Essen. Läufer sind mitteilsam - auch Moderator Sven Lorig, der ein Buch über seine Laufbegeisterung verfasst hat. Unser Laufblogger hat mit ihm geplaudert.

Der TV-Moderator Sven Lorig wendet sich mit seinem Buch „Lässig laufen“ („Lässig laufen“, Bastei Lübbe, 9,99 Euro.) an ganz normale Freizeit-Athleten und trifft damit einen Nerv. Mit zahlreichen Anekdoten aus seinem Läuferleben nimmt Lorig seine Leser an die Hand und sorgt für hohen Wiedererkennungswert. Denn alles, was Lorig da erzählt, dürfte einem Großteil seiner Leser auch schon passiert sein.

Wie bei Lorig war auch bei vielen anderen Läufern ein Blick auf die Waage oder in den Spiegel der Grund, erste Schritte zu wagen. In lockerem Ton berichtet Lorig von Fortschritten und Rückschlägen und von der Schnapsidee, einen Marathon zu laufen. Dabei scheut sich der inzwischen zum Vereinsläufer gereifte Autor nicht, Fehler zuzugeben. Damit die Leser eben diese Fehler nicht machen, gibt Lorig Tipps zu Training, Lauftaktik und innerer Einstellung.

Laufen mit einer Portion Lockerheit

Trotz aller sportlichen Ambitionen, die der Autor mit der Zeit entwickelt hat, gelingt es Lorig zu zeigen, dass Verbissenheit selten zum Erfolg führt und dass eine gewisse Portion Lockerheit und Lässigkeit die beste Voraussetzung sind, letztlich zum Erfolg zu kommen – oder einfach nur Spaß an seinem Hobby zu haben.

Das Buch
Das Buch "Lässig Laufen" von Sven Lorig. © Bastei Lübbe

Ich habe mit Sven Lorig über sein Buch, seine Lauferfahrungen und den Laufsport gesprochen. Und darüber, warum Männer Mitte 40 an Wettkämpfen teilnehmen und Mut zu mehr Selbstbewusstsein haben sollten. Aus einem Interview entwickelte sich ein Gespräch über die gemeinsame Leidenschaft: das Laufen.

"100 Meter waren früher kürzer"

Stefan Reinke: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Laufbuch zu schreiben?

Sven Lorig: Beim Laufen höre ich immer Hörbücher – Krimis und Thriller. Das trägt mich in der Marathon-Vorbereitung durch die langen Läufe. Ich bin ein Krimi- und Thriller-Fan und wollte so etwas schreiben. Mit meinem Management saß ich dann bei Lübbe, stellte aber fest, dass wir dort der Leiterin „Sachbuch“ gegenüber saßen. Die fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, ein Sachbuch zu schreiben. Ich antwortet, dass ich ja außer Laufen nichts kann – sie sagte: „Laufbuch ist super!“

Ich war erst skeptisch, ob ich das überhaupt kann. Meine Managerin sagte dann aber, dass ich ihr eh ständig mit meiner Lauferei in den Ohren liege und auf Partys kein anderes Thema kenne... Ich würde schon sehen, dass ich auch darüber schreiben kann. Beim Schreiben floss es dann tatsächlich nur so aus mir heraus.

War von Anfang an klar, dass es kein klassischer Ratgeber, sondern eher ein Buch mit Anekdoten?

Lorig: Ja, genau. Es sollte anekdotisch sein, aber auch Praxis-Tipps enthalten. Wir haben es dann so entwickelt, dass ich in einem Teil erkläre, wie es richtig geht und im anderen Teil erzähle, wie ich es gemacht habe. Ich habe ja logischerweise viele Fehler gemacht und wollte dann anhand vieler Beispiele zeigen, wie man sich beim Laufen auch selber im Weg stehen kann, zum Beispiel wenn man sich zu hohe Ziele setzt und die zu verbissen verfolgt. Beim Schreiben habe ich gemerkt, dass mich dieses lässige Laufen weitergebracht hat.

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Die Lehre, die man aus dem Buch ziehen kann, ist, dass Laufen kein Hexenwerk ist. War das Ihr Ziel?

Lorig: Ich wollte viele Sachen schreiben, die mir passiert sind. Keine Geschichte in dem Buch ist ausgedacht, alles ist so passiert. Ich habe versucht, es so darzustellen, dass sich viele darin wiedererkennen und auch über sich lachen können. Der Lerneffekt soll der sein, dass man einfach gelassener sein sollte.

Sie sind ja mit einem konkreten Ziel zum Laufen gekommen: Gewichtsreduktion.

Lorig: Ja, das sind wir ja alle, oder? Ich weiß ja nicht, wie es bei Ihnen war...

Klar, auch so.

Lorig: Das Lustige ist ja, dass es vielen Menschen in unserem Alter so geht. Die waren in der Jugend total aktiv und dann kam die Phase, in der man gar nichts mehr macht und plötzlich feststellt, dass man auf seinem Bauch ein Bierglas abstellen könnte. Dann fängt man an zu laufen. Ich bekomme auch total Feedback und Fotos von Leuten, denen es eben auch so ergangen ist.

Im Kopf war ich ja ganz sportlich. In Wirklichkeit wog ich 100 Kilo und war extrem unsportlich.

Dann kam aber relativ schnell der sportliche Ehrgeiz?

Lorig: Nee. Zum ersten Marathon bin ich ja eher durch eine Schnapsidee gekommen. Der richtige sportliche Ehrgeiz mit Vereinstrainer und so kam erst Jahre später. Was aber gut so war, weil ich dadurch wirklich langsam angefangen habe. Viele machen ja den Fehler, dass sie viel zu schnell viel zu viel erreichen wollen. Durch das langsame Steigern bin ich glücklicherweise auch verletzungsfrei durch all die Jahre gekommen, bilde ich mir ein. Haben Sie denn viel mit Verletzungen zu kämpfen?

Bislang hatte ich einen Muskelfaserriss. Den habe ich mir bei einem verunglückten Testrennen gegen eine Sprinterin zugezogen.

