Wattenscheid. Wattenscheid-09-Vorstand Pozo y Tamayo hakt die Regionalliga nicht ab - und spricht über Erwartungen, Fans, RW Essen, Feierabend-Fußball.

Zwei Spiele in Folge hat Fußball-Oberligist SG Wattenscheid 09 in der Aufstiegsrunde zur Regionalliga verloren. Beim 0:1 gegen den FC Gütersloh am vergangenen Sonntag zeigte sich die Mannschaft in besonders schlechter Verfassung. Wir sprachen nach dem Spiel mit SGW-Sportvorstand Christian Pozo y Tamayo über die Chancen des ehemaligen Bundesligisten und die Planung für die kommende Saison.

Herr Pozo y Tamayo, haben Sie sich nach dem Gütersloh-Spiel schon erholt?

Nein, noch nicht wirklich. Das dauert bei mir auch immer ein wenig länger. Ich schaue mir das Spiel vermutlich nochmal an und werde dann etwa Mitte der Woche wieder an das kommende denken.

Haben Sie sich eher über das Ergebnis oder über das Zustandekommen der Niederlage geärgert?

Über das Gesamtpaket. Wir hatten eine tolle Kulisse mit 1.200 Zuschauern, Einlaufkindern und einem schönen Programm rund um das Spiel. Aber wir haben nicht performt. Da geht’s gar nicht um die Tabellensituation. Ich habe das Gefühl, dass wir den einen oder anderen mächtig enttäuscht haben.

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An wen richten Sie den Vorwurf?

Insgesamt waren wir nicht griffig genug.

Also an die Mannschaft?

Klar, da brauche nicht um den heißen Brei herumzureden.

Darum plant die SG Wattenscheid 09 weiter zweigleisig

Planen Sie nun für die Oberliga?

Nein, das würde ich nicht sagen.

Warum nicht?

Wir planen weiter zweigleisig. Die Situation hat sich für uns verschlechtert. Aber wir haben nur drei Punkte Rückstand auf den Tabellenzweiten und spielen am Sonntag zuhause gegen Paderborn. Auch das Spiel beginnt mit 0:0.

Wird der Rahmen gegen Paderborn wieder so aussehen?

Es ist jetzt Zeit, demütiger zu werden. Wir werden diese Woche sicher nicht dazu nutzen, um Videos zu drehen und damit die Werbetrommel zu rühren. Wir freuen uns über jeden Fan, der kommt, das hat die Mannschaft verdient. Sie zeigt ja trotzdem Herz. Aber aktuell sind wir wohl in der Bring-Schuld.

Christian Pozo y Tamayo, Vorstand der SG Wattenscheid 09, ist mit der Entwicklung des Teams und Vereins zufrieden.
Christian Pozo y Tamayo, Vorstand der SG Wattenscheid 09, ist mit der Entwicklung des Teams und Vereins zufrieden. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Zwei Siege mehr und die SGW wäre nun Tabellenführer.

Ich weiß. Aber es bringt nichts, sich darüber zu ärgern. Das würde zu viel Energie und Zeit kosten, wenn wir uns um Vergangenes kümmern würden. Kaan-Marienborn hat hier zum Beispiel mit anderthalb Chancen vier Punkte geholt. Aber warum sollen wir uns jetzt damit beschäftigen? Unser Thema ist Paderborn. Da waren wir im Hinspiel unterlegen, aber es gab einen Zeitpunkt, in dem das Spiel hätte kippen können. Also haben wir Chancen.

Aus welchem Grund gibt es keine klare Ansage vom Verein bezüglich eines Ziels?

Paderborn kann Spieler aus Südkorea und der Schweiz verpflichten, wir schauen uns eher woanders um. Wir haben einen riesengroßen finanziellen Nachteil. Also wäre es aus meiner Sicht vermessen, zum Beispiel den Aufstieg zu fordern. Und was würde es uns bringen? Am Sonntag gab es vereinzelte Pfiffe von unseren Fans. Was wäre denn wohl passiert, wenn wir gesagt hätten, dass wir unbedingt mit allen Mitteln aufsteigen wollen? Momentan steht uns Demut gut.

