Wattenscheid. Vor dem Spiel gegen den ASC ist Wattenscheid 09 zurück im Aufstiegsrennen zur Regionalliga. Trainer Britscho spricht im ausführlichen Interview.

Noch vier Spiele hat Fußball-Oberligist SG Wattenscheid 09 in der Aufstiegsrunde zur Regionalliga zu absolvieren. Der ehemalige Bundesligist ist Fünfter, hat noch einen Zähler Rückstand auf einen Aufstiegsplatz. Vor dem Auswärtsspiel am Sonntag (15 Uhr) beim ASC 09 Dortmund sprachen wir mit Trainer Christian Britscho (52.).

Herr Britscho, Sie brauchen immer recht lange, um ein Spiel zu verarbeiten. Diesmal auch?

Ja, es war wieder so. Aber diesmal mit einem anderen Gefühl in der Magengegend. Der Sieg gegen Paderborn (2:1, Anm.d.Red.) tat allen gut, auch mir. Das war ein Zeitpunkt, an dem man gemerkt hat, wie viele gute Gefühle einem der Sport geben kann.

Gab es die vorher nicht?

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Das umgekehrte Beispiel dafür war das Spiel gegen Kaan-Marienborn (1:1, Anm.d.Red.). Da hat ein Einwurf, den eigentlich wir hätten kriegen müssen, zum späten Gegentor und Ausgleich geführt. Das hat sich komplett anders angefühlt. Der Fußball gibt einem viel, aber er hat auch Seiten, die nicht so schön sind. Das gehört allerdings dazu, wenn man einen Wettkampfsport betreibt.

Mit etwas Abstand: Was war anders am Sonntag?

Es sind viele Kleinigkeiten. Wir sind gut beraten, uns davon zu lösen, dass wir nur das Ergebnis allein sehen. Das war außergewöhnlich wichtig für die Ausgangslage. Aber was das Spiel betrifft: Die Jungs mussten liefern, und sie haben geliefert.

Das mussten sie vorher aber auch. War die Mannschaft am Sonntag weniger verkopft?

Das ist schwierig zu sagen. In den Spielen davor hatten wir vielleicht noch das Kaan-Spiel im Kopf. Das hat sich einfach nicht richtig angefühlt. So ein Erlebnis kann auch mal länger als drei Tage dauern, bis man es verarbeitet hat.

Hat der späte Siegtreffer in der Mannschaft etwas freigesetzt?

Der Treffer könnte das Momentum sein, das wir brauchen. Es wäre schön, wenn es so wäre.

Ist es gelungen, die Schwachstellen abzustellen?

Welche genau?

Der fehlende Offensivdrang zum Beispiel. Oder die Klarheit im Spiel.

Das Gefühl habe ich, ja. In Rhynern hatten wir wenige Chancen, gegen Gütersloh hatten wir innerhalb von fünf Minuten nach der Pause drei Hochkaräter. Da hat der Knotenlöser gefehlt, vielleicht kam er eine Woche später, ich weiß es nicht. Jetzt müssen wir zeigen, dass wir das, was wir geboten haben, konservieren können.

Es ist Ihre zweite Saison in Wattenscheid. Entwickelt sich die Mannschaft so, wie Sie es erwartet haben?

Nein, wir sind sportlich schon viel, viel weiter. Dass wir zum jetzigen Zeitpunkt da oben mitmischen können, ist außergewöhnlich und total irre. Ich bin bei dieser Gesamtsituation mächtig stolz auf jeden einzelnen der Jungs, und auch auf den Verein. Wenn ich an den Rahmen denke, der uns beim Gütersloh-Spiel geboten wurde mit Einlaufkindern und über 1200 Zuschauern, dann weiß ich, dass zwischen Mannschaft und Verein etwas Gemeinsames wächst. Wir sind aber weit davon entfernt, zu sagen, dass es rosig aussieht.

Was wäre denn rosig?

Wir müssen unsere Tischdecke hin und her zupfen, um attraktiv für Spieler zu sein. Das ist einfach so. Wir müssen uns darüber aber immer im Klaren sein. Deshalb gehen wir den Weg mit jungen, hungrigen Spielern weiter. Das kann dazu führen, dass uns mal die Konstanz fehlt. Wobei die über die gesamte Saison betrachtet nicht stark schwankte.

Ist dieses Delta zwischen dem Sportlichen und dem Vereinspolitischen gesund oder birgt es Gefahren?

Es ist schon gut so, wie es ist. Beide Bereiche müssen sich gegenseitig updaten. Uns Sportler erdet es immer, dass wir wissen, was wir haben.

Einige Fans haben nach dem Spiel gesagt, dass endlich wieder eine Maschine im Sturm spielt. Ist das so?

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Dennis Lerche ist ein wahnsinnig emotionaler, ein wahnsinnig körperlicher Spieler, der sich voll einbringt. Maschine ist vielleicht ein despektierlicher Begriff. Er gibt alles, er bringt alles. Deshalb ist es ist toll, dass die Fans es annehmen. Wer weiß, wie man in einem anderen Verein mit ihm umgegangen wäre, wenn er noch nicht die körperlichen Voraussetzungen für die Oberliga mitgebracht hätte? Er geht seinen Weg, und ich habe das Gefühl, dass er ihn weitergehen wird. Es ist schön, dass er der Möhre nicht immer nur hinterherlaufen musste, sondern jetzt auch mal reinbeißen durfte.

Warum ist die SGW-Offensive trotzdem so harmlos?

Dass sie harmlos ist, mögen Sie so sehen. Ja, wir hätten mehr Tore schießen können. Das reklamiert ja jeder für sich. Dafür ist unsere Punktausbeute gut. Wir mussten in jedem Spiel an unsere Grenze gehen. Das sehe ich aber positiv: Egal, gegen welchen Gegner: Die Jungs sind immer da.

Die Vereinsführung plant zweigleisig, auch wenn der Aufstieg schwierig ist. Wie planen Sie?

Im Hinterkopf zweigleisig. Es gibt für die unterschiedlichen Ligen entsprechende Termine. Aber in die finale Planung bin ich noch nicht eingestiegen. Momentan konzentriere ich mich auf die Chance, die vor uns liegt. Die ist überraschend da. Und zwei Prozent weniger könnten am Ende entscheidend sein.

Das Restprogramm dürfte Ihnen in die Karten spielen.

Netter Versuch (lacht). Das sehe ich nicht so.

Wie denn?

Ich hatte nie das Gefühl, dass meine Mannschaft einen Gegner unterschätzen würde. In der Vorrunde mussten wir immer ans Maximum gehen. Denn gegen Wattenscheid 09 gehen alle offenbar gerne an ihre Schmerzgrenze. Das ist ein Faktor, den wir berücksichtigen müssen. Es sind noch vier Spiele, die müssen wir alle gewinnen. Egal, gegen wen: Es ist immer schwierig.

Der ASC 09 ist am Sonntag Gastgeber. Was erwarten Sie von diesem Spiel?

Maximilian Podehl ist einer der stärksten Torjäger der Liga. Wir müssen ihre Offensivstärke in den Griff bekommen und unser Spiel so durchziehen wie gegen Paderborn. Gerade in Aplerbeck auf dem kleinen Platz ist es immer umkämpft. Das waren nie Spiele, die klar für irgendwen ausgegangen sind. In der Hinrunde haben sie uns geschlagen. Jetzt sind wir mal dran.