Das Sprint-Duell: Profi gegen Hobbyläufer

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    Lorig: (lacht) Jaaa, das soll man nicht machen.

    Ich wollte zeigen, dass wir Hobbyläufer keine Vorstellung davon haben, was Leistungssportler drauf haben und dass es oft ganz schön überheblich ist, zu behaupten, man könne etwas, nur weil man es ab und zu mal macht. Vorm Fernseher lässt es sich halt leicht über die Leistungen von Leichtathleten meckern.

    Lorig: Da muss man bloß mal zum Sportplatz um die Ecke gehen und beim Sportabzeichen mitmachen. Da stellt man schnell fest, dass die 100 Meter früher auch mal kürzer waren.

    Allerdings. Die Verletzung hatte mich jedenfalls den Paris-Marathon im vergangenen Jahr gekostet. Da war für mich klar, dass ich den in diesem Jahr nachholen muss.

    "Bei Volksläufen sieht man, dass es noch andere Irre gibt" 

    Lorig: Dann sind Sie ja jetzt in der schwierigsten Phase für einen Läufer. Nach dem Marathon macht man ja erst einmal Pause und muss sich dann erst wieder für neue Ziele motivieren. Was ist Ihr Ziel?

    Um gar nicht erst in das Loch zu fallen, habe ich mein Laufjahr nach dem Marathon komplett durchgeplant. Ich laufe aber Stand jetzt keinen Marathon mehr in diesem Jahr. Stattdessen will ich meine Halbmarathon-Zeit deutlich verbessern und in der Gesamtwertung des Revier-Cups weit vorne zu landen. Für kommendes Jahr ist Paris wieder gebucht – so lange mich niemand nach New York einlädt, muss ich ja woanders laufen.

    Wie sieht's bei Ihnen aus?

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    Lorig: Ich laufe den Düsseldorf-Marathon (hat er inzwischen und mit 3:12 Stunden eine neue persönliche Bestzeit erreicht - herzlichen Glückwunsch!!!) und würde später im Jahr den Halbmarathon gerne unter 1:30 Stunden laufen. Und im nächsten Frühjahr würde ich dann die 10 Kilometer unter 40 Minuten laufen. Aber erst mal geht’s an den Halbmarathon.

    Haben Sie auch das Gefühl, dass Ihnen die Zeit wegläuft, was die Verbesserung der eigenen Zeiten angeht?

    Lorig: Ja, auf jeden Fall! Früher waren die Jahre länger und irgendwie hat man das Gefühl, dass schon wieder ein Jahr dazu gekommen ist und man sein Ziel immer noch nicht erreicht hat. Aber auch da empfehle ich Lockerheit. Ganz ehrlich: Man kann sich für die Zeiten ja auch nichts kaufen und sollte daher den Spaß in den Vordergrund rücken. Ich laufe ja in erster Linie, weil es mir Spaß macht. Ist man ein besserer Mensch, weil man 39:59 Minuten auf 10 Kilometer läuft? Ich glaube nicht.

    Aber trotzdem setzen wir uns diesem Druck aus.

    Lorig: Ich bin überzeugt davon, dass man Ziele braucht. Egal, ob das eine Gewichtsreduktion oder eine Zielzeit ist. Sonst bleibt man nicht bei der Stange. Daher finde ich es auch gut, bei Volksläufen mitzumachen. Man sieht dort, dass es noch andere Irre gibt, die das machen. Es ist ja ein schönes Gefühl, zu merken, dass man nicht alleine ist oder sogar mit den Vereinskollegen in eine Mannschaftswertung zu laufen.

    Aber irgendwann kommt der Punkt, wo es nicht mehr darum geht, die Leistung zu steigern, sondern den körperlichen Verfall zu bremsen...

    Lorig: Ja, aber auch das ist ja auch ein schönes Ziel.

    Manchmal denke ich bloß, dass es arg spät ist, wenn man erst mit 40 anfängt zu laufen.

    Lorig: Ja, aber im Verein kenne ich Leute, die mit Mitte 50 immer noch Bestzeiten laufen und schneller laufen als ich. Laufen ist zum Glück eine Sportart, mit der man auch spät noch anfangen kann. Ich sehe schon, dass da bei mir noch Luft nach oben ist. Ein Vereinskollege von mir ist über 60 und läuft den Halbmarathon eine Minute schneller als ich.

    Ist das ein Ansporn?

    Lorig: Auf jeden Fall! Als ich den vor mir gesehen habe, habe ich immer versucht, dranzubleiben. Aber es ging nicht. Der hat aber auch schon als Kind angefangen zu laufen und sein ganzes Leben lang trainiert. Das muss man einfach auch anerkennen. Die haben eine ganz andere Qualität.

    Ich trauere dem total nach, dass ich als Jugendlicher nicht angefangen habe, ernsthaft Sport zu treiben.

    Lorig: Geht mir ähnlich! Aber damals war es für mich sinnlos, ohne Ball oder Puck einfach irgendwo zu laufen.

    Ich habe in der Schule leider gelernt, dass ich nicht laufen kann. Bei uns war Laufen gleich Rennen. Es gab da so eine Standardrunde hinter der Schule, ungefähr 3000 Meter. Wenn wir da im Sportunterricht gelaufen sind, war das purer Darwinismus. Alle sind losgerannt wie verrückt, die meisten blieben dabei auf der Strecke.

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    Lorig: Ich glaube, das ist heute immer noch so. Manchmal mache ich vormittags Intervalltraining auf der Bahn und sehe dann auch Schulklassen. Wenn ich sehe, wie die trainieren, wird mir ganz schlecht. Da erklärt niemand, wie man systematisch vorgeht. Meine Tochter hat mich neulich gefragt, wie man schneller wird – im Sportunterricht lernt die das nicht. Dabei müssen die intensiv 800-Meter-Läufe machen, die auch benotet werden. Aber wie man das richtig macht, wird ihnen nicht erklärt. Das ist verrückt!

    Dabei sind das ja die Basics. Laufen ist doch der Sport, den jeder kann, Schulen brauchen dafür nicht mal eine Sporthalle. Und trotzdem bringen sie es den Kindern nicht bei.

