Dortmund. Bei der Wahl des Schuhs sollten Läufer den Mut haben, neue Wege zu gehen. Unser Laufblogger ist in ein besonders innovatives Schuhmodell geschlüpft.
Kein Körperteil wird bei Läufern so umhegt wie die Füße. Mit Recht, denn die Füße und die Knie tragen beim Laufen nun mal die Hauptlast. Alles dreht sich ums richtige Schuhwerk. Und was da richtig ist, ist heiß umstritten. Es gibt Läufer, die schwören auf Dämpfung, andere wiederum laufen am liebsten barfuß, der Rest tummelt sich irgendwo dazwischen.
Fakt ist, dass der Schuh entscheidend dafür ist, wie groß die Belastung der Knie beim Laufen ist. Schuhe führen die Füße, dämpfen den Schritt, sorgen für Antrieb und kräftiges Abstoßen. Optimal wäre es in der Tat, barfuß zu laufen. Das ist zwar nicht sonderlich dynamisch, schont aber die Knie. Die meisten Zivilisationsopfer ticken aber so wie ich: Sie wollen Schuhe, weil die Füße empfindlich sind, weil die Läufer keine Lust auf die langwierige Umstellung zum Barfußläufer haben - und weil Schuhe einfach gut aussehen.
Schuhhersteller setzen auf das Thema "Wolken"
Beim Schuhwerk ist das Thema "Wolken" gerade gefragt. Bei meinem letzten Besuch beim Fachhändler habe ich einen Asics Cumulus gekauft. Was vom Namen her schon wolkig klingt, erweist sich als toller, bequemer Langstreckenschuh für Schwergewichte meines Kalibers. Der Schuh ist weich gedämpft und für Läufer geeignet, denen das Ankommen wichtiger ist als eine neue Rekordzeit. Denn dynamisch ist der Cumulus nicht. Aber er funktioniert.
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Ebenfalls wolkig klingen die Versprechen der Schweizer Firma On Running. Deren Modelle tragen allesamt das Wort "Cloud" in ihren Namen. Die Schuhe sehen sehr futuristisch aus. Statt einer durchgehenden Sohle, befinden sich kleine Gummischlaufen unter dem Schuh. Jede davon bildet ein kleines Luftkissen. Ich hatte viel über diesen eigenartigen Schuh gelesen und wurde neugierig. Eine Nachfrage bei On Running bescherte mir ein Testpaar des Modells "Cloudsurfer".
Vortrieb und gleichzeitig Schonung fürs Knie
Der Hersteller verspricht weiche Landungen und dynamisches Abstoßen. So soll der Schuh für jede Menge Vortrieb beim Laufen sorgen. Das funktioniert allerdings nur, wenn man beim Laufen mit der Ferse zu erst aufsetzt - gerade das wollte ich mir eigentlich abtrainieren, weil es für die Knie nicht gerade angenehm ist, wenn bei ausgestrecktem Bein mit jedem Schritt 80 Kilo plus Belastung über die Ferse direkt auf den Meniskus einwirken. Darum übe ich Mittelfußtechnik. Doch die Wolken-Schuhe wollen eine komplette Abrollbewegung von der Ferse bis zu den Zehen.
Beim Erstkontakt mit dem Cloudsurfer fällt zuerst das angenehme Gewicht auf. In Größe 38 wiegt ein Schuh 285 Gramm. Mein Paar in Größe 45 ist natürlich schwerer. Was noch auffällt, sind sehr lange Schnürsenkel - für meinen Geschmack wirklich etwas zu lang. Dieser Eindruck bleibt auch nach inzwischen mehreren Trainingsläufen und einem Halbmarathon. Der Anblick der Luftkissen unter der Sohle ist arg gewöhnungsbedürftig. Der Schuh sieht einfach völlig anders aus als alles, was ich bisher kannte.
