Ahlen. In Ahlen geht die leblose SG Wattenscheid krachend unter, der Appell von Kapitän Schurig an die Mannschaft verpufft. Nur die Fans machen Mut.
„Das kann doch nicht wahr sein!“ – Die Worte von Marvin Schurig waren in der Trinkpause bis auf die Tribüne zu hören. 0:4 lag die SG Wattenscheid 09 Mitte der zweiten Hälfte schon bei Rot Weiss Ahlen hinten. „Positiv jetzt!“, war Schurigs Appell – die Mannschaft solle spielen, als ob es bei „0:0 weiter“ gehe. So entschlossen der Kapitän wirkte, so leblos reagierte die Mannschaft: 0:8 (0:1) ließ der ehemalige Bundesligist sich im Wersestadion abschießen.
„Jeder wusste, was auf einen zukommt, dass es in dieser Liga sehr schwer für uns wird“, meinte Nico Lucas. „Aber trotzdem ist klar, dass das, was uns heute passiert ist, niemals passieren darf.“
SG Wattenscheid 09: Das letzte bisschen Euphorie ist verflogen
Auf den Tag zwei Monate nach der fulminanten Aufstiegsfeier im Lohrheidestadion ist auch das letzte bisschen Euphorie verflogen. Eine durchwachsene Vorbereitung, gefolgt von einem Fehlstart: Drei Spiele, drei Niederlagen, 16 Gegentore. Eine Analyse der Klatsche in Ahlen sparte sich Trainer Christian Britscho nach dem Spiel, auch um seine Spieler zu schützen. Stattdessen meinte er vielsagend, er sei froh über die Höhe des Resultats: „Damit auch dem letzten ein Licht aufgeht, an welchen Dingen wir arbeiten müssen und was wir besser machen müssen, um in der Regionalliga anzukommen." Das Ergebnis sei so "genau das Richtige" gewesen.
Es war ein historisches Desaster, das als höchste Niederlage bzw. höchster Sieg in einem Punktspiel sowohl in die Geschichte der SG Wattenscheid als auch in die von RW Ahlen eingeht. In der Zweitliga-Saison 80/81 verlor die SGW allerdings auch bereits einmal 0:8 -- auswärts bei Hertha BSC.
Wendepunkt des Spiels war ein Strafstoß, der dritte der Saison im dritten Spiel gegen Wattenscheid: Timm Esser stocherte auf dem Boden liegend nach dem Ball, traf dabei Cihan Özkara. Der verwandelte den Elfmeter selbst zum 2:0, zwei Minuten nach der Pause. Was dann folgte, war so nicht zu erwarten und auch schwer zu erklären: Sechs Tore legte RWA nach, ohne dass die Wattenscheider sich nennenswert wehrten.
Schwaches Abwehrverhalten aus dem Wuppertal-Spiel nochmal unterboten
Beispielhaft: der Aussetzer von Timm Esser vor dem vierten Treffer, als er dem kleineren und schmaleren Hüseyin Bulut erlaubte, ihn zu überlaufen, abzudrängen, den Ball abzunehmen und dann unbedrängt einzuschießen. Es lag nicht an dieser Szene, dass die SGW das Spiel verlor, und es lag schon gar nicht nicht nur an Esser. Aber was dem stärksten Verteidiger der Aufstiegssaison passierte, veranschaulichte die Defizite des kompletten Wattenscheider Defensivverhaltens: Zu wenig Spannung, zu wenig Tempo im Kopf, zu wenig Tempo auf den Beinen. Und zumindest an diesem Samstag nicht die Stärke und den Willen, sich gegen die Niederlage zu stemmen.
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Allerspätestens mit dem vierten Tor in der 67. Minute war die Partie entschieden, schlimm genug. Auf Schurigs Trinkpausen-Appell folgten dann aber noch vier weitere Treffer, bei denen die Rot-Weissen sich mit aller Zeit und allem Platz bis in den Sechzehner durchkombinieren konnten. Wattenscheid hatte sich aufgegeben. Das gegen Wuppertal mangelhafte Defensivniveau unterbot die SGW am Samstag nochmals – obwohl der Trainer auf die zweimal vier Gegentore reagiert hatte.
Guter Start ins Spiel ist nachher kein Thema mehr
Nach zweimal 1:4 zum Auftakt hatte Britscho fast die halbe Startelf ausgetauscht, allein die Viererkette auf drei Positionen umgestellt. Nur Eduard Renke blieb rechts, Timm Esser und Moritz Hinnenkamp rückten neu in die Innenverteidigung, Kapitän Schurig rückte nach Linksaußen. Mit der Hereinnahme von Dennis Lerche und der Versetzung von Kim Sané auf den rechten Flügel hatte Britscho seinen Trainerkollegen Andreas Zimmermann überrascht. Die erste halbe Stunde war ausgeglichen, das war für Wattenscheider Verhältnisse gut – dann aber folgten zwei Nackenschläge.
Erst musste Kim Sané nach minutenlanger Behandlungspause mit einer Kopfverletzung ausgewechselt werden. Seine Platzwunde wurde getackert, Trainer Britscho befürchtet eine Gehirnerschütterung. Kurz drauf traf Ahlen zum 1:0, weil Andre Dej zentral vor dem Strafraum nicht attackiert wurde und aus rund 18 Metern freie Schussbahn hatte. Den bis dahin guten Eindruck machten die Wattenscheider in Hälfte zwei zunichte, groß darüber gesprochen wurde nicht mehr. Und über den Rest – auch nicht wirklich, zumindest nicht öffentlich.
SGW hat noch Kredit bei ihren Fans
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Die Aufarbeitung finde intern statt, antworteten Christian Britscho und Nico Lucas unabhängig voneinander auf die Frage nach den Gründen für die Auflösungserscheinungen. Zu bereden gibt es viel, der Spielplan dagegen ist gnadenlos: Am kommenden Samstag kommt Fortuna Köln ins Lohrheidestadion.
Noch verlassen kann sich die SGW offensichtlich auf den Rückhalt der Fans. Während RWA-Trainer Andreas Zimmermann sich nach der Gala seines Teams öffentlich über den dünnen Zuspruch von „achthundert und ein paar Zerquetschten“ im Stadion ärgerte (davon knapp 200 aus Wattenscheid), sollte die Zuschauerzahl im Lohrheidestadion in einer Woche wieder vierstellig sein.
Nach dem Spiel stand die ganze Mannschaft inklusive Trainerteam und Sportvorstand Christian Pozo y Tamayo vor dem Fanblock, bekam dort eher positiven Zuspruch. Lucas fasste es so zusammen: „Die Fans haben uns gesagt, dass weiter hinter uns stehen, aber auch, was sie von uns erwarten.“
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