    Lorig: Keiner erklärt ihnen, dass es auch langsame Läufe und so etwas wie eine Grundlagenausdauer gibt.

    Erst in Biologie habe ich gelernt, dass es einen aeroben und einen anaeroben Stoffwechsel gibt. Es wäre schön gewesen, dieses Wissen gleich im Sportunterricht anwenden zu können.

    Weg von der Schule, hin zum Beruf. Wann trainieren Sie bei Ihren Arbeitszeiten?

    Lorig: Irgendetwas Gutes muss es an der Nachtschicht ja geben. Der Vorteil ist, dass man im Prinzip Zeit zum Trainieren hat. Wenn ich das Morgenmagazin mache, fange ich um 2 Uhr an und bin um 11 Uhr zu Hause. Dann kann ich laufen, während meine Frau arbeiten ist und die Kinder in der Schule sind. Aber ich bin dann nicht unbedingt in der körperlichen Blüte. Intervall-Training ist dann schon schwierig. Aber die Zeit ist bei mir eher da als bei jemandem, der von 8 bis 17 Uhr arbeitet.

    Wenn ich unterwegs bin, zum Beispiel zum Nachtmagazin nach Hamburg reise, sind meine Laufschuhe immer dabei. Wann immer es geht, laufe ich. Da bin ich konsequent. Laufschuhe wiegen ja nichts, die kann man überallhin mitnehmen.

    Das erfordert Selbstdisziplin. Fällt Ihnen das leicht?

    Lorig: Wenn man ein Ziel hat, macht es das leichter. Wenn ich das Ziel habe, einen Marathon in einer passablen Zeit zu laufen, motiviert mich das. Ich mag auch Intervall- und Tempo-Trainings. Ich kann das nur nicht im Wettkampf umsetzen.

    Auch Hobbyathleten sind Leistungssportler! 

    Sie trainieren mit einem Trainer. Das ist ja schon fast ein Luxus.

    Lorig: Nein, gar nicht. Das ist ein ganz normaler Vereinstrainer. Ich habe das früher völlig unterschätzt. Ich dachte immer ein Trainer schreibt einen Trianingsplan und dann war's das. Es ist aber total wichtig, einen Trainer zu haben, der einen auch laufen sieht und total viele Sachen sieht, die zu verbessern sind. Ich genieße es sehr, einen Trainer zu haben, der selbst Marathon in 2:13 Stunden gelaufen ist und wahnsinnig viel weiß – und mir ab und zu auch in den Arsch tritt.

    Das habe ich jetzt allerdings auch gemerkt, als ich Tempo-Training in einer Gruppe mit Trainer gemacht habe.

    Lorig: War das einfacher?

    Ja, unglaublich. Allein durch den Gruppendruck. Und natürlich weil da jemand war, der mich angespornt hat, den nächsten Kilometer auch noch zu laufen. Ich lasse mich sonst ja gerne davon verleiten, dass mein Auto um die Ecke steht und ich ja auch nach Hause fahren könnte.

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    Lorig: Ich finde es beim Tempo-Training klasse, wenn man sich einfach an jemanden dranhängen kann, der das Tempo macht. Ich denke beim Laufen immer viel nach, da hilft es, einfach hinter jemandem her laufen zu können.

    Es gibt ja zwei Arten von Laufen: das zielgerichtete Laufen, bei man total fokussiert ist – und eben das entspannte Laufen im Wald, bei dem die Gedanken abschweifen.

    Lorig: Ja, ich genieße das, einfach in den Wald zu gehen und den Stress rauslaufen kann. Ich bin danach viel entspannter. Das ist eine Art Mini-Urlaub und bringt mich weit nach vorne.

    Haben Sie beim Laufen schon Moderationen geschrieben?

    Lorig: Ja, das mache ich auch. Ich habe aber auch schon Moderationen beim Laufen gelernt. Vor großen Galas ziehe ich die Moderation auf meinen iPod und höre mir die dann beim Laufen in Endlosschleife an und memoriere sie.

    Mir geht es oft so, dass ich beim Laufen eine Idee habe und die dann spontan ins Handy tippe, weil ich Angst habe, sie sonst zu vergessen. Manchmal spiele ich den Gedanken auch einfach weiter, muss dann aber spätestens nach dem Duschen feststellen, dass die Idee gar nicht so genial war, wie ich dachte. Geht Ihnen das ähnlich?

    Lorig: Ich schreibe es direkt auf, wenn ich nach Hause komme, weil ich mein Handy nie mitnehme.

    Inwieweit sind Sie bereit, für eine Zielzeit Opfer zu bringen und Verzicht zu üben? In der Vorbereitung achte ich ja immer darauf, mich auch nicht total falsch zu ernähren. Ich esse ja total gerne...

    Lorig: Gerade in der Marathon-Vorbereitung kann man doch total viel essen!

    Ja, aber nicht so viel Pommes und vielleicht mal weniger Bratwürste...

    Lorig: Nee, das sehe ich ja komplett anders. Ich verbrenne ja nie so viele Kalorien wie in der Marathon-Vorbereitung. Da haue ich immer total rein. Ich schaffe es auch nicht, ganz ohne Alkohol zu leben oder bei einer Familienfeier auf den Kuchen zu verzichten.

    Ich habe versucht, gesündere Kalorien zu mir zu nehmen. In Askese habe ich auch nicht gelebt – ich habe eine Fußball-Dauerkarte. Ich muss also quasi alle 14 Tage Bier trinken und Bratwurst essen. Nee, ich habe nur versucht, öfter mal Salat zu essen. Der schmeckt mir ja auch total gut – aber andere Sachen schmecken noch besser.

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    Lorig: Ja, aber ich finde, gerade in der Marathon-Vorbereitung muss man auch mal Fünfe gerade sein lassen. Aber das muss man ja auch lernen. Ich habe in meiner Anfangszeit mal versucht, drei Monate lang zu leben wie ein Athlet. Das hat mich null nach vorne gebracht. Ich laufe jetzt den Marathon in 3:15 Stunden, obwohl ich unter der Woche gerne mal Pommes oder Bratkartoffeln esse. Vorher lief ich um die vier Stunden und habe gegrübelt, was ich essen darf und was nicht. Da bin ich jetzt viel entspannter. Das gehört für mich auch zum lässigen Laufen. Auch die Sache mit den ganzen Gels... Mein Trainer ist 2:13 Stunden gelaufen, ohne Gel zu sich zu nehmen.

