Wattenscheid. Dennis Lerche ist der Mann der Stunde bei der SG Wattenscheid. Der emotionale Stürmer sagt aber im WAZ-Interview: „Ich darf mich nicht ausruhen.“

Er ist bei der SG Wattenscheid 09 der Mann der Stunde: Dennis Lerche, 26 Jahre alt, Winter-Neuzugang. In zwei Partien der Aufstiegsrunde hat der 1,95 Meter große Außenstürmer zwei wichtige Tore geschossen - und beide jeweils kurz nach seiner Einwechslung. Wir sprachen mit dem gebürtigen Krefelder über seine Laufbahn, emotionale Ereignisse in der Vergangenheit und über einen Vergleich mit dem früheren BVB-Profi Kevin Großkreutz.

Herr Lerche, Christian Britscho sagte nach dem Spiel in Dortmund, sie sollen die Stammkneipe abschließen, also als Letzter gehen. Haben Sie auf Ihren Trainer gehört?

Dennis Lerche: Ich war noch da, es war aber nicht mehr so viel los. Dann habe ich mir zwei zuckerfreie Getränke gegönnt und eine Kleinigkeit gegessen. Ich darf mich nicht ausruhen.

Das spricht für Akribie.

Auf jeden Fall. Die beiden Getränke waren auch eine Ausnahme. Ich muss eigentlich bei Wasser bleiben, weil ich an mir arbeiten will und muss. Ein paar Kilos sollen noch purzeln.

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Als sie nach Wattenscheid kamen, hieß es, Sie müssten sich in eine gute Verfassung bringen. Was haben Sie seitdem gemacht?

Ich kam mit einem Körpergewicht von 121 Kilo. Meine Personal Trainer Lukas Fronczyk und Karoj Sindi machen seit einiger Zeit ein positionsspezifisches Training und bringen mich auf allen Ebenen weiter. Sie zeigen mir, wie mich Ernährung, Vorbereitung und alles was zu einer professionellen Einstellung und Umstellung gehört, weiterbringen. Zum Beispiel gehe ich jeden Morgen um 6 Uhr vor der Arbeit joggen. Die beiden haben mir aufgezeigt, welchen Preis ich zahlen muss, um weiterzukommen. Seitdem bin ich hungrig auf Erfolg. Vieles hat sich verändert. Mein Fokus liegt auf dem Fußball.

Wo war Ihr Fokus vorher?

Vor rund zwei Jahren sind meine Großeltern innerhalb einer Woche verstorben. Ich bin bei ihnen aufgewachsen. Danach hatte ich den Kopf ganz woanders. Zum zweiten Mal schon.

Wann noch?

Immer, wenn meine sportliche Karriere einen Knick gemacht hat, hatte es mit Ereignissen in meinem Umfeld zu tun.

Auch nach der Zeit in Uerdingen?

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Im Sommer 2015 hat sich mein Onkel das Leben genommen. Das war eine ganz düstere Zeit für uns, und ich habe mir gesagt, dass ich vor allem für meine Großeltern da sein muss. Ich habe den Fußball zur Seite gelegt und war für meine Familie da. Aus diesem Ereignis habe ich aber Kraft und Motivation für den zweiten Anlauf meiner Karriere geschöpft.

Wie das?

Als ich mit dem Fußball anfangen wollte, hat mich mein Opa zum Linner SV gebracht. Er hat den Verein geliebt, da hatte auch mein Onkel gespielt. Im Sommer 2020 bin ich wieder zu dem Verein gegangen. Da habe ich mir dann vorgenommen, noch einmal durchzustarten.

Woraus ist dieser Ehrgeiz entstanden?

Ali Issa und sein Bruder Issa sind meine besten Freunde. Sie kannten meinen Opa aus der Zeit beim KFC Uerdingen. Ihm habe ich alles zu verdanken, er hat immer an mich geglaubt. Die beiden sorgen jetzt dafür, dass sein Wunsch an mich, dass ich immer meinen Weg gehen soll, in Erfüllung geht.

