, in der Öffentlichkeit auszurasten wie ein wildes Rumpelstilzchen und mit wutentbrannter Stimme herum zu donnern, seine längst in der Kabine verschwundenen Spieler hätten womöglich vor Schreck den Duschhahn zugedreht und erst einmal schnell das Weite gesucht.
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Straelens Trainer mit vielen Glücksgefühlen - 4:0 schien doch unmöglich zu sein
0:4 gegen den SV Straelen. Gegen das Team, das acht Mal zuvor verloren hatte. Bekim Kastrati wusste gar nicht wohin mit all seinen Glücksgefühlen . „Ich freue mich wahnsinnig für die Jungs, wir hatten eine brutal schwierige Situation“, sagte er und wiederholte das so ähnlich ein paar Mal. Kurzum: „4:0, das hätte ich niemals für möglich gehalten.“
Anders herum eben: 0:4. Hat wohl auch niemand für möglich gehalten. 0:4 gegen das zuvor punktlose Tabellenschlusslicht. Und das war nicht einmal die erschreckendste Erkenntnis nach diesem Regionalliga-Spiel.
Es war keine Mannschaft zu erkennen.
Britscho blieb ganz ruhig in der Tonlage, aber umso bestimmter war seine Aussagekraft. Ein Rundumschlag vor allem gegen etliche Spieler, die meinen, als Führungsspieler aufzutreten in Wattenscheid, folgte.
Wattenscheids Trainer Britscho knöpft sich die Führungsspieler vor
„Wir haben die Chancen gehabt, die Straelener mit der gleichen Gemütslage nach Hause zu schicken wie sie hierhin gekommen sind. Unsere Torchancen zu Beginn haben wir nicht genutzt“, sagte Britscho. „Das ist aber nicht das Entscheidende heute. Nach 30 Minuten sind wir abgerückt von unseren Vorgaben, unserem Plan, jeden Meter, der nötig ist, zuzulaufen. Wir haben uns beim 0:1 abschütteln lassen, beim 0:2 decken wir nach dem Einwurf nicht, da gab es eine klare Zuteilung.“
Jetzt legte Britscho noch an Schärfe zu. „Ich habe oft die schützende Hand über die Jungs gehalten. Aber so wie heute dürfen wir nicht auseinanderfallen“, sagte er. „Wir haben einen jungen Kader. Aber unsere Startelf war nicht so unerfahren. Es waren viele etablierte, arrivierte Spieler auf dem Platz. Aber Verantwortung gezeigt haben nur ganz wenige. Wir werden ihnen ganz klar aufzeigen, was für einen Scheiß sie heute fabriziert haben. Deshalb müssen wir jetzt zwei Wochen mit so einem miesen Gefühl durch die Gegend laufen.“
Deshalb zweifelt Trainer Britscho nicht an sich selbst
Nach dem starken 2:2 gegen Borussia Mönchengladbachs U23 in der Vorwoche hatte Britscho die Stimmung noch gelobt, die Leistung, auch im Training. „Ich bin froh“, sagte er, „dass es wenigstens die erste halbe Stunde gab. Sonst hätte ich auch an mir selbst schwer gezweifelt.“
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In dieser halben Stunde setzte die SG 09 den Plan des Trainers um. Sprinter Kim Sane vergab zwei sehr gute Möglichkeiten. Nico Lucas eine noch viel bessere. Kein Tor. Von Straelen war bis dahin offensiv nichts zu sehen.
Kein Aufbäumen, nichts: Wattenscheid zeigte keinen Mannschafts-Sport
Dann fiel das 0:1, das 0:2, fast das 0:3 (Latte), das dann eben nach der Pause ins Tor kullerte. Dann, also 60 (!) Spielminuten, kam von Wattenscheid gar nichts mehr. Die Defensive: nicht mehr wirklich auf dem Platz. Die Offensive: harmlos. Auf sich gestellt. Das Mittelfeldzentrum: eine einzige Enttäuschung. Norman Jakubowski (29) oder Nico Lucas (25) dürfen sich von der Trainer-Aussage angesprochen fühlen. Unter anderen.
Es gab kein Aufbäumen, kein Füreinander-Dasein, keine Aggressivität, kein Nachrücken oder gemeinsames Zustellen. Man hörte auch keinen Motivator, der irgendwie das Ruder an sich und mit dem Team herumreißen wollte. Das hatte mit Viertliga-Fußball nichts zu tun. Es hatte auch mit Mannschafts-Sport nichts zu tun. Es werde auch Einzelgespräche geben, kündigte Britscho auf Nachfrage an, aber erst einmal eine große Video-Analyse samt Aussprache.
Die zwei positiven Aspekte: Torwart Neufeld und die Fans der SG Wattenscheid 09
So gab es an diesem Freitagabend nur zwei positive Aspekte aus dem Lohrheidestadion mitzunehmen. Torwart Kilian Neufeld gab kurz nach seiner Verpflichtung sein Debüt, weil Stammkeeper Bruno Staudt aus privaten Gründen nicht mitwirken konnte. Der 22-Jährige wurde von seinen Vorderleuten oft alleine gelassen, mit einigen Paraden verhinderte er eine noch höhere Niederlage, wie sie Wattenscheid ja in Ahlen (0:8) bereits erleben durfte. „Der Torwart war der ärmste Mann, der hier herumrennen musste“, sagte Britscho. „Daniel nehme ich komplett raus aus meiner Kritik.“
Und zweitens hatte Britscho, der Aufstiegs-Trainer, ein großes Lob für die Anhängerinnen und Anhänger parat. Auch und insbesondere für die kleine lautstarke Fraktion unter den gut 800 Fans. Die Spieler zogen nach dem Schlusspfiff zu ihnen, am Ende hörte man Applaus mit wohl aufmunterndem Charakter. „Wir wurden nicht ausgepfiffen und nicht beschimpft“, sagte Britscho und lobte einmal mehr die Unterstützung der Fans. „Das war das Schönste, was uns heute passieren konnte.“