    Klar, der ist ja auch nicht so lange unterwegs! Wenn man vier Stunden läuft, braucht man schon was.

    Lorig: (lacht) Ja, das reden wir uns alle immer ein. Aber stimmt vielleicht.

    Wie setzen Sie sich neue Ziele? Wissen Sie, was für Sie realistisch ist?

    Lorig: Das ist schwer zu sagen. Am Anfang dachte ich, dass ich den Marathon niemals 3:45 Stunden laufen werde oder den Halbmarathon unter 1:40 Stunden. Realistisch gesehen, denke ich, dass ich den Marathon nicht unter drei Stunden laufen kann. Da ist mein Körper nicht für gemacht, definitiv.

    Wenn man so spät anfängt, weiß man gar nicht, wo die eigene Leistungsgrenze liegt. Das ist ja eigentlich schade. Man weiß nicht mal, ob man Stärken eher im Sprint oder im Ausdauerlauf hat.

    Lorig: Auf jeden Fall. Irgendwann ist man auch zu alt oder hat zu viel Lebenserfahrung. Ich zum Beispiel denke viel zu viel nach. Wenn man jungen Leuten sagt, sie sollen laufen, dann denken die gar nicht viel darüber nach. Sobald du 30 bist, einen Job hast und gesettelt bist, denkst du einfach viel zu viel nach. Ich zögere und zaudere. Vom theoretischen Leistungsvermögen her müsste ich längst 38 Minuten auf 10 Kilometer laufen, aber ich kriege es nicht hin. Da frage ich mich schon, warum ich das nicht ausschöpfe. Aber eigentlich habe ich mich von diesen Zeiten und vom Leistungsdenken gelöst. Das rede ich mir zumindest ein. Und dann will ich doch den Marathon unter 3:10 Stunden laufen. Wir sind doch alle verrückt!

    Ich habe das mal als Scheinwelt bezeichnet. Wir reden uns ein, im Wettkampf mit 30.000 anderen Läufern zu laufen, obwohl wir keine Chance haben, 29.999 davon zu schlagen.

    Lorig: Ja!

    Also ist es kein Wettkampf, sondern höchstens ein Wettkampf mit sich selbst.

    Lorig: Genau.

    Das kann man ja eigentlich auch alleine machen. Und trotzdem geht man dorthin, wo es andere auch machen. Da frage ich mich immer wieder, warum ich das mache. Gibt das einen Kick? Ist es doch das Gefühl, gegen andere zu laufen?

    Lorig: Ja klar! Es gibt Gemeinschaftsgefühl und es spornt an, sich ziehen zu lassen und sich nicht hängen zu lassen. Bei einem Wettkampf läufst du viel schneller als bei jeder anderen Tempoeinheit.

    Setzen Sie sich dann auch so kleine Ziele, wie den Typen in der blauen Hose einzuholen? Oder Leute, die mit Kleingeld in der Tasche unterwegs sind, schnell hinter sich zu lassen?

    Lorig: Klar. Letztens hatte ich einen neben mir, der sein Handy so laut hatte, dass ich jede Ansage gehört hatte, wie schnell er seinen letzten Kilometer gelaufen ist und so weiter. Da musste ich weg. Mein Trainer sagt auch immer, ich soll mich an einem Vordermann festsaugen und mich ziehen lassen. Das klappt nicht immer (lacht).

    Ich finde es bloß drollig, wenn ein Mensch Mitte 40 plötzlich stolz sagt: „Ich habe einen Wettkampf!“

    Lorig: Meine Frau lacht sich immer kaputt, wenn ich von uns Läufern als Athleten oder Leistungssportler rede. Wir sind natürlich keine Hochleistungssportler, aber wir sind Leistungssportler, weil wir eine bestimmte Leistung erbringen wollen. Da kann man ruhig etwas selbstbewusster sein.

    42 Tipps für Lauf-Anfänger

    1. Gehen Sie zum Arzt.

    Wenn Sie sich unsicher fühlen, ob ihr Herz oder ihre Knochen und Gelenke der neuen sportlichen Betätigung gewachsen sind, lassen Sie sich von einem Arzt durchchecken. Wenn es wirklich nur ein moderates Training aus Walking- und Lauf-Intervallen sein soll, wird die Antwort des Mediziners in 99 Prozent der Fälle "JA!" lauten. Aber sicher ist sicher, oder?

    2. Nicht lange zaudern – loslaufen.

    Warum warten? Wenn es Ihr Kalender zulässt, laufen Sie los, am besten gleich nachdem Sie diese Tipps zu Ende gelesen haben.

    3. Definieren Sie Ziele.

    Läufer haben immer ein Ziel. Vielleicht sogar mehrere Ziele. Wollen Sie abnehmen? Fitter werden? Schneller und schlanker werden? An einem Marathon teilnehmen? Ziele motivieren und helfen, das Training zu strukturieren. Achten Sie darauf, dass die Ziele realistisch sind. Gerade als blutiger Anfänger sollten Sie nicht jetzt schon mit der Teilnahme an einem Laufwettbewerb liebäugeln. Ein klassisches Anfänger-Ziel ist es, 30 Minuten am Stück laufen zu können.

    4. Bleiben Sie locker (Teil 1).

    So schön Ziele sind, unter Druck sollten Sie sich aber nicht setzen. Sie trainieren schließlich nicht für Olympia.

    5. Laufen, nicht rennen.

    Mit dem Laufsport anzufangen ist so etwas wie die Entdeckung der Langsamkeit. Sie wollen kein Sprintstar werden, sondern Ihre Ausdauer schulen. Das geht nur mit wohldosierten, langsamen Läufen. Wenn sie bislang körperlich inaktiv waren, starten Sie noch langsamer, mit Walking oder Intervallen aus langen Walking- und kurzen Lauf-Abschnitten. Als Faustregel gilt: Wenn Sie sich beim Laufen unterhalten (oder als stiller Zeitgenosse: locker durch die Nase atmen) können, bewegen Sie sich im grünen Bereich.