Ist das jetzt Ihr zweiter Karriere-Anlauf?

Ja.

Sie spielen nun in Wattenscheid. Können Sie sich noch an den ersten Kontakt zum neuen Verein erinnern?

Er schreit alle Gefühle raus: Dennis Lerche nach seinem Treffer für Wattenscheid 09 gegen den SC Paderborn.
Er schreit alle Gefühle raus: Dennis Lerche nach seinem Treffer für Wattenscheid 09 gegen den SC Paderborn. © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann

Der Kontakt ist über Issa und Ali und den damaligen Torwart-Trainer Lukas Fronczyk entstanden. Wir hatten dann mit Wattenscheid ein Testspiel. Da habe ich kurz mitgemacht, mich dabei aber verletzt. Ich wusste, dass Wattenscheid an mir Interesse hatte.

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Was haben Sie gedacht, als Sie verletzt raus mussten?

Da sind ein paar Tränen geflossen. In dem Moment war es für mich das Spiel meines Lebens. Ich wollte die Chance nutzen. Es waren außerdem noch ein paar Leute da, die mich unterstützt haben. Das hat mir viel bedeutet, und für sie tat es mir auch leid.

Der Verein hat Sie trotzdem verpflichtet. Was hat das bei Ihnen ausgelöst?

Das waren pure Emotionen, ich habe mich riesig gefreut. Dass alle im Verein an mich geglaubt und mein Potenzial gesehen haben, sorgt mit dafür, dass ich so viel Ehrgeiz zeige.

Sie tragen Ihr Herz offenbar auf der Zunge. Ist die Emotionalität Ihre größte Qualität?

Ich bin von meinen Emotionen sehr geleitet. Ich liebe den Fußball, spiele für einen geilen Verein. Unsere Fans sind einfach sensationell. Dass ich Fußball spielen kann, sieht man allerdings auch (lacht).

Die Fans haben Sie voll angenommen. Hat Sie das überrascht?

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Ja, das muss ich schon so sagen. Es ist immer schwierig, in eine neue Mannschaft zu kommen. Und ich bin eigentlich ein zurückhaltender Typ. Dass die Fans mich so aufgenommen haben, hat mir geholfen, mich zu öffnen. Ich bin jetzt lauter. Aber positiv laut.

Gefällt Ihnen der Schlachtruf, mit dem die Fans Sie fordern?

Der Spitzname „Bulle“ gefällt mir. Er passt ja zu meinem Spiel da vorne. Dass die Fans mich sehen wollten, war ein Extra-Ansporn. In so einem Moment schmeißt man alles rein. Das macht alle glücklich, die dazugehören.

Sie kamen in zwei Spielen in Folge rein und haben sofort getroffen. Entspricht das Ihrer Art, Fußball zu spielen?

Ja, auf jeden Fall. Diese Momente, in denen der Gegner nicht damit rechnet, dass ich eine Bude mache, erkenne und nutze ich. Außerdem weiß ich, dass ich aus jeder Lage schießen kann. Ich habe einen guten linken Schuss und kann das Spiel an mich reißen mit meiner Präsenz.

Was macht Sie auf dem Platz aus? Auf jeden Fall ein paar Dinge, die ich noch verbessern kann, wenn ich in einer noch besseren körperlichen Verfassung bin. Dann kann ich mehr Wege gehen, werde noch schneller und spritziger. Und ich identifiziere mich eben voll mit den Fans. Mit einem habe ich nach dem Spiel in Aplerbeck gesprochen. Er meinte, ich sei wie Kevin Großkreutz in Dortmund. Damit käme ich ganz gut klar. Man sollte den Verein lieben, für den man spielt. Das mache ich.

Wohin soll Ihr Weg gehen?

Ich hoffe, dass wir das Bestmögliche rausgehen und dass wir unsere Hausaufgaben machen. Irgendwer vor uns wird bestimmt noch Punkte liegen lassen. Mein persönliches Ziel mag überraschen. Ich will nicht ausschließen, dass der Fußball eines Tages doch noch mein Beruf wird.

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