Wattenscheid. Schon Hannes Bongartz hat bei Wattenscheid 09 gewarnt – 2019 war der Verein am Ende. Dass der Weg nun wieder nach oben geht, ist kein Zufall.

Die Losung, die Christian Britscho ausgegeben hat, ist klar. Für den Trainer der SG Wattenscheid 09 und seine Mannschaft soll es eine ganz normale Woche sein. Wie jede andere vor einem Spieltag. Aber dies ist keine normale Woche, es ist eine außergewöhnliche. Am Pfingstmontag kann der lange krisengeplagte Traditionsverein den Aufstieg in die Regionalliga schaffen. Außergewöhnlich ist das vor allem mit Blick auf die Historie des ehemaligen Bundesligisten, der 2019 Insolvenz anmelden und aus finanziellen Gründen den Spielbetrieb vorübergehend einstellen musste.

Ein Heimsieg im Oberliga-Spiel gegen Eintracht Rheine (15 Uhr) reicht, dann steigt Wattenscheid 09 auf. Seit dem zehnten Spieltag stand die Mannschaft nicht mehr auf einem Aufstiegsplatz, jetzt aber steht das Tor zur vierten Liga weit auf. Es wäre der vorläufige Höhepunkt eines Weges, auf dem der Verein nach Rückschlägen immer wieder aufstehen musste. Etwa nach drei sieglosen Spielen in Serie, mehrmals nach Rückständen – und vor allem nach der Insolvenz. Der Weg aus dieser Krise: In einem schwierigen Umfeld mit den Bundesligisten Borussia Dortmund, Schalke 04 und VfL Bochum hat sich die SGW neu erfunden.

Wattenscheid 09: Große Zeit von 1990 bis 1994

Gute Laune bei 09: Umut Yildiz und Dennis Lerche können mit Wattenscheid den Regionalliga-Aufstieg perfekt machen.
Gute Laune bei 09: Umut Yildiz und Dennis Lerche können mit Wattenscheid den Regionalliga-Aufstieg perfekt machen. © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann

Aus dem chronisch unterfinanzierten Verein ist einer geworden, der Strahlkraft hat. Einer, der inzwischen Fan-Artikel nach England und Dauerkarten nach Finnland verschickt. Und der im Lohrheidestadion zuletzt wieder regelmäßig vor über 1000 Gästen spielt.

In den vergangen Jahren hingegen hatte sich Wattenscheid 09 stets mit dem Missverhältnis zwischen dem eigenen Anspruch und dem, was möglich war, geplagt. Der Klub, 1990 in die Bundesliga gehievt mit Finanzspritzen des 2009 verstorbenen Klaus Steilmann, geriet nach dem Rückzug des einstigen Mäzens, den sie bis heute in Wattenscheid den „Boss“ nennen, immer wieder in die Hände von Geldgebern mit Anspruch auf Einflussnahme. Auch sie wollten der Boss sein. Das ging mehrmals gehörig schief, zuletzt mündete so ein Engagement in der Insolvenz.

Hannes Bongartz hat mitgelitten

Hannes Bongartz, das erzählt er heute, habe immer vor dieser Machtkonzentration auf eine Person gewarnt. Der 70-Jährige führte die Schwarz-Weißen 1990 als Trainer in die Bundesliga, in den vier Jahren als Erstligist schlug die SGW zweimal den FC Bayern. Das sind die Geschichten, die sich die Menschen heute noch erzählen. Hinter den Kulissen hingegen wurde deutlich über andere Themen gesprochen, aber offenbar wenig zugehört. „Ich habe damals immer gesagt, dass der Boss das nicht immer alleine machen kann“, erinnert sich Bongartz im Gespräch mit dieser Redaktion. Eine Zeit lang habe sich der Verein finanziell über Wasser halten können, „weil wir immer den besten Spieler verkauft haben“.

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Bongartz’ Herz schlägt weiterhin auch für Wattenscheid 09. Er habe die Entwicklung seines früheren Vereins aufmerksam verfolgt. Die Schieflage während Insolvenz habe ihn tief berührt. Jetzt freut er sich darüber, dass es im Lohrheidestadion eine Aufstiegsfeier geben könnte. Möglich gemacht hat das ein 2019 neu aufgestellter fünfköpfiger Vorstand. Jeder hat seinen Arbeitsbereich, weiß, was er dort zu tun hat.

Alle packen mit an

Der Aufwand lastet auf mehreren Schultern, Sportvorstand Christian Pozo y Tamayo aber findet, dass der plötzliche Erfolg noch mehr Garanten hat: „Grundsätzlich ist die ganze Entwicklung, ob es am Ende reicht oder nicht, ein Verdienst von allen, die sich in diesem Klub engagieren. Egal ob in kurzen Hosen auf dem Platz oder mit Ordnerweste in der Kurve.“

Wattenscheid 09 als Herzensprojekt? Das Gros der Arbeit leisten Ehrenamtliche, und auch die meisten Spieler decken – so heißt es – nicht viel mehr als ihre Fahrtkosten. Marvin Schurig, der die Mannschaft während der Saison als Kapitän aufs Feld führte, spricht aus Sicht der Fußballer: „In unserem Verein spielt man nicht wegen des Geldes. Für Wattenscheid 09 spielt man aus Leidenschaft und Liebe.“

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