    6. Schämen Sie sich nicht.

    Laufen ist demokratisch. Das bedeutet, dass Sie auf Ihrer Runde im Park Läufer sehen, die eine, zwei oder zweihundert Klassen schneller und besser laufen als Sie. Haben Sie aber keine Angst, sich zu blamieren. Jeder Läufer hat einmal angefangen und hinter jedem leichtfüßigen Tempomacher stecken Jahre harten Trainings. Die allermeisten Läufer wissen das und begegnen Anfängern mit Respekt und Anerkennung. Läufer lachen sich nicht gegenseitig aus, sondern lächeln sich an.

    7. Suchen Sie sich Gesellschaft.

    Laufen ist ein Individualsport. Sie brauchen keine Mannschaft und keine Gegner. Dennoch: Mitläufer motivieren und disziplinieren. Mit einem Laufpartner fallen viele Trainingeinheiten leichter, und wenn Sie beim Laufen plaudern, können Sie sicher sein, dass Sie nicht zu schnell werden.

    8. Teilen Sie sich anderen mit.

    Ja, Läufer sind ein geschwätziges Völkchen. Das hat Gründe. Erstens sind wir so wahnsinnig stolz auf unsere Leistung und wollen diesen Stolz mit anderen Menschen teilen – gerne auch unaufgefordert. Zweitens erhöht es den sozialen Druck, weiterhin zu laufen. Verkünden Sie im Familien- und Freundeskreis, dass Sie genau heute in einem Jahr an einem Lauf über fünf Kilometer teilnehmen werden. Es wäre ja schon peinlich, zugeben zu müssen, dass man die Laufschuhe schon wieder an den Nagel gehängt hat, wenn man wenige Monate zuvor stolz von der letzten Runde im Park geschwärmt hat. Wenn Sie im Bekanntenkreis Läufer haben, werden Sie bald merken, wie inspirierend es sein kann, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen.

    9. Führen Sie Buch.

    Nein, Sie müssen kein akribisches Trainingstagebuch führen, in dem Sie alle Läufe nebst der gelaufenen Entfernungen und Zeiten festhalten. Es schadet aber auch nicht. Eine große Hilfe sind Apps, die beim Laufen per GPS all die Daten erfassen, die in ein gut geführtes Tagebuch gehören. Es motiviert, zu sehen, woher man kommt und welche Fortschritte man gemacht hat.

    10. Keine Angst vor Technik.

    Gerade Männer lassen sich mit einem simplen Trick an die frische Luft locken: Man muss ihren Spieltrieb wecken. Es gibt so tolle GPS-Uhren, Smartphone-Apps, Sensoren und allerlei technischen Schnickschnack, der Sie zwar kein Deut schneller macht, aber Spaß bereitet, wenn ein gewisses Interesse an solchen Spielchen vorhanden ist.

    11. Nicht zu früh einkaufen.

    Bevor Sie sich einen großen Fuhrpark mit zwei Paar Laufschuhen, GPS-Uhr, Pulsmesser, Trinkgurt und allem, was der Laufshop hergibt, zulegen, absolvieren Sie zunächst einmal ein paar Läufe pur. Für eine erste kurze Runde um den Häuserblock reichen auch die Sportschuhe, die schon seit Neujahr 2010 im Schrank liegen. Aber wirklich nur zum Testen, denn:

    12. Sparen Sie nicht am falschen Ende.

    Wenn Sie gemerkt haben, dass Laufen Ihr Ding ist, dann kaufen Sie sich Laufschuhe. Aber nicht beim Online-Versand, sondern im Fachgeschäft. In den allermeisten Fachgeschäften werden Sie von Läufern bedient, die wissen, was an Ihren Fuß gehört. Schlechte Nachricht: Die Farbe ist eher kein Kriterium, wenn es darum geht, den richtigen Schuh zu finden.

    13. Halten Sie Maß.

    Einmal die Woche laufen ist gut, zweimal ist besser. Öfter ist am Anfang unnötig. Überfordern Sie sich nicht, unterfordern Sie sich aber auch nicht. Zwei Läufe in der Woche, am besten mit unterschiedlicher Intensität, bringen Sie schnell nach vorne. Laufen Sie sonntags lang und langsam, mittwochs kurz und knackig.

    14. Lernen Sie Regen lieben.

    An der See sagt man, es gibt kein Wetter, sondern nur falsch angezogene Leute. Bei Läufern ist das ähnlich. Hier gilt: Es gibt kein Wetter, nur Bedingungen. Ja, es fällt schwer, sich zum Training aufzuraffen, wenn es draußen gießt. Aber wissen Sie was? Den Regen spüren Sie vielleicht zwei Kilometer lang. Sie schwitzen beim Laufen ohnehin, werden also eh nass. Und ziehen Sie sich nicht zu dick an, weil es regnet. Nichts ist fieser als klatschnasse Klamotten, die am Körper kleben, wenn der Regen längst vorbei ist. Am schnellsten trocknet nackte Haut. Haben Sie keine Angst davor, auszukühlen. So lange Sie sich bewegen, sind Sie auf der sicheren Seite. Laufen Sie weiter und freuen Sie sich auf die heiße Dusche.

    15. Bringen Sie Abwechslung ins Training.

    Mit unterschiedlichen Trainingsinhalten fordern Sie Körper und Geist. Schon mit zwei Laufeinheiten können Sie geistig und körperlich so fordern, dass das Training nicht langweilig und der Körper fitter wird. Suchen Sie gezielt nach Strecken mit unterschiedlicher Bodenbeschaffenheit und variieren Sie das Tempo.

    16. Lernen Sie Ihren Körper neu kennen.

    Nach dem ersten Training wird Ihr Körper mit Ihnen sprechen. Nein, schon während des ersten Trainings wird Ihr Körper Hassbotschaften senden. Die Muttersprache Ihres Körpers: Schmerz. Achten Sie genau auf die Signale und lernen Sie Anstrengung von echten Schmerzen zu unterscheiden. Das ist entscheidend für Ihr Training und für Ihre Gesundheit.

