Dortmund. Viele Läufer sind Asketen: drahtig, schlank, muskulös. Für Laufblogger Stefan Reinke hingegen gilt: Das Schönste am Sport ist das Essen danach.

In vielen Lauf-Fachgesprächen, die man als passionierter Hobby-Sportler unbedarften Nicht-Läufern ungefragt aufdrängt, kommt irgendwann die Frage nach der Motivation: "Warum hast du überhaupt angefangen zu laufen?" Bei mir ist die Antwort relativ einfach: Ich wollte mein Gewicht halten oder vielleicht sogar verringern, ohne weniger essen zu müssen. Das hat geklappt. Inzwischen liege ich rund zwölf Kilo unter meinem Startgewicht. Tendenz: stagnierend bis leicht fallend. Ich fühle mich gut.

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Das wirklich Coole an der Sache ist, dass ich sogar mehr essen kann als vorher. Und ich esse ja wirklich für mein Leben gern. Unvernünftigerweise liebe ich Junk Food ungefähr genau so wie "gutes" Essen. Ich kenne im Umkreis von fünf Kilometern um meine Wohnung herum die Vor- und Nachteile jeder griechischen Pommesbude. Aber ebenso gerne wie mit einer griechischen Fleisch-Pommes-Kombination verwöhne ich meine Lieben und mich selbst mit leckerem Selbstgekochtem. Ich rieche und schmecke gerne Gewürze, grille gerne, achte auf feine Geschmacksnuancen. Ich liebe den Genuss. An Fußballtagen, wenn ich ins Stadion gehe, sind wiederum alle Regeln der gesunden Ernährung außer Kraft gesetzt - und ich habe eine Dauerkarte.

Nicht alle Läufer sind Asketen

Dass ich nicht der einzige Läufer bin, der gerne ungesund oder einfach lecker isst, beruhigt mich ungemein. Längst nicht alle Läufer sind Asketen. Selbst Extremläufer Michele Ufer hat mir erzählt, dass er bei langen Trainingsläufen schon mal am Discounter Pause macht und sich ein paar Fertigfrikadellen oder Minisalamis kauft. Und auch Blogger-Kollege Marc Höttemann ist zwar sehr stolz, dass er seit Beginn seiner Laufkarriere knapp zehn Kilo abgenommen hat, trotzdem postet der Mann auf seinem Facebook-Profil reihenweise Food Porn. Ich finde ja, durch die Lauferei wird das Essen noch genussvoller, weil man keine Angst davor haben muss, morgen zwei Kilo mehr auf die Waage zu bringen. Und wenn doch, dann kann man sie problemlos weglaufen. Aber wehe, eine Verletzung grätscht dazwischen und sorgt für eine Laufpause. Da findet das eine oder andere Kilo relativ schnell den Weg auf die Hüften.

Ein schlechtes Gewissen, eventuell zu viel gegessen zu haben, muss ich nicht mehr haben, weil ich weiß, dass die Kalorien durch die Lauferei nur so dahin schmelzen. Daran ändert auch der halbe Schoko-Osterhase, den ich Sonntagabend beim Tatort zur Strecke gebracht habe, nichts.

Belohnung nach dem Lauf: ein perfektes Steak vom Grill.
Belohnung nach dem Lauf: ein perfektes Steak vom Grill. © Stefan Reinke

Doch die Lauferei hat trotzdem Spuren auf meinem Speiseplan hinterlassen. Ich würde schon sagen, dass ich inzwischen bewusster esse und mich mehr dafür interessiere, welche Inhaltsstoffe in einer Mahlzeit vorhanden sind. Sogar eine Diät habe ich mal ausprobiert, obwohl ich weit davon entfernt bin, irgendein konkretes Zielgewicht zu erreichen. Im Grunde könnte alles so bleiben, wie es ist. Lachs ist inzwischen nicht nur lecker, sondern auch ein Lieferant für Omega-3-Fettsäuren und Eiweiß. Meiner Vorliebe für die amerikanische Frühstücks-Combo aus Speck und Spiegeleiern kann ich ohne Reue nachgeben, wenn ich sie zum Beispiel mit einem Morning Run verknüpfe. Die Spiegeleier sind Eiweiß für die Oberschenkel, der Speck, naja, der ist halt lecker.

Kohldampf nach dem Lauf am Morgen

Allerdings zieht so ein erfrischender Morning Run einen Mordskohldampf nach sich. Neulich habe ich es geschafft und mich aufgerafft. Zum Frühstück gab es anschließend die erwähnten Spiegeleier, ergänzt um Vollkorn-Toast (komplexe Kohlehydrate) und Frischkäse (noch mehr Eiweiß). Die hielten ungefähr zwei Stunden vor, dann begann mein Magen zu knurren, als hätte er den ganzen Tag noch nichts bekommen. Mittags in der Kantine gab es deftiges Sauerkraut (Vitamine) mit Kassler (lecker) und Kartfoffelpüree (sollte satt machen). Schon beim Essen hatte ich das Gefühl, dass jeder Bissen sofort in meinem Magen verpufft. Der Hunger wurde kein Stück kleiner. Am Abend zu Hause stürzte ich mich dann auf Salat und Räucherlachs und ging anschließend mit Hunger ins Bett.