Der erste Eindruck: wie ein Fußballschuh
Doch entscheidend ist am Fuß. Also nichts wie rein in die Cloudsurfer. Der allererste Eindruck: Der Schuh ist federleicht, quasi nicht da. Er sitzt fest und angenehm. Nichts drückt. Die Überraschung dann bei den ersten Gehversuchen in der Wohnung. Der Cloudsurfer fühlt sich an wie ein Fußballschuh! Das hat mit Laufschuhen, wie ich sie bislang kannte, überhaupt nichts mehr zu tun. Doch es sind ja Laufschuhe und keine Gehschuhe. Also raus auf die Straße. Was für ein Gefühl! Ich habe den Eindruck, ich würde über den Bürgersteig eiern, jeder Schritt ist komisch und knallhart.
Doch das gibt sich nach etwa zwei Kilometern. Allmählich gewöhne ich mich an das Laufgefühl und stelle fest, dass meine Knie überhaupt nichts zu meckern haben. Bei weiteren Testläufen führe ich die Schuhe in den Wald - und siehe da: Auf Waldboden glänzt der Cloudsurfer so richtig! Das hatte ich nicht vermutet und auch der Hersteller bewirbt den Schuh nicht offensiv als Trailschuh. Aber gerade auf weichem Waldboden oder Passagen mit viel Wurzelwerk entwickelt der Cloudsurfer eine sehr angenehme Dynamik.
Die ersten Kilometer sind eine Sache der Gewöhnung
Auf Asphalt hingegen sind die ersten ein bis zwei Kilometer immer noch eine Sache der Gewöhnung. Der Schuh wirkt gerade beim Aufsetzen mit der Ferse unglaublich hart, was mich skeptisch macht, ob ich den Cloudsurfer je bei einem längeren Lauf anziehen werde. Doch bald lerne ich, was der Schuh von mir will: Er ist nicht auf lange Bodenkontaktzeiten ausgelegt. Dynamik ist angesagt. Ich gebe ihm die Chance, sich bei einem Tempodauerlauf zu bewähren. Meine Vermutung wird bestätigt. Der Cloudsurfer ist ein schneller Schuh. Das Aufsetzen mit der Ferse, das Abrollen und das Abstoßen mit dem Ballen - alles läuft sehr flüssig ab. Ich habe auch das Gefühl, dass ich meine Knie höher bekomme als bei meinem sonst eher schlurfenden Laufstil. Dadurch verlängert sich meine "Flugphase". Der Schuh verhält sich beim Tempolauf über zehn Kilometer so gut, dass ich beschließe, dem Cloudsurfer beim Rhein-Ruhr-Halbmarathon eine Chance zu geben.
Vorher dürfen die "Neuen" noch mal bei einem Intervalltraining ran. Auch hier präsentiert sich der Schuh als sehr dynamisch. Die schnellen Intervalle laufen sich super, in den Gehpausen eiere ich wie auf Fußballschuhen. Diese Schuhe wollen wirklich schnell gelaufen werden.
Beim Halbmarathon tragen mich die Cloudsurfer souverän ins Ziel. Der Bodenkontakt ist nicht zu hart, während des ganzen Laufs bin ich auch mit meinem Laufstil zufrieden. Es scheint, als hätten der Cloudsurfer und ich uns tatsächlich doch noch gefunden.
Fazit: Dieser Schuh liebt Tempo
Im Gegensatz zum Cumulus von Asics hat der Cloudsurfer bis auf den Namen nichts Wolkiges. Der Bodenkontakt ist hart und direkt - kein Schuh für lange Wohlfühlläufe. Der Cloudsurfer mag es schnell. Sein Verhalten auf Waldboden macht ihn zu einem Geheimtipp für leichte (!) Trails. Vorsicht ist hingegen bei nassem Asphalt oder gar nassen Metallplatten (z.B. bei Baustellen) und Ähnlichem geboten - da fehlt der Grip. Apropos Regen: Auf nassem Asphalt quietschen die Schuhe - das nervt.
+ schneller Schuh
+ sehr gut im Gelände
- nicht für langsame Läufe geeignet
- wenig Grip und Quietschen auf nassen Flächen
Preis: ca. 150 Euro
Ergänzung: In Online-Foren ist häufig zu lesen, dass die Lebensdauer der Cloud-Schuhe sehr kurz sein soll. Dazu habe ich nach dem kurzen Test noch keinen Erfahrungswert. Oftmals hießt es, die ersten Luftkissen seien bereits nach rund 700 Kilometern gebrochen.