    17. Werden Sie Sportler.

    Haben Sie da oben das Wort "Training" gelesen? Richtig! Laufen ist Sport und Sportler trainieren. Sehen Sie sich als Sportler, nehmen Sie Ihren Sport und sich ernst.

    18. Bleiben Sie locker (Teil 2).

    Ja, Sie dürfen sich als Sportler fühlen. Das klingt wichtig und lädt das Laufen positiv auf. Aber überfrachten Sie das Laufen nicht, um nicht erdrückt zu werden. Am Ende geht es um Fitness, nicht um die Olympianorm.

    19. Schärfen Sie Ihr Bewusstsein.

    Das klingt esoterisch, meint aber lediglich, dass Sie den Schwung, den die Lauferei in Ihr Leben bringt, nutzen können, um beispielsweise bewusster zu essen. Mit zunehmender Dauer werden Sie durch den Sport ein neues Körpergefühl bekommen. Lassen Sie sich darauf ein und geben Sie Ihrem Körper das, was er braucht. Kleiner Extra-Tipp: Das sind nicht immer Pommes.

    20. Verpflichten Sie sich.

    Erstellen Sie einen Trainingsplan. Der kann ganz minimalistisch sein und lediglich zwei wöchentliche Einträge im Kalender umfassen. Aber wenn das Training im Kalender steht, steht es im Kalender. Ihre Antwort auf die Frage, ob Sie am Mittwochabend Zeit haben, lautet dann schlicht und ergreifend: "Nein, da habe ich Training."

    21,0975. Mut zur Lücke.

    Natürlich ist regelmäßiges Training wichtig. Aber Sie sind ja kein Profi. Im Vierkampf zwischen Job, Familie, Freizeitstress und Training muss der Sport ab und zu eben auch den Kürzeren ziehen.

    22. Laden Sie das Laufen positiv auf.

    Mal ehrlich: Wann haben Sie so richtig Zeit für sich selbst? Wann haben Sie Zeit, um zu sich zu finden und ungestört den Gedanken freien Lauf zu lassen? Fast nie. Außer beim Laufen. Ein langer Aufenthalt an der frischen Luft ist nicht nur für den Körper eine Frischzellenkur, sondern auch für den Geist. Erklären Sie den langen Sonntagslauf zu ihrem wöchentlichen persönlichen Wellness-Trip. Und wenn der Tag auf der Arbeit zu stressig war, schlüpfen Sie in Ihre Laufschuhe und traben Sie los.

    23. Überprüfen Sie Ihre Ziele.

    Sie laufen jetzt schon seit sechs Monaten, schaffen aber immer noch keinen Marathon und haben auch nicht zehn Kilo abgespeckt? Wenn Sie dennoch nicht enttäuscht sind, haben Sie alles richtig gemacht. Halten Sie nach ein paar Monaten inne, lauschen in sich hinein und justieren Sie Ihre Ziele notfalls neu. Vielleicht war der Job zu stressig, und Sie konnten wirklich nur einmal in der Woche laufen. Vielleicht war es auch unglücklich, genau in dem Halbjahr mit dem Sport anzufangen, in dem sich die Geburtstage häufen und eine Kuchenschlacht auf die andere folgt. Mit Geduld und Fleiß wird alles gut.

    24. Kalkulieren Sie Rückschläge ein.

    Weder der Leistungszuwachs beim Laufen noch die Gewichtsreduktion durch das Laufen erfolgen linear. In den ersten Wochen wird Ihre Leistung schier explodieren und die Waage wird Minusrekorde anzeigen. Aber, Vorsicht! Durch das Training bauen Sie Muskeln auf – und die wiegen mehr als Fett. Es kann also gut sei, dass sie nach einer Weile sogar wieder mehr auf die Waage bringen, obwohl Sie Fett abgebaut haben.

    25. Achten Sie auf die Kleidung.

    Nein, nicht die Farbe ist entscheidend, sondern die Funktionalität. Ein atmungsaktives Stöffchen ist gerade bei Hitze Gold wert. Und auch bei Kälte helfen moderne Funktionsfasern dabei, dass der Körper beim Laufen nicht überhitzt. Denken Sie daran, dass Sie beim Loslaufen ruhig noch ein bisschen frösteln können. Unterwegs wird Ihnen schon noch warm.

    26. Büffeln Sie Theorie.

    Natürlich können Sie laufen. Schuhe an und raus – was kann daran schwierig sein? Doch wie bei jedem Hobby gibt es auch bei der Lauferei Kniffe, mit denen es leichter, schneller oder gesünder geht. Es gibt unzählige Laufbücher. Der Klassiker für Einsteiger sind die Bücher von Herbert Steffny, allen voran "Das große Laufbuch", das Läufer vom ersten Zubinden der Schnürsenkel bis zur Marathon-Ziellinie begleitet. Andere Autoren widmen sich dem Thema humorig (Achim Achilles) oder anekdotisch-autobiographisch (Sven Lorig "Lässig Laufen"). Eines haben die Autoren gemeinsam: Sie vermitteln den Spaß am Sport.

    27. Trinken Sie genug.

    Sport ist eine schweißtreibende Sache. Speziell in der warmen Jahreszeit verliert der Körper beim Laufen viel Flüssigkeit. Denken Sie also daran, bei langen Läufen etwas Wasser mitzunehmen. Noch besser: Trinken Sie schon lange vor dem Start. In der Regel reicht Mineralwasser, wenn Sie nicht gerade 30 Kilometer bei 30 Grad abreißen wollen.