Vergessen das manche?

Also ich nicht. Aber es gibt sicher ein paar Leute, die das anders sehen. Natürlich darf man das hinterfragen, sollte aber nie vergessen, wo wir herkommen.

Pozo: Mit 70 Ehrenamtlichen brauchen wir RW Essen nicht zu empfangen

Wäre der Verein überhaupt schon reif für den Aufstieg?

Die Mannschaft bestimmt. Da fehlen vielleicht noch ein paar Prozent. Mit denen hätten wir uns gegen Kaan nicht das 1:1 in der 92. Minute gefangen. Wir als Verein müssten uns breiter aufstellen. Nur mit 70 Ehrenamtlichen, die wichtig für uns sind und einen tollen Job machen, brauchen wir Rot-Weiss Essen allerdings nicht zu empfangen, das würde nicht funktionieren.

Aber es wäre ja nicht das erste Mal, dass es an der Lohrheide ein Risikospiel gibt.

Wir planen immer in Szenarien. Und demnach würden wir auch bei einem Aufstieg nichts machen, das wir uns nicht leisten können.

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Bedeutet das sogar einen Verzicht?

Nein. Aber jedem muss klar sein, dass wir auch in der Regionalliga nur Feierabend-Fußball anbieten würden. Das klingt böse, aber das Semi-Profitum ist für uns zu teuer, das können wir uns nicht leisten. Wenn die Mannschaft sich den Aufstieg verdient, soll sie auch belohnt werden und dafür würden wir alles tun, was in unserer Macht steht.

Auch mit dem Risiko, dass die Mannschaft in der Regionalliga untergeht?

Drei Punkte aus Essen werden ja traditionell kampflos übergeben (lacht). Spaß beiseite: Wir sind uns bewusst, dass in der vierten Liga nochmal ein anderer Wind weht und wir uns sicherlich hier und da verstärken müssten. Den aktuellen Etat müssten wir dann sicherlich nochmal leicht erhöhen, aber weiterhin mit Augenmaß..

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Pozo über Konkurrenz und Verstärkungen mit Augenmaß

Mannschaften wie Rhynern oder Gütersloh wirkten in den direkten Duellen reifer und homogener. Was fehlt Wattenscheid 09, um auf so ein Level zu kommen?

Das sind Mannschaften, die in den letzten Jahren gewachsen sind. Die haben einen Vorsprung. Wir haben mit unserer Mannschaft vor dieser Saison neun Spiele gemacht. Trotzdem ist eine Entwicklung da. Die geht weiter, und das gefällt mir gut.

Welche Mannschaftsteile wollen Sie verstärken?

Erstmal wollen wir das Gerüst halten. Bisher gelingt uns das gut, die Gespräche waren sehr positiv. Es wird die eine oder andere Änderung geben. Aber es wird keine grundlegende sein. Wenn, dann verstärken wir uns punktuell.

Zum Beispiel im Sturm?

Da würden wir uns wohl ergänzen. Felix Casalino kommt in der Bewertung oft zu schlecht weg. In den letzten beiden Spielen hat die Offensive insgesamt nicht funktioniert. Und dementsprechend unseren Stürmern zu wenig angeboten. Das beste Stürmeralter beginnt in meinen Augen irgendwo bei 25 (Casalino ist 23, Anm. d. Red.). Ich glaube, dass er eine richtige Zukunft hat – hoffentlich auch bei uns. Er hat unseren Weg bis hier hin mit geprägt. Als ersten Neuzugang haben wir mit Außenverteidiger Eduard Renke von der TSG Sprockhövel ein starkes, erst 19-jähriges Talent für uns gewinnen können, das freut uns sehr.

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Im Trainingslager vergangenes Jahr wurde der Vertrag mit Trainer Christian Britscho verlängert. Passiert das dieses Jahr wieder?

Wenn er möchte, würden wir das sicherlich machen. Ich finde, dass er mit seiner Art gut hierher passt. Seine Leistung spricht auch für ihn. Er hat aus unseren bescheidenen Mitteln sportlich eine Menge gemacht.