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Eine Blitzumfrage auf Facebook ergab, dass ich glücklicherweise nicht allein bin. Morgendliche Läufe und Hunger sind wohl eine weit verbreitete Kombination. Vielleicht ist es Gewöhunngssache. Ich werde das ausprobieren. Für die helle und hoffentlich warme Jahreszeit habe ich mir nun vorgenommen, mehr Läufe in den frühen Morgenstunden zu machen. Das gibt Schwung für den Tag, der gleich mit zwei Erfolgserlebnissen beginnt:

  1. Ich bin aufgestanden!
  2. Ich bin wirklich laufen gewesen.

Besonders intensiv ist der Kohldampf in der Marathon-Vorbereitung. Ich kann gar nicht so viel kochen, wie ich in der Phase essen könnte. Speziell an den Sonntagen mit den langen Läufen bin ich eine echte Ess-Diva, die zu Hause schlechte Laune verbreitet. Wenn auf dem Trainingsplan ein Lauf von 25 oder gar 30 Kilometern steht, dann beginnt der Tag schon mit einem mürrischen Läufer am Frühstückstisch. Wurst ist zu schwerverdaulich vorm Laufen. Also gibt es zwei Brötchen mit Butter und Honig oder Marmelade. Dabei achte ich darauf, dass der Magen nicht zu voll wird, weil ich nicht mit voller Wampe laufen kann, mit leerer aber auch nicht. Dazu trinke ich Kaffee ohne aufgeschäumte Milch, weil ich keine Luft im Bauch haben will. Nach dem Frühstück noch ein Kohlehydratriegel und viel Wasser. Anschließend umziehen und ab auf die Piste.

Spaghetti Carbonara nach dem langen Lauf

Ich gehöre weiß Gott nicht zu den Männern alter Schule, die erwarten, dass das Essen auf dem Tisch steht, wenn sie von der Arbeit nach Hause kommen. Das geht schon deshalb nicht, weil ich in der Regel der bin, der das Essen zubereitet. Aber wenn ich von einem 30-Kilometer-Lauf nach Hause komme, erwarte ich, dass ich nach der Dusche essen kann. Mein Lieblingsessen nach langen Läufen: Spaghetti Carbonara. Aber die echte Variante ohne Sahne. Nur Pasta (Kohlehydrate), Speck (lecker), rohes Ei (Eiweiß) und geriebener Parmesan (noch mehr Eiweiß). Da könnte ich mich reinsetzen!

Meine Top 3 Speisen vor dem Laufen

  1. zwei Scheibchen Zwieback vor dem Morning Run
  2. ein kleines Schälchen Müsli und zwei bis drei Scheiben Weißbrot/Toast mit Honig oder Marmelade vor dem Marathon
  3. Brötchen mit Honig vor langen Läufen

Meine Top 3 Speisen nach dem Laufen

  1. Megaburger oder ein großes Steak vom Grill mit Pommes und ein Bier (nach dem Marathon)
  2. Spaghetti Carbonara (nach langen Läufen)
  3. großer Salat mit knusprigen Hähnchenstreifen (nach abendlichen Läufen unter der Woche)

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Beim Themenkomplex "Laufen und Essen" bin ich sehr entspannt. Ich mag beides und beschäftige mich gerne mit beidem. Und ich freue mich, dass ich das kann. Denn eigentlich ist das ganze Gerede über Laufen, Abnehmen und Essen eine reine Wohlstandsklamotte, Ausdruck eines Lebens im Überfluss. Haben wir wirklich keine anderen Sorgen als die, zu viel zu essen? Eine total verkopfte und genussferne Herangehensweise an Ernährung kann zu zwanghaftem Verhalten führen. Dann wird Essen zur Last und aus der Lust, sportlich besser und gleichzeitig körperlich leichter zu werden, kann sich schleichend der Drang entwickeln, immer weniger zu wiegen, immer weniger zu essen. Plötzlich ist Essen ein Feind, wie der ehemalige Telekom-Sprecher Christian Frommert in seinem Buch anschaulich erzählt. Lauf-Kolumnist Mike Kleiß hat das Thema "Magersucht" in seiner aktuellen Kolumne eindrucksvoll aufgegriffen. Auch er hat viel abgenommen und schreibt, er sei "kurz an der Schwelle des Wahnsinns" gewesen. Die Sensibilität dafür sollte jeder haben, der läuft, um ein paar Kilo zu verlieren. Ein "natürliches Bewusstsein für den eigenen Körper" mahnt der Sportwissenschaftler Dr. Mischa Kläber in meinem Blog über Mediakementenmissbrauch bei Hobby-Sportlern an - beim Thema Essen gilt das genau so. Wachsamkeit ist angebracht.