    28. Verschieben Sie langsam Ihre Grenze.

    Als Anfänger sind Sie vermutlich meist auf einer vertrauten Standardstrecke unterwegs und laufen zum Beispiel glatte fünf Kilometer oder glatte 45 Minuten... wie auch immer. Viele Anfänger laufen jedenfalls wie nach Stechuhr und machen Feierabend, sobald sie das Tagesziel erreicht haben. Dabei können Sie mit Ihren Grenzen spielen, zum Beispiel so: Sie fühlen sich gut und haben die fünf Kilometer schon in 43 Minuten geschafft. Machen Sie doch einfach die 45 Minuten voll und schon haben Sie Ihre Grenze ein Stückchen verschoben. Umgekehrt geht es genau so. Sie laufen auf Zeit und haben nach 45 Minuten eine krumme Zahl wie 5,3 Kilometer auf dem Tacho – machen sie doch einfach die sechs Kilometer voll. Das Prinzip "Wer x km schafft, schafft auch y km" funktioniert gerade am Anfang einer Laufkarriere hervorragend.

    29. Dehnen, aber richtig.

    Jetzt wird's fies. Dehnen gehört zu den langweiligsten Seiten des Sports. Aber es hilft, wenn Sie es richtig machen. Daher gibt es eine gute Nachricht: Weniger ist mehr. Dehnen Sie Ihre Beinmuskeln langsam und schonend und vor allem erst nach dem Laufen, wenn die Muskulatur warm und geschmeidig ist. Ihre Waden, Oberschenkelvor- und rückseiten sowie die Adduktoren werden es Ihnen danken. Allerdings hat sich die Lehrmeinung zum Thema Dehnen in den vergangenen Jahren gefühlt zehn Mal geändert. Fest steht: Dehnen Sie nicht in den Schmerz hinein.

    30. Machen Sie sich warm.

    Fast so fies wie Dehnübungen, aber immerhin mit sportlichem Touch, ist das Warmlaufen vor dem Laufen. Wenn Sie ohnehin einen langen, langsamen Lauf geplant haben, können Sie die ersten zwei Kilometer zum Warmwerden nutzen. Soll es aber kurz und knackig werden, freuen sich Ihre Muskeln, Bänder und Gelenke, wenn Sie ihnen zwei Kilometer gönnen, um in Fahrt zu kommen.

    31. Machen Sie Stabis.

    Stabilisationsübungen wie Situps oder Liegestütze setzen jedem Training die Krone auf. Sie sind langweilig und zu allem Überfluss auch noch anstrengend. Und mit Laufen haben sie überhaupt nichts zu tun. Und dennoch: Wir Läufer neigen dazu, uns liebevoll um unsere Beine zu kümmern, den Rest des Körpers aber sträflich zu vernachlässigen. Dabei hängen die Beine doch am Oberkörper, da liegt es doch nahe, den gleich mitzutrainieren. Das gilt insbesondere für die Körpermitte, also Lendenwirbelsäule und Bauchmuskeln. Wer viel am Schreibtisch sitzt, kennt den Lendenwirbelbereich als diese schwächliche Stelle oberhalb des Gesäß'. Da sind keine Muskeln, keine Knochen – es klafft ein leeres, schwaches Loch. Dieses Loch gilt es zu füllen. Auch hier gibt es eine gute Nachricht: Stabis sind zwar heftig, dauern aber nicht lange. Regelmäßig 15 Minuten nach dem Laufen zeigen schon Wirkung.

    32. Schaffen Sie Ausgleich.

    Es ist verrückt: Das Laufen sorgt für ein ausgeglichenes Seelenleben, dafür belastet es Ihren Körper recht einseitig. Die Folge können verkürzte Muskeln in den Oberschenkeln sein. Wenn Sie Ihren Laufstil und Ihr allgemeines Wohlbefinden verbessern wollen, schauen Sie sich nach einer Zweit-Sportart um, die möglichst wenig mit Laufen zu tun hat. Mein Tipp: Yoga oder Pilates. Ihr Körper wird es Ihnen danken.

    33. Laufen Sie auch mal morgens.

    Selbst wenn Sie zu den Menschen gehören, die fünf Mal auf die Schlummertaste des Weckers drücken, bevor sie sich aus dem Bett wälzen, sollten Sie sich mal einen Ruck geben und vor der Arbeit laufen. Ja, sogar vor dem Frühstück. Wenn man sich erst einmal überwunden hat, bringen ein Tässchen Espresso und eine Scheibe Zwieback genug Energie, um den einen oder anderen Kilometer abzureißen, bevor der Tag so richtig beginnt. Als Belohnung winken a) ein gutes Gewissen, heute schon den inneren Schweinehund besiegt zu haben und b) ein Körpergefühl wie nach einer Sauerstoffdusche. Aufpassen müssen Sie aber auf c), den Hunger, mit dem sich der Körper gerne für Morgenläufe rächt. Aber essen Sie ruhig – schließlich sind Sie Läufer.

    34. Laufen Sie auf der Tartanbahn.

    Einmal fühlen wie ein Profi, das wäre was. Für Läufer bedeutet das, ein paar Runden auf der Tartanbahn zu drehen. In vielen Städten gibt es öffentliche Sportanlagen mit einer vernünftigen Laufbahn. Schon nach wenigen Metern werden Sie spüren, warum die Profis auf genau diesem Belag rennen und nicht auf Asphalt. Außerdem ist eine Laufbahn genau 400 Meter lang (auf Bahn 1) und somit prima geeignet, wenn Sie sich mal einem privaten Leistungstest unterziehen möchten. Denken Sie aber daran, dass 10.000 Meter gleich 25 Runden sind. Das kann langweilig werden. Richtig ärgerlich wird es aber, wenn Sie sich in Runde Zwölf nicht mehr sicher sind, ob das jetzt wirklich die zwölfte oder doch schon die dreizehnte Runde ist. Abhilfe schaffen zum Beispiel Gummibänder ums Handgelenk, von denen sie nach jeder Runde eines wegwerfen.

