Wattenscheid. Peter Neururer war vor der Insolvenz Sportdirektor der SGW. Im WAZ-Interview blickt er zurück – und auf das Duell mit seinem Wuppertaler SV.
Mit einem 1:4 bei Preußen Münster startete die SG Wattenscheid 09 in die Regionalliga-Spielzeit – am Sonntag (14 Uhr) wartet im Lohrheidestadion der zweite Kracher: Das Duell mit dem Wuppertaler SV. Dort in der Verantwortung: Peter Neururer, der 2019 bei der SGW das Amt des Sportdirektoren bekleidete, dieses aber niederlegte, bevor der Verein aufgrund der Insolvenz den Spielbetrieb einstellte. Nun kommt es zum Wiedersehen. Im ausführlichen WAZ-Interview erinnert sich Neururer an „schlimmste Momente“, spricht über die Arbeit seiner Nachfolger und seine Ziele mit dem WSV.
Herr Neururer, am Sonntag treten Sie in Wattenscheid an. Mit welchen Gedanken kehren Sie an die Lohrheide zurück?
Ich habe eine kurze Anfahrt, das ist wunderbar. Da treffen zwei Mannschaften aufeinander, die leider am ersten Spieltag verloren haben. Aber es ist ein Traditionsderby, das sich nach großem Fußball anhört.
SG Wattenscheid 09: „Erinnerungen an schlimmste Momente“
Sie waren Sportdirektor in Wattenscheid. Was ist Ihnen aus dieser Zeit im Gedächtnis geblieben?
Erinnerungen an schlimmste Momente. Nicht wegen Fans, Mannschaft, Trainer, Betreuer oder Co-Trainer. Sondern wegen all der anderen Menschen, die damals in Wattenscheid die Verantwortung hatten und alle belogen haben. Es war das größte Desaster für mich, vor allem die Begegnungen mit dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Oguzhan Can. Ich wusste nach einer Woche, dass alles auf Lug und Trug aufgebaut ist. Dass ich in dieser Zeit dabei sein musste… (denkt kurz nach) Ich fühlte mich genötigt.
Genötigt?
Ja, ganz einfach: Man hat mich gefragt, ob ich helfen kann, Wattenscheid in den bezahlten Fußball zu führen. Das basierte auf einem Konzept, das von vorne bis hinten erstunken und erlogen war. Auf der Hauptversammlung hat Oguzhan Can gesagt, dass alles durchfinanziert ist. Die laufende und auch die folgende Saison. Und das, obwohl der Verein da schon zahlungsunfähig war.
SG Wattenscheid 09: Neururer sagt, er sei nie bezahlt worden
Mit gravierenden Folgen auch für Sie.
Ich bin nie bezahlt worden, aber das war nicht so wichtig. Mannschaft und Trainer haben lange kein Geld bekommen. Alle in der Geschäftsstelle wussten, dass der Verein nichts bezahlen kann, haben das Spiel aber mitgespielt.
Anm. d. Red.: Can hat sich zu Neururers Aussagen geäußert: Mehr dazu lesen Sie hier
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Welche Konsequenzen gab es darauf?
Ich habe während des Abstiegskampfs für ein Kurztrainingslager ein Hotel besorgen wollen. Das kannte ich noch aus meiner Zeit bei Schalke 04. Die haben sich sogar gefreut mich zu sehen. Als ich dann gesagt habe, dass ich von Wattenscheid 09 komme, haben sie mich gefragt, ob ich das selber zahlen würde. Ein anderes Mal konnten wir Trikots nicht abholen, weil das Sportgeschäft, in dem sie lagen, zwei Jahre lang kein Geld vom Verein bekommen hatte.
„Es bleibt eine grauenhaft schlechte Erinnerung“
Würden Sie jetzt nochmal in Wattenscheid anheuern?
Es ist und bleibt eine grauenhaft schlechte Erinnerung. Aber die Beteiligten von damals sind ja allesamt weg. Mit dem Verein und den Fans habe ich kein Problem, ganz im Gegenteil. Ich weiß, dass der Etat nicht so groß ist, aber für das Geld würde ich es eh nicht machen. Das habe ich auch damals nicht, obwohl mir das bis heute kaum jemand glaubt.
Angeblich sollen Sie 9.000 Euro bekommen im Monat.
(lacht). Das ist nicht wahr (lacht laut und lange). 9.000 Euro im Monat! Ich fasse es nicht. Bekommen habe ich eh nie was. Und ganz nebenbei: In den Verträgen stand was von Verschwiegenheit.
Haben Sie noch Kontakt zu den Verantwortlichen von damals?
Nach meiner Zeit in Wattenscheid bin ich mehrmals bedroht worden. Einige dieser Bedrohungen kamen aus dem Can-Lager.
Neururer wollte einen großen Sponsoren finden
Die Zeit endete mit einem großen Knall. Von Ihnen hat man in Bezug auf Wattenscheid nur wenig gehört. Was haben Sie vor der Insolvenz gemacht?
Ich habe versucht, einen Sponsor zu organisieren. Das Gespräch lief so weit auch gut. Aber dann sagte jemand aus dem Aufsichtsrat, dass es ja super sei, dass jemand Geld gibt, um die Insolvenz abzuwenden. Danach war das Gespräch für den Sponsor vorbei. Hyundai war das damals, die hätten uns wirklich helfen können. Ich habe damals gesagt, dass ich meine Schlüssel für die Wattenscheider Geschäftsstelle abgeben werde. Habe ich dann auch.
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Haben Sie die Entwicklung des Vereins danach verfolgt?
Ja, und mich freut es unheimlich, dass der Verein sich etabliert hat. Ich kenne Christian Britscho noch aus seiner Zeit beim VfL Bochum und außerdem einige Spieler, die die schlimme Zeit damals mitmachen mussten.
Großes Lob für die Arbeit von Fischer, Pozo y Tamayo & Co.
Welchen Eindruck haben Sie von der Arbeit, die der Vorstand dort macht?
Das ist phänomenal. Ich war wirklich ergriffen, als ich von der Zuschauerzahl beim letzten Oberliga-Spiel gehört habe. Die waren ja nicht wegen Eintracht Rheine da. Daran sieht man, was im Ruhrgebiet möglich ist. Es war absolut großartig. Die Vereinsführung hat Großes geleistet und eine ganze Region aufgeweckt. Ich hoffe, dass es so bleibt. Die Niederlage in Münster wird man verkraften können. Und nach dem Spiel gegen Wuppertal soll Wattenscheid gern alles gewinnen. Das würde mich auch freuen.
Sie trainieren die VdV-Elf. Ist da nicht ein Spieler bei, der Wattenscheid 09 helfen könnte? Es wäre eine Win-Win-Situation.
Ja, mit Sicherheit. Da muss der Trainer mich nur mal fragen und mir sagen, welche Position er braucht. Da sind einige dabei, die interessant sind und auch gern in der Regionalliga spielen würden. Wir beim Wuppertaler SV können keinen mehr nehmen, unser Etat ist ausgeschöpft. Aber ich bin kein Spielervermittler. Ich mache den Job aus anderen Interessen.
Wuppertaler SV will Erster oder Zweiter werden
Sie sind nun Vorstandsmitglied beim Wuppertaler SV. Was treibt Sie immer wieder in den gehobenen Amateurfußball?
In Wattenscheid habe ich es wegen der Leute, die ich kannte, gemacht und weil ich glaubte, auch den Verein zu kennen. Es war reizvoll, einen Traditionsverein zurück in den bezahlten Fußball zu bringen. In Wuppertal ging um ganz andere Sachen. Da hatte ich ein Gespräch mit der Firma Stölting, bei der ich im Beirat sitze. Dann kam die Frage auf, ob ich den WSV begleiten wollte. Beim Wort Sportdirektor musste ich erst einmal schlucken. Der Aufbau läuft jetzt aber so, wie wir ihn geplant haben.
Wie sehen Sie die Rolle des WSV in dieser Saison?
Es werden vier, fünf Mannschaften sein, die oben mitspielen. Wir haben Ziele, wir waren zuletzt Dritter. Das heißt, wir wollen Zweiter oder vielleicht Erster werden. Deshalb haben wir ein Konzept entwickelt, bei der wir eine Ausgliederung voranschreiten lassen. Wir werden Kräfte zu bündeln, um einen Aufstieg zu planen. Aber das muss auf gesunden Beinen stehen. Die Ziele sind klar formuliert. Und ich möchte meinen Ruhestand nicht in der vierten Liga feiern.
„Wattenscheid kann mit der ein oder anderen Niederlage leben“
Das erste Spiel ging verloren, danach gab es deutliche Worte an die Mannschaft. Berechtigt aus Ihrer Sicht?
Der Start war mehr als enttäuschend. Deshalb haben Trainer und Sportdirektor auch die richtigen Worte gefunden. Da habe ich vollstes Vertrauen. Wenn der Sportvorstand diesbezüglich tätig werden sollte, sind Hopfen und Malz eh verloren.
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Darf Wattenscheid 09 also davon ausgehen, dass Wuppertal am Sonntag mit Wut im Bauch anreisen wird?
Ich gehe davon aus, dass der Trainer die Energien, die wir am ersten Spieltag nicht aufgewendet haben, bündeln und mit nach Wattenscheid nehmen kann. Wattenscheid hat eine Mannschaft mit großer Mentalität. Die Liga ist sowieso so knapp.
Was erwarten Sie von dem Spiel am Sonntag?
Mir ist vollkommen egal was passiert, so lange Wuppertal gewinnt. Wattenscheid kann mit der einen oder anderen Niederlage zu Beginn leben. Bei uns könnte es nach zwei Niederlagen zum Auftakt unruhig werden.
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