    35. Gönnen Sie sich Pausen.

    Wenn es ums Training geht, ist immer nur von den aktiven Einheiten die Rede, nie aber von der wichtigen Zeit dazwischen. Klar, auf Partys kann man schlecht damit angeben, dass man seit zwei Tagen wie wahnsinnig regeneriert und gerade mitten in der Superkompensation steckt. "Ich bin heute Morgen schon zehn Kilometer gelaufen" kommt irgendwie besser. Dennoch: Kein Training ohne Regeneration. Das Training stellt lediglich einen Reiz (Sportlersprech für "Belastung" bzw. "Beschädigung") für den Körper dar. In der Pause zwischen den Einheiten zieht der Körper seine Konsequenzen aus der Belastung und passt sich an. Er investiert in den Ausbau seiner Infrastruktur. Mit jedem Lauf machen Sie etwas kaputt und erschöpfen Ihre Energiereserven. Während Sie pausieren, repariert der Körper die von Ihnen angerichteten Schäden und verstärkt Bänder, Muskeln und Energiespeicher. Wenn Sie während dieser Phase trainieren, trainieren Sie sich kaputt. Lassen Sie in der Anfangszeit also mindestens zwei, eher drei Tage Pause zwischen den Einheiten.

    36. Seien Sie geduldig.

    Gerade am Anfang explodiert die Leistungsfähigkeit. Die Fortschritte sind riesig, es fühlt sich an, als habe der Körper nur darauf gewartet, dass Sie ihn endlich sachgerecht einsetzen. Überfordern Sie sich jetzt aber nicht. Das Herz-Kreislauf-System, das Lungenvolumen und ihr Stoffwechsel passen sich in der Tat sehr schnell den neuen Gegebenheiten an. Doch Knochen und Bänder brauchen länger und hinken der Entwicklung ihres restlichen Systems um viele Monate hinterher. Steigern Sie also nicht zu schnell ihr Tempo und die gelaufenen Kilometer. Bei jedem Schritt wirken enorme Kräfte auf Ihre Muskeln, Knochen und Gelenke ein. Ermüdungsbrüche oder Bänderrisse drohen, wenn Sie die Belastungsschraube überdrehen.

    37. Finger weg von Pillen und Pulvern.

    Läufer sind ein konsumfreudiges Völkchen. Das wissen auch die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln. Diese Wunder in Pillenform sollen uns schneller, schlanker und schöner machen. Aminosäuren, Enzyme, Pflanzenextrakte à la Ackerschachtelhalm – in der Apotheke bekommen Sie alles, was das Herz begehrt. Aber ganz ehrlich: Wenn Sie Ihren Körper nicht mit einem Hardcore-Marathontraining auslaugen, benötigen Sie überhaupt nichts davon. Eine ausgewogene Ernährung reicht vollkommen aus. Wenn Sie unbedingt Geld ausgeben wollen, dann für gute Schuhe aus dem Fachhandel.

    38. Mut zum Wettkampf.

    Irgendwann wird bei vielen Läufern der Spieltrieb geweckt. Alleine im Wald zu laufen, wird auf Dauer zu öde, der Mensch will sich mit anderen messen. Nein, Sie wollen nicht mit neun Monaten Lauferfahrung am Berlin-Marathon teilnehmen. Aber bei Ihnen in der Nähe gibt es doch bestimmt einen schönen Volkslauf über fünf Kilometer. Melden Sie sich an, laufen Sie mit und erfahren Sie, wie es ist, im Pulk eines Läuferfeldes zu laufen. Doch, Vorsicht: Suchtgefahr!

    39. Holen Sie sich Tipps von Profis.

    Auch absolute Laufanfänger sollten keine Angst davor haben, sich einen Trainer zu leisten. Das hört sich total überkandidelt und profihaft an, ist es aber nicht. Es gibt in allen größeren Städten Leichtathletikvereine, Lauftreffs oder Laufschulen, in denen Experten gerne ihr Wissen weitergeben. Speziell in den Laufschulen erlernen Anfänger das Lauf-ABC.

    40. Kaufen Sie ein zweites Paar Schuhe.

    Nein, dieser Text wird nicht vom Bundesverband deutscher Laufschuhverkäufer gesponsert. Dennoch sei Ihnen ans Herz gelegt, mit mehr als einem Paar Schuhe zu laufen. Sie können sich zum Beispiel ein bequemes Paar für lange und langsame und eines für kurze und knackige Läufe zulegen. Wichtig ist, dass die Schuhe möglichst unterschiedlich sind, um bei steigenden Trainingsumfängen einseitige Belastungen zu verhindern. Manche Experten raten, so viele Paar Schuhe zu laufen, wie Sie Trainingseinheiten in der Woche absolvieren. Ich plädiere für einen Mittelweg: Für den Anfang reichen zwei Paar.

    41. Probieren Sie's mal barfuß.

    Füße, die ständig in gedämpfte und stabilisierte Schuhe gesteckt werden, stumpfen ab und werden sozusagen dumm. Sie müssen nicht arbeiten. Befreien Sie daher von Zeit zu Zeit Ihre Füße und laufen Sie barfuß. Natürlich nicht auf Gedeih und Verderb. Aber wenn Sie einen Rasenplatz, eine (häufchenfreie) Wiese oder gar einen Strand in der Nähe haben, scheuen Sie sich nicht davor, einfach mal die Schuhe auszuziehen und zwei Kilometer ganz locker und langsam barfuß zu traben. Eine Alternative dazu sind Minimalschuhe, die den Fuß schützen, aber nicht stützen. Dadurch müssen die vielen, vielen Fußmuskeln ständig auf Unebenheiten, Stöckchen und Steinchen reagieren und die Lage des Fußes leicht justieren. Das stärkt die Muskulatur und erhöht die Konzentration.

    42,195. Seien Sie stolz.

    Wie oft haben Sie im Alltag einen Grund, so richtig stolz auf Ihre Leistung zu sein? Vermutlich selten. Mit dem Laufen schenken Sie sich Erfolgserlebnisse auf Bestellung. Feiern Sie sich dafür, dass Sie es geschafft haben, bei strömendem Regen laufen zu gehen. Zelebrieren Sie die neue Bestzeit auf Ihrer Hausstrecke. Seien Sie sich bewusst, dass Sie mit jedem Schritt, den Sie Ihrer neuen Leidenschaft widmen, etwas leisten, um das andere Sie heimlich beneiden. Sie sind keine Couch-Kartoffel mehr, Sie sind Läufer. Feiern Sie das mit einem großen Stück Kuchen - Sie haben es verdient und können es